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„Es gibt böswillige Menschen“

Alfred Ritter hat es geschafft: Der Rechtsstreit mit der Stiftung Warentest ist ausgestanden, die Umfragewerte des Unternehmens sind wieder stabil. Der Fall hat den Unternehmer aber einiges gelehrt.

Unternehmeredition: Herr Ritter, Sie waren von 2013 bis 2014 in einen Rechtsstreit mit der Stiftung Warentest verwickelt, der fast Ihren Ruf ruiniert hätte. Wie geht man als Unternehmen mit solch einer Situation um?

Ritter: Das Urteil der Stiftung Warentest kam völlig unerwartet. Denn entgegen ihrer Aussagen hatte sie vorab nichts angekündigt. Am Vortag hatten wir noch gewettet, ob wir auf Platz eins oder zwei sind. Letztendlich waren wir auf dem letzten Platz. Die Stiftung hat dann behauptet, dass wir den Aromastoff Piperonal in unseren Schokoladen als natürlich gekennzeichnet hätten, obwohl er chemisch hergestellt worden sei. Hätte sie sich damit durchgesetzt, wäre das das Aus für Ritter Sport gewesen. Dann wären wir wegen falscher Deklaration nicht verkehrsfähig gewesen, jeder Händler muss solche Hersteller aussortieren.

Sie waren an dem Tag auf einer Lebensmittelmesse in Berlin und konnten direkt mit den Händlern ins Gespräch gehen. Haben die Ihnen geglaubt?

Das war unser großes Glück, ja. Aber wenn wir den darauffolgenden Prozess durch die Instanzen nicht gewonnen hätten, hätte die Welt anders ausgesehen. Die Stiftung Warentest hat unsere einstweiligen Verfügungen zweimal angefochten, was vom Landgericht München sowie vom Oberlandesgericht München aber stets abgewiesen wurde. Wir hätten dann noch ins Schadensersatzverfahren gehen können, aber wir sind ja nicht streitsüchtig. Nachdem unsere einstweilige Verfügung zum zweiten Mal bekräftigt wurde, war eigentlich alles klar. Denn Stiftung Warentest hat am Ende ja nur darum gestritten, dass sie ihr Urteil presserechtlich behaupten dürfe – auch wenn es gar nicht zutrifft. Von da an war es für uns entspannter.

Empfinden Sie das als Klein-Klein?

Als Laie wundert man sich darüber, dass jemand durch mehrere Instanzen dafür streitet, etwas Unwahres weiter behaupten zu dürfen. Wir haben unser Piperonal als natürliches Aroma deklariert. Die Stiftung meinte aber, sie kenne gar kein Verfahren, mit dem man es auf natürliche Art und Weise herstellen kann. Offensichtlich hat da aber jemand schlecht gegoogelt: Ein Student hat nicht lange gebraucht, um drei Patente auf natürliche Verfahren rauszufinden. Im Prozess kam dann heraus, dass das Labor, auf dessen Analyse sich Stiftung Warentest gestützt hat, der Stiftung gegenüber mitgeteilt hatte, es könne keine Aussage dazu treffen, ob unser Piperonal natürlich oder chemisch hergestellt wurde.  Alfred Ritter hat es geschafft: Der Rechtsstreit mit der Stiftung Warentest ist ausgestanden, die Umfragewerte des Unternehmens sind wieder stabil. Der Fall hat den Unternehmer aber einiges gelehrt.

Wie war die Rückmeldung der Kunden?

Wir haben zum ersten Mal in unserer Unternehmensgeschichte einen Shitstorm erlebt: Viele Hass-E-Mails und Beschimpfungen. Unsere Beliebtheitswerte sind drastisch abgefallen. Im Verlauf des Prozesses hat sich das gelegt. Wie viel wir weniger verkauft haben, lässt sich schwer beurteilen. Es ist ja bekannt, dass Stiftung Warentest bei Produkten mit „low interest“ einen geringeren Einfluss auf die Verbraucher hat als etwa bei Waschmaschinen oder Fahrrädern. Dazu zählt auch Schokolade. Es war auch von vornherein klar, dass zu keinem Zeitpunkt eine Gesundheitsgefährdung bestand.

Sie sind ein traditionsreiches Familienunternehmen mit intaktem Wertegerüst und viel Engagement für Gesellschaft und Mitarbeiter. Dann kommt so ein Stiftung-Warentest-Urteil und stürzt Sie fast ins Verderben. Ist das gerecht?

Das ist wie ein LKW, der einen überrollt. Dann hat man eben Pech.

Der gesamte Vorfall wurde von einer großen medialen Präsenz begleitet. War das gut oder schlecht?

Schokolade von Ritter Sport: Fast hätte sie aus dem Handel genommen werden müssen. (© Alfred Ritter GmbH & Co. KG)

Am Anfang war es katastrophal, da gab es schlimme Reaktionen – wenngleich nicht in der Presse direkt. Bis hin zu einem Ritter-Sport-Wagen bei einem Karnevalsumzug. Aber dadurch, dass wir alle juristischen Instanzen gewonnen haben und entsprechend darüber berichtet wurde, hat sich das Image dann doch wieder verbessert. Zudem kam medial mehr und mehr über die Methoden der Stiftung Warentest auch bei anderen Tests zutage …

Hatten Sie auch eine eigene Strategie für Ihre Krisenkommunikation?

Ja, immer die Wahrheit sagen.

Haben Sie professionelle Beratung in Anspruch genommen?

Nein, jedenfalls keine krisenspezifische. Lediglich unsere Abteilung für PR und Recht hat heftigere Zeiten erlebt.

War das nicht riskant?

Nein, ich vertraue meinen Mitarbeitern total, gerade unserem Justitiar.

Wie holen Sie den Imageschaden wieder auf?

Etwas bleibt immer hängen. Im Endeffekt hält sich der Schaden aber in Grenzen. Auf der anderen Seite sind wir PR-mäßig noch nie so oft erwähnt worden wie zu dieser Zeit. Das hat die ganze Geschichte dann etwas neutralisiert.

Was hat Sie der Fall gelehrt?

Man muss sich vorsehen. Einfach gut handeln hilft einem im Ernstfall nicht. Man muss auf der Hut sein, es gibt böswillige Menschen.Alfred Ritter hat es geschafft: Der Rechtsstreit mit der Stiftung Warentest ist ausgestanden, die Umfragewerte des Unternehmens sind wieder stabil. Der Fall hat den Unternehmer aber einiges gelehrt.

Ritter Sport als Marke gibt es ja schon relativ lange. Die Markenstrategie mit der Betonung auf das Einfache, Echte und die Qualität war schon immer zentral …

Stimmt, und die Firma hat sich schon immer auf die Fahnen geschrieben, ehrlich und transparent mit dem Kunden umzugehen. Das ist unser Firmenprinzip. Uns genau an dieser Stelle der Lüge zu bezichtigen, trifft natürlich schon.

Ist das der Grund, warum die Kunden so heftig auf das Urteil reagiert haben?

Das spielte sicherlich mit rein.

Aber ist es nicht so, dass einem nichts passieren kann, wenn das Wertegerüst stimmt und man sich nichts vorzuwerfen hat?

Das dachte ich auch, aber was, wenn jemand einfach lügt? (lacht).

Wie stehen Sie heute zu Organisationen wie der Stiftung Warentest?

Wir bräuchten eigentlich mehr solcher Organisationen. Die müssten aber auch verantwortungsvoll handeln. Ich finde sie eigentlich grundsätzlich richtig und dachte immer, sie seien meine besten Freunde, weil sie gut von schlecht unterscheiden.

Meinen Sie, die Stiftung wollte sich mit dem Vorfall auch profilieren?

Ja, die Devise lautet ja „kein Heft ohne Skandal“. Diesmal waren wir eben dran. Und das gerade mit unserer Vollnuss-Schokolade, wo wir immer die besten Bewertungen bekommen.

Also alles kein Zufall?

Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Aber der Testgewinner der Ausgabe war ein Hersteller, der chemische Aromen einsetzt.


Zur Person

(© Alfred Ritter GmbH & Co. KG)

Alfred T. Ritter war von 2005 bis Herbst 2014 Geschäftsführender Gesellschafter des Schokoladenherstellers Alfred Ritter GmbH & Co. KG. Nun ist er Beiratsvorsitzender. Das 1912 gegründete Unternehmen ist in dritter Generation in Familienhand. Neben der Qualität der Schokolade liegt ihm vor allem das Thema Ökologie am Herzen: Seit 2012 betreibt das Unternehmen ein eigenes Blockheizkraftwerk, organisierter Umweltschutz besteht seit 1996. Als Reaktion auf das Reaktorunglück von Tschernobyl gründete Ritter 1988 außerdem die Ritter Energie und Umwelttechnik, einen Anbieter ökologischer Energiesysteme. www.ritter-sport.de

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