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„Es gibt keine Anzeichen, dass Bargeld verschwindet“

Mit dem Geschäft rund um Banknoten wurde das Familienunternehmen Giesecke & Devrient groß. Im Jahr 2015 stellte es den unrentablen Gelddruck in München ein. Nach einer Umstrukturierung soll das Geschäft mit digitalen Identitäten, dem Sichern von Daten und Automatisierungslösungen mehr in den Fokus rücken.

Herr Wintergerst, Ihr Geschäft rund um Banknoten macht immer noch die Hälfte Ihres Umsatzes aus. Sie drucken diese, stellen das Papier her und bieten Bearbeitungsmaschinen an. Ist Bargeld nicht ein Auslaufmodell?

Wintergerst: Das gesamte Geschäft rund ums Geld ist immer noch ein sehr gutes. Bargeld wird nicht abgeschafft. Auch wenn das weitläufig so proklamiert wird.

Mit dem Einzug des 500-Euro-Scheins wurde jedoch der Anfang gemacht…

… das war eine politische Entscheidung. Der Einfluss auf die gedruckte Geldmenge wirkt sich auf unser Geschäft eher positiv aus. Statt eines 500-Euro-Scheins werden so etwa fünf 100-Euro-Scheine gedruckt. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass das Bargeld verschwindet.

Bares wird häufig mit Steuerhinterziehung und Schwarzgeld assoziiert.

Das halte ich für Quatsch. Die Debatte um die Abschaffung des Bargelds ist ein Scheingefecht rund um das Thema uneingeschränkte Transparenz. Bargeld dient auch dem Schutz der Privatsphäre jedes Einzelnen. Fakt ist: Die hergestellte Menge an Bargeld wächst jedes Jahr um fünf Prozent.

Wie sieht das bei den Euro-Noten aus?

In den vergangenen Jahren betrug die durchschnittliche Steigerungsmenge sieben Prozent pro Jahr. Dadurch, dass die Geldmenge wächst, zeitgleich jedoch auch die digitalen Bezahlmöglichkeiten zunehmen, kommt automatisch Kostendruck auf das Bargeld, weil man die Systeme effizient halten möchte. Das wiederum hilft uns, Automatisierungssysteme für den Bargeldkreislauf anzubieten. Gleichzeitig entwickeln wir digitale und mobile Zahlungsmethoden, die die anderen Varianten des Bezahlens abdecken.

Kann man mit Gelddrucken noch Geld verdienen?

Wir drucken ja nicht nur Geld, sondern decken die komplette Wertschöpfungskette der Banknote ab. Also auch das Design, die Sicherheitsmerkmale oder die automatisierte Prüfung, ob es sich um echtes Geld handelt.

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Mit dem Geschäft rund um Banknoten wurde das Familienunternehmen Giesecke & Devrient groß. Im Jahr 2015 stellte es den unrentablen Gelddruck in München ein. Nach einer Umstrukturierung soll das Geschäft mit digitalen Identitäten, dem Sichern von Daten und Automatisierungslösungen mehr in den Fokus rücken.

Dennoch haben Sie den Druck am Standort München im Jahr 2015 eingestellt. Was waren die Gründe?

In München hatten wir die Produktion, Forschung und Entwicklung, den Vertrieb und die Verwaltung. Mischbetriebe sind ineffizient und teuer. Gleichzeitig erhalten wir von den Kunden erhebliche Sicherheitsauflagen. Hebt man diese an unterschiedlichsten Standorten auf das höchste Niveau, wird das zur Kostenbelastung. In München konnten wir Banknoten nicht mehr kostendeckend produzieren. Gedruckt wird jetzt noch in unserem Stammhaus in Leipzig und in Kuala Lumpur mit der gleichen Kapazität.

Insgesamt haben Sie damals weltweit knapp 1.000 Mitarbeiter abgebaut. Wie hat die Belegschaft eines erfolgsverwöhnten Familienunternehmens dies aufgenommen?

Für uns alle war das eine schwere Zeit, weil der Standort immer sehr stark mit dem Banknotendruck verbunden war. In München trennten wir uns von 600 Mitarbeitern. Auch der Eigentümerfamilie und dem Management fiel dieser Einschnitt nicht leicht. Allerdings gab es keine Alternative.

Welche Maßnahmen haben Sie im Restrukturierungsprozess ergriffen?

Zum einen haben wir in der Zentrale die Kostenbasis gesenkt, indem wir die Produktion an einen anderen Standort verlagert haben. Zudem haben wir unsere Einkaufsprozesse neu strukturiert und Verwaltungskosten reduziert.

Sie haben das Unternehmen auch neu gegliedert.

Richtig, wir haben den Konzern parallel neu aufgestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir eine integrierte Struktur. Jetzt arbeiten wir in einer Holding-Struktur mit vier rechtlich eigenständigen Geschäftsbereichen. Das hat den Vorteil, dass wir weniger Kompromisse eingehen müssen und der Kunde stärker in den Fokus rückt.

Wie wirkt sich das auf die einzelnen Unternehmensteile aus?

Will man sich weiterentwickeln und Partner, Unternehmen oder Portfolioelemente dazunehmen, ist es besser, dieses partiell zu tun. Das ist in der neuen Struktur deutlich einfacher. Wir haben die Teams neu besetzt und das Branding der einzelnen Firmen erneuert.

Was hat sich optisch verändert?

Die einzelnen Unternehmensteile haben etwa eigene Farbcodes bekommen. Messestände, Visitenkarten oder auch das Papier haben jetzt ein eigenes Farbschema, auch um die Identifikation der Mitarbeiter mit der Einheit zu stärken. Wir haben das G+D-Logo verändert und Namen neu vergeben.

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Mit dem Geschäft rund um Banknoten wurde das Familienunternehmen Giesecke & Devrient groß. Im Jahr 2015 stellte es den unrentablen Gelddruck in München ein. Nach einer Umstrukturierung soll das Geschäft mit digitalen Identitäten, dem Sichern von Daten und Automatisierungslösungen mehr in den Fokus rücken.

G+D war immer sehr verschlossen. Ist es Teil der Strategie, sich etwas zu öffnen?

In der Tat wollen wir zugänglicher werden. Dass wir eher in uns gekehrt waren, lag jedoch nicht unbedingt an den handelnden Personen. Wir entwickeln Sicherheitstechnik, viele Kunden wollen nicht, dass darüber öffentlich gesprochen wird. Dennoch ist klar, dass wir uns mehr zeigen müssen, damit mehr Leute wissen, was wir tun.

Neben dem Banknotengeschäft haben Sie sich auch der Verschlüsselung und generell der sicheren Kommunikation verschrieben. Wie läuft das Geschäft in diesen unsicheren Zeiten?

Momentan ist es die wahrscheinlich beste Zeit, dieses Unternehmen zu führen. Zum einen kümmern wir uns um das sichere Bezahlen auf allen Ebenen und sorgen für sichere Verbindungen. Wir kümmern uns aber auch um digitale Identitäten, sichern Daten und die IT und bieten Automatisierungslösungen an.

Numeron: Die Maschine überprüft die Echtheit und Umlauffähigkeit von Geldscheinen.

Dann haben Sie sicherlich einen Freudensprung gemacht, als Sie vom Hackangriff Wannacry hörten?

Das nicht, doch letztlich sind solche Meldungen wichtig. Sie verstärken das Bewusstsein, dass zuverlässige Cybersicherheitslösungen unerlässlich sind. In einer verwobenen Welt werden Attacken dieser Art zunehmen. Große Teile deutscher Behörden setzen unsere Kryptotechnologie ein, um Dokumente sicher zu übermitteln. Dieses Feld wollen wir ausweiten – nicht nur bei Behörden.

Wie soll das aussehen?

Aktuell bauen wir eine Division für Cybersicherheitslösungen für industrielle Anwendungen auf. Dadurch, dass in der deutschen Industrie die Standorte sehr verteilt liegen, fließen Unmengen an Daten. Wir bauen Lösungen, um diese Ströme zu sichern. Nach und nach wollen wir die Anwendungen in der Industrie ausrollen.

Haben Sie schon Kunden?

Wir haben vielversprechende Ansätze. Aktuell sprechen wir mit verschiedenen Herstellern aus der Verpackungs- und Logistikindustrie über die Absicherung ihrer Maschinen im Hochsicherheitsumfeld. Darüber hinaus beschäftigt das Thema viele unserer Kunden, etwa aus den Bereichen Automobil, Hausgeräte oder Zahlterminals.

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Mit dem Geschäft rund um Banknoten wurde das Familienunternehmen Giesecke & Devrient groß. Im Jahr 2015 stellte es den unrentablen Gelddruck in München ein. Nach einer Umstrukturierung soll das Geschäft mit digitalen Identitäten, dem Sichern von Daten und Automatisierungslösungen mehr in den Fokus rücken.

Auch die Themen Industrie 4.0 und generell die Automatisierung stehen auf Ihrer Agenda. Derzeit baut etwa die Bundesbank in Dortmund ein modernes Bargeldzentrum. Wo wollen Sie ansetzen?

Etwa bei der professionalisierten Bargeldbearbeitung. Schon bald werden Cash-Center aufgebaut sein wie moderne Fabriken, mit Lagerhaltungssystemen, Automatisierungstechnik und IT-Systemen. Die Diskussionen, die wir heute mit unseren Kunden dazu führen, gehen voll in Richtung Industrie 4.0. Von diesem Industrietrend wollen wir als Komplettanbieter für solche Zentren profitieren.

Sicherlich ein hart umkämpfter Markt. Wie finden Sie denn hier die besten Köpfe?

Das wird zunehmend schwerer, wir sind nicht Apple oder Google. Jedoch haben wir Spezialkenntnisse und wissen, worüber wir reden. Wir haben ein gutes Netzwerk mit mehreren Standorten in Deutschland.

Sie haben auch einen Inkubator gegründet – was hat es damit auf sich?

Er ist eine hauseigene Ideenfabrik. Er hilft unseren Unternehmensbereichen, neue digitale Produkte schnell und unbürokratisch bis zur Marktreife zu entwickeln. Damit wollen wir die physische und die digitale Welt bei uns verknüpfen.

Wie stark wollen Sie künftig wachsen?

Wir stecken uns keine riesigen Wachstumsziele. Wichtiger ist uns, die Qualität unseres Portfolios weiter zu entwickeln. Einige Geschäftsfelder bieten uns längerfristige Entwicklungsmöglichkeiten. Diese voranzutreiben ist uns wichtiger als einmalig einen Zehn-Prozent-Sprung zu machen.


Zur Person

Seit November 2016 ist Ralf Wintergerst CEO von Giesecke & Devrient (G+D). Bereits seit 1998 ist er im Familienunternehmen tätig. Im Dezember 2013 wurde Wintergerst Mitglied der Geschäftsführung und leitete den Geschäftsbereich „Banknote“. Deutlich ausbauen will Giesecke & Devrient das Geschäft rund um die Cybersicherheit. Vor allem in der Industrie sieht das Unternehmen Potenzial. Traditionell wird jedoch auch das Geschäft rund ums Geld wichtig bleiben. Nachdem das Unternehmen 2014 rote Zahlen schrieb, kämpfte es sich nach der Restrukturierung wieder aus der Verlustzone. Giesecke & Devrient beschäftigt 11.300 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2016 einen Umsatz von etwas mehr als zwei Mrd. Euro.

www.gi-de.de

 

 

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