Website-Icon Unternehmeredition.de

Den Ernstfall verhindern

Die finanzielle Restrukturierung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Sanierung von Unternehmen. Die Möglichkeiten an Maßnahmen sind vielfältig und für den Laien nicht immer zu durchschauen. Ein frühzeitiges Krisenmanagement kann helfen. 

Schwere Zeiten hat der Spezialmaschinenbauer Singulus hinter sich. Ende vergangenen Jahres fiel die Eigenkapitalquote des Unternehmens aus dem unterfränkischen Kahl am Main auf einen Negativwert von über 20 Mio. Euro. Einst gestartet als Spezialist zum „Bespielen“ von optischen Speichern wie CDs und DVDs, kam das Ende der herkömmlichen Speichertechnologie schneller als erwartet. Einen Ausweg sah das Unternehmen zunächst in der Entwicklung von Maschinen zur Herstellung von Solarzellen und Halbleitern – bevor auch in diesem Segment der große Einbruch kam. Nur ein Schuldenschnitt konnte den drohenden Gang in die Insolvenz vermeiden. Für jeweils 1.000 Euro an Schuldverschreibungen erhalten Anleihegläubiger das Recht, zwei neue Schuldverschreibungen im Wert von jeweils 100 Euro sowie weitere Aktien des Unternehmens zu erwerben. Allerdings müssen sich die Gläubiger mit einem anfänglichen Zinssatz von drei Prozent begnügen – die alte Anleihe versprach immerhin über sieben Prozent. Als Grundlage für den beschlossenen Schuldenschnitt diente ein Sanierungsgutachten der Wirtschaftprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC). „Die besondere Herausforderung eines solchen Verfahrens liegt in der Vereinbarkeit der unterschiedlichen Ansichten der einzelnen Gläubiger und Gesellschafter“, erklärt Markus Held vom Beratungshaus One Square Advisors, welches im Rahmen der Restrukturierung der Singulus mandatiert worden war. „Am Ende des Prozesses gilt es, eine Mehrheit für ein marktfähiges Konzept zu finden“, so

Sieht den klassischen Bankkredit an Bedeutung verlieren: Daniel Judenhahn, Partner bei PwC. (© privat)

Held.

Finanzielle Restrukturierung braucht willige Kapitalgeber

„Die Erfolgsaussichten für eine finanzielle Restrukturierung hängen entscheidend von der Dringlichkeit und Komplexität der Krisensituation, von den Zukunftsaussichten des Unternehmens und dem Zustand des Kapitalmarktes ab“, sagt Joachim Englert, Partner im Bereich Sanierung und Restrukturierung bei PwC. Dabei sind die aktuellen Rahmenbedingungen für finanzielle Restrukturierungsmaßnahmen durchaus günstig. Zwar möchte PwC-Experte Englert keinen Trend ausmachen. Doch die Chancen für eine erfolgreiche finanzielle Restrukturierung kann man derzeit als positiv bewerten. Viel Geld zu günstigen Konditionen ist im Umlauf, der EZB sei Dank. Dazu kommen willige Kapitalgeber, die mangels attraktiverer Anlagemöglichkeiten auch Unternehmen in schwierigen wirtschaftlichen Situationen finanzieren wollen. „Dadurch kommt es verstärkt zu Refinanzierungen und eben nicht zu finanziellen Restrukturierungen“, ergänzt Daniel Judenhahn, Partner im Bereich Sanierung und Restrukturierung bei PwC. „Dabei haben alternative Formen der Finanzierung, wie etwa Private Debt, die Bedeutung des klassischen Bankkredits reduziert, und das Spektrum an Risikobereitschaft auf Kapitalgeberseite hat tendenziell zugenommen.“Die finanzielle Restrukturierung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Sanierung von Unternehmen. Die Möglichkeiten an Maßnahmen sind vielfältig und für den Laien nicht immer zu durchschauen. Ein frühzeitiges Krisenmanagement kann helfen. 

Maßnahmen verknüpfen

Warnt davor, im Restrukturierungsfall vorschnell Kapital aufzunehmen: Thomas Sittel von goetzpartners. (© privat)
Handelsparkett der Börse Stuttgart: Sie gilt als Vorreiter für Mittelstandsanleihen in Deutschland. (© Börse Stuttgart GmbH)

Die Schwierigkeiten einer finanziellen Restrukturierung entstehen häufig durch eine oftmals heterogene und komplexe Finanzierungsstruktur von Sanierungsfällen. Auch die strengere Regulierung der Banken macht das Finanzierungsumfeld für Banken nicht einfacher. Zu diesem Ergebnis kommt die „Restrukturierungsstudie 2015″ der Wirtschaftsprüfer von Roland Berger. Die Verfasser sind der Auffassung, dass eine Neuaufstellung der Unternehmensfinanzierung entscheidend ist, um eine erfolgreiche Restrukturierung und den Fortbestand eines Unternehmens zu garantieren. Allerdings führt die oft hohe Anzahl an Stakeholdern, neben klassischen Banken häufig auch Anleiheinvestoren, Hedgefonds oder Mezzanine-Fonds mit ihren unterschiedlichen Interessen und Besicherungsstrukturen zu erhöhten Anforderungen an ein umfassendes Stakeholder-Management. Trotz des günstigen Finanzierungsumfeldes berge billiges Geld auch neues Gefahrenpotenzial und lege damit die Basis für zukünftige Restrukturierungsfälle, so die Wirtschaftprüfer von Roland Berger in ihrer Studie. Die Verknüpfung mehrerer Finanzierungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der heterogenen Gläubigerstruktur, vor allem die Verbindung einer Barkapitalerhöhung mit einem Debt Equity Swap und einem Schuldenschnitt, garantiere dabei weitaus höhere Erfolgschancen als die Konzentration auf eine einzige Maßnahme. Vor allem da es die eine Lösung nach allgemeingültiger Expertenmeinung gar nicht gibt. Mit neuen finanziellen Zuwendungen oder Zinsmaßnahmen allein ist es aber nicht getan. „Was leider häufig zu kurz kommt, sind notwendige betriebswirtschaftliche Restrukturierungen“, warnt Thomas Hoffmann, Co-Leiter Restrukturierung und Insolvenz bei der Wirtschaftskanzlei Noerr. „Verlustbringer werden oft nicht beseitigt, sondern weiter durchgefüttert. Das kann sich in Zeiten knapperen Geldes schnell rächen.“ Denn auch wenn viele Banken absagen, derzeit findet sich im aktuellen Finanzierungsumfeld immer jemand, der finanziert, ergänzt Thomas Sittel, Partner beim Beratungshaus goetzpartners. Die Gefahr einer Blase sieht er allerdings noch nicht. „Wir haben immer noch einen Leverage von knapp unter fünf. Zu den Hochzeiten der Finanzkrise lag dieser bei über sechs.“

 Wo sind die Anleihen hin?

Sieht High Yield Bonds als Alternative zu Mittelstandsanleihen: Wolf Waschkuhn von One Square Advisors. (© privat)

Noch vor wenigen Jahren entbrannte ein regelrechter Hype um die Anleihen mittelständischer Unternehmen – inzwischen gilt der Markt als tot. „Natürlich gibt es weiterhin einen Bedarf an öffentlich notierten Schuldtiteln“, moniert Wolf Waschkuhn von One Square Advisors. „Allerdings verlangen Gläubiger heute nach einergrößeren Transparenz und weiter gehenden Eingriffsrechten.“ Über derartige Eigenschaften verfügen viele der traditionellen Mittelstandsanleihen nicht, folglich seien entsprechende Anleihen am aktuellen Markt kaum mehr gefragt. Einen Ausweg sieht Waschkuhn in der Aufnahme von High Yield Bonds. „Dabei können Schuldner daran gehindert werden, weitere Schulden aufzunehmen, welche zulasten bestehender Gläubiger ausfallen. Zudem enthalten High Yield Bonds jene Transparenz und Mitspracherechte, die man in klassischen Mittelstandanleihen zuweilen noch vergeblich suchte. Andererseits: Neben den höheren Anforderungen an Transparenz und Mitsprache erweisen sich High Yield Bonds, typischer unter New Yorker Recht herausgegeben, zuweilen als rechtlich sehr komplexe Konstrukte. „Nach deutschem Recht müssten diese deutlich verschlankt werden, um sie für ein mittelständisches Unternehmen besser anwendbar zu machen“, so Waschkuhn. Die Deutsche Privat Placement Plattform (DPPP) nimmt den Gedanken eines verbesserten Investorenschutzes auf und hat bereits eine Reihe von namhaften und willigen Investoren hinter sich gebracht, die durchaus unter einer angepassten Dokumentation weiterhin investieren würden. Ein mithin probates Mittel bleibt, die Fälligkeit bestehender Anleihen zu verlängern und die Zinsen des Anleihe-Coupons gegen Angebot eines Wertaufholungsinstrumentes anzugleichen. „Denn häufig bleibt als Alternative nur die Insolvenz“, warnt One Square-Experte Waschkuhn.
Die finanzielle Restrukturierung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Sanierung von Unternehmen. Die Möglichkeiten an Maßnahmen sind vielfältig und für den Laien nicht immer zu durchschauen. Ein frühzeitiges Krisenmanagement kann helfen. 

 Debt Equity Swaps und Amend-to-Extend

Gläubigerrechte gehen vor: Wirtschaftsanwalt Thomas Hoffmann (© Steffen Jaenicke)

Mit Debt Equity Swaps und Amend-to-Extend-Verfahren erfreuen sich zwei Varianten einer besonderen Beliebtheit. „Ein Debt Equity Swap ist bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft sicher schwieriger umzusetzen als bei einer GmbH mit wenigen Gesellschaftern“, sagt Thomas Hoffmann von Noerr. Dabei wird die Forderung des Gläubigers mit einem Abschlag an eine dritte Partei veräußert, etwa an eine Investmentbank oder einen Hedgefonds. So gehen die Anteile am Unternehmen nicht auf den Gläubiger, sondern auf den Erwerber der Forderung über. In den meisten Fällen verfügt der Schuldner dabei oft nur noch über eine geringe Bonität. „Entscheidend ist meist, was die Mehrheit der Finanzgläubiger will. Kommt es nur auf die Vermeidung von Abschreibungsbedarf und die Erhöhung der Zinsmarge an, ist ein Amend-to-Extend wahrscheinlich. Handelt es sich um aggressive Distressed-Investoren, die für hohe Gewinne auch bereit sind, hohe Risiken einzugehen, ist ein Debt Equity Swap wahrscheinlicher“, so Hoffmann weiter. Im Regelfall wird immer nach einer Lösung gesucht, die am wenigsten in die Gläubigerrechte eingreift. Hier wird häufig auf die Amend-to-Extend-Lösung zurückgegriffen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Anpassung von Covenants und die Verlängerung von Kreditlaufzeiten oder die Streckung von Tilgungen bei gleichzeitiger Anpassung der Zinsmargen. Auch auf Nachschüsse in geringerem Umfang von Gesellschafterseite kann im Rahmen dieser Maßnahme zurückgegriffen werden. „Über die letzten Jahre lässt sich beobachten, dass in einem Niedrigzinsumfeld in Kombination mit viel frei verfügbarer Liquidität auf Kapitalgeber- oder Anlegerseite ein Amend-to-Extend-Prozess häufig als hinreichend probates Mittel eingeschätzt wird“, unterstreicht Daniel Judenhahn von PwC. Allein im vergangenen Jahr wurden demnach bei deutschen Unternehmen rund 23 Mrd. Euro im Zuge von Amend-to-Extend-Verfahren ausgelöst.

 Rückkehr des Mezzanine-Darlehens

Allerdings sind auch die Möglichkeiten eines solchen Verfahrens begrenzt, nämlich wenn es einen zusätzlichen Finanzierungs- oder Liquiditätsbedarf zu decken gilt. Und es stellt sich mitunter die Frage, ob dadurch auch solche Unternehmen künstlich am Leben gehalten werden, deren Fortbestand aus volkswirtschaftlicher Sicht für manch einen Betrachter eigentlich keinen Sinn mehr macht. Einen Rückkehrer auf den Markt stellen auch Mezzanine-Darlehen dar. Zuletzt eher verpönt, sehen manche in dieser Mischform aus Eigen- und Fremdkapital, bei der der Kapitalgeber keine Stimm- oder Einflussrechte erhält, eine willkommene Alternative zum Factoring-Verfahren, also der Übertragung von Forderungen eines Unternehmens gegen den Schuldner an ein Kreditinstitut oder ein Factoring-Unternehmen vor Fälligkeit der Schuld.


Fazit

Möglichkeiten für eine finanzielle Restrukturierung sind breit gesät. Ein fester Katalog darüber, welche Maßnahme für welches Unternehmen am Ende auch greift, existiert freilich nicht. Solange aber operatives Potenzial vorhanden ist und Gläubiger bereit sind, ihre Ansprüche zu strecken, stehen die Chancen auf einen erfolgreichen Turnaround nicht schlecht.

Die mobile Version verlassen