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„Es muss mehr Qualität in die Aufsichtsräte“

WP Board & Finance hat sich seit 2006 auf die Personalsuche für Beiräte und Aufsichtsräte in mittelständischen und börsennotierten Unternehmen spezialisiert. 50% der Vermittlungen finden im Bereich Private Equity statt – durch seine frühere Tätigkeit u.a. als Vorsitzender der Geschäftsführung von DZ Equity Partner kann Dr. Weigel auf ein breites Netzwerk zu Investoren verweisen. Aber auch mittelständische Familienunternehmen richten immer öfter auf freiwilliger Basis einen Beirat ein. Im Interview spricht Dr. Weigel über die Vorteile von Beiräten und warum auch börsennotierte Unternehmen von mehr Transparenz bei der Aufsichtsratsbesetzung profitieren können.

Unternehmeredition: Herr Dr. Weigel, was spricht für die Einrichtung eines Beirats in mittelständischen Unternehmen?

Dr. Weigel: Zusätzliches Know-how durch externe Personen, die der Geschäftsführung und den Gesellschaftern als unabhängige Gesprächs- und Sparringspartner zur Verfügung stehen. Wenn ich einen mittelständischen Unternehmer frage, wo er in den nächsten Jahren die größten Herausforderungen für sein Unternehmen sieht, kommen Antworten wie Internationalisierung, Produktinnovation, Finanzierung, Nachfolgeregelung, Wettbewerbsdruck usw. Wenn ich dann weiterfrage, wer diese Themen in einem bereits bestehenden Beiratsgremium abdeckt, ergeben sich sehr schnell weiße Flecken.

Unternehmeredition: Was sollte bei der Einrichtung eines Beirats beachtet werden?

Dr. Weigel: Es gibt Beiräte, die sich nur einmal im Jahr treffen und vor allem in allgemeiner Form austauschen. Das ist nicht unser Ansatz. Wir fokussieren uns auf Experten, die entweder fachliche Qualifikation oder langjährige Branchenerfahrung mitbringen und den Unternehmen damit einen klaren Mehrwert bringen. Wichtig ist, dass der Beirat nicht zu einer Art zweiter Gesellschafterversammlung verkommt oder nur durch „Friends and Family“ besetzt wird. Externe unabhängige Fachleute sollten im Beirat stets in der Überzahl sein – was in der Praxis jedoch noch nicht immer so gehandhabt wird.

Unternehmeredition: Wie offen sind Mittelständler für das Thema?

Dr. Weigel: Natürlich gibt es Vorbehalte. Es wächst aber die Bereitschaft, sich mit dem Thema zu beschäftigen, auch wenn das mit viel Aufklärungsarbeit verbunden ist. Durch meine mehr als sechsjährige Tätigkeit auf diesem Gebiet kann ich inzwischen auf die eine oder andere Referenz hinweisen. Manchmal hilft es auch, Namen von potenziellen Beiratskandidaten zu nennen, und die Meinung des Unternehmers dreht sich plötzlich um 180 Grad. Auch die öffentliche Diskussion über Professionalisierung und Kompetenzen von Aufsichtsräten hilft.

Unternehmeredition: Was sind denn entscheidende Vorteile von Beiräten in der Praxis?

Dr. Weigel: Unternehmen mit Beiräten haben meist eine bessere Kommunikations- und Unternehmenskultur und eine höhere Professionalisierung von Entscheidungsprozessen. Das Gremium muss jedoch auch gelebt werden.

Unternehmeredition: Wie meinen Sie das?

Dr. Weigel: Im Gegensatz zum Aufsichtsrat bei AGs entstehen Beiräte in Unternehmen mit anderer Rechtsform auf freiwilliger Basis und sind individuell gestaltbar. Es gelten nicht die Vorgaben des Aktiengesetzes. Allerdings ist es sinnvoll, dem Beirat gewisse Entscheidungsbefugnisse einzuräumen und seine Ratschläge ernst zu nehmen, was Kandidaten oft auch zur Bedingung machen. Die Kompetenzen des Beirats sind jedoch je nach Unternehmen gestaltbar. In dem von mir mitgegründeten Verband Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland e.V. (ArMiD) fordern wir, die Besetzung des Beirats stärker an Kompetenzen auszurichten.Unternehmeredition: Sie fordern auch mehr Transparenz bei der Wahl des Aufsichtsrates in börsennotierten Unternehmen. Welche Probleme sehen Sie aktuell?

Dr. Weigel: Aktionäre sollten grundsätzlich mehr Informationen darüber bekommen, warum bestimmte Personen zur Wahl in den Aufsichtsrat vorgeschlagen werden und welches Know-how diese mitbringen. Das Aktiengesetz schreibt momentan nur vor, dass in der Einladung drei Angaben zu den Personen gemacht werden müssen: der Name, der Wohnort und der Beruf. Diese erhalten Aktionäre etwa sechs Wochen vor der Hauptversammlung, die sie häufig selbst nicht besuchen können. Sie haben also keine Chance, sich ein entsprechendes Bild von der Person zu machen, müssen aber dennoch ein Votum abgeben.

Unternehmeredition: Was sollte sich ändern?

Dr. Weigel: Warum nicht eine Art Kurz-CV auf der Website des Unternehmens einstellen mit Informationen zu den beruflichen Stationen des Kandidaten? Große Unternehmen machen das bereits, aber auch noch nicht alle DAX-Unternehmen. Eine weitere Möglichkeit wäre ein schriftlicher Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung, in dem der Auswahlprozess und die Gründe für den Wahlvorschlag einer Person beschrieben werden.

Unternehmeredition: Auf welche Resonanz stoßen Sie mit dieser Idee?

Dr. Weigel: Verständnis für dieses Thema besteht durchaus. Gelegentlich wird mit Datenschutzgründen dagegen argumentiert. Vielleicht sollte die Idee zunächst als Soll-Vorstellung in den Corporate-Governance-Kodex aufgenommen werden, bevor daraus eine aktienrechtliche Vorschrift entsteht. Im jüngsten Grünbuch der Europäischen Kommission zu Corporate Governance ist Transparenz bei der Besetzung von Aufsichtsräten auch eindeutig thematisiert. Wir brauchen diese Diskussion, um von der Besetzungskungelei wegzukommen. Es gibt Unternehmen, wo der Vorstand sich „seinen“ Aufsichtsrat aussucht und damit die Funktion des Aufsichtsrates auf den Kopf gestellt wird. Es muss mehr Qualität und Unabhängigkeit in die Aufsichtsräte und mehr Transparenz in den Besetzungsprozess.

Unternehmeredition: Ein Schritt in diese Richtung ist das Bilanzmodernisierungsgesetz (BilMoG) von 2009, das „wirkliche“ Finanzexperten im Aufsichtsrat von kapitalorientierten Unternehmen fordert. Wie sind Sie mit dessen Umsetzung zufrieden?

Dr. Weigel: 2014 läuft die dafür vorhergesehene Übergangsperiode ab, die Realität in den Aufsichtsräten sieht jedoch oft komplett anders aus – eben weil der Gesetzgeber bislang keine genaue Definition dafür geliefert hat, was denn einen Finanzexperten ausmacht. Es gibt auch keine Instanz, die die Umsetzung kontrolliert. Eigentlich wäre das Aufgabe der Aktionäre. Auch der Aufsichtsrat könnte eine Umsetzung des Gesetzes monitoren, ist mit seiner Besetzung aber offensichtlich meist zufrieden. Man könnte diese Aufgabe auch dem Abschlussprüfer übertragen. Die Regeln des BilMoG gelten übrigens auch für Unternehmen, die z.B. eine Anleihe begeben haben.

Unternehmeredition: Würden Sie soweit mehr staatliche Kontrolle einfordern?

Dr. Weigel: Ich glaube nicht, dass es mehr staatliche Kontrolle braucht. Bei den Kreditinstituten, wo die BaFin jährlich mehrere Dutzend vorgeschlagene Aufsichtsräte wegen mangelnder Qualifikation ablehnt, ist es aufgrund der Systemrelevanz eine andere Situation. Letztlich ist es Aufgabe der Aktionäre, für entsprechende Expertise in den Aufsichtsräten zu sorgen. Dazu sollten sie sich aber auch aktiver als heute in den Prozess einbringen und die Wahlvorschläge in der Hauptversammlung qualitativ hinterfragen. Stattdessen werden die Wahlvorschläge oft mit sozialistischer Mehrheit durchgewunken.

Unternehmeredition: Herr Dr. Weigel, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Verena Wenzelis.
wenzelis@goingpublic.de

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