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„Die Übergabe scheitert oft an Eitelkeiten“

Philipp Hahn-Woernle hatte einen tollen Job in seiner Traumstadt in den USA. Warum er dennoch in die schwäbische Heimat nach Stuttgart ins Familienunternehmen zurückkehrte und wohin die Reise von Viastore geht.

Unternehmeredition: Herr Hahn-Woernle, bevor Sie zu Viastore zurückkamen, hatten Sie Ihren Lebensmittelpunkt in Boston. Warum haben Sie 2013 dennoch die Nachfolge angetreten?

Hahn-Woernle: Damals lebte ich in meiner Traumstadt mit meiner Traumfrau und übte meinen Traumjob als Berater aus. Als ich mit meinem Vater an Weihnachten 2006 zum ersten Mal über die Nachfolge sprach, konnte ich mir eine Rückkehr nach Deutschland nicht so gut vorstellen. Ich nahm mir ein Jahr Zeit, um mir genau zu überlegen, wie mein Berufsleben langfristig aussieht.

Was stimmte Sie um?

Mir wurde klar, dass ich eigentlich schon immer den Wunsch hatte, Dinge zu bewegen, zu gestalten und zu entscheiden, ganz unabhängig vom Familienunternehmen. Als Berater war mir das nicht möglich. Bekommt man dann die Möglichkeit, eine Führungsverantwortung im Mittelstand zu übernehmen, ist das eine große Chance.

Hat sich Ihr Vater ab 2013 komplett vom Unternehmen gelöst?
Mein Vater ist ein starker Pragmatiker. Trifft er eine so wichtige Entscheidung, war für mich klar, dass er sich aus dem operativen Geschäft verabschiedet. Er hat damals die Verantwortung komplett in meine Hände und die des Führungsteams gelegt.

Übt er noch eine beratende Funktion aus?

Wir sprechen über das Unternehmen, weil mir seine Meinung sehr wichtig ist. Zudem sitzt er mit zwei weiteren Unternehmern im Beirat.

Intralogistik-System von Viastore: Automatisierte Abläufe sollen die Lagerung effizienter machen.

Können Sie nachvollziehen, dass viele Unternehmerkinder die Nachfolge nicht mehr antreten wollen?

Ein Unternehmen zu lenken ist eine große Herausforderung. Die Verantwortung für die Mitarbeiter, die Kunden, das Image und die Marke möchte nicht jeder tragen.

Bei Ihnen war die Übergabe lange geplant. Andere Firmen sind sehr viel später dran. Warum?

Das Thema der Übergabe ist höchst emotional und persönlich. Ich glaube, dass es oft an Eitelkeiten scheitert. Bei meinem Vater und mir stand nie das Persönliche im Vordergrund, sondern immer das Unternehmen. Er ist voller Pragmatismus und braucht weder Bestätigung noch Schulterklopfen. Er sagte: „Philipp, du bekommst das hin, und ich werde alles dafür tun, dass das klappt.“ Ich bin nicht mit der Maßgabe angetreten, alles anders machen zu müssen.

 

Philipp Hahn-Woernle hatte einen tollen Job in seiner Traumstadt in den USA. Warum er dennoch in die schwäbische Heimat nach Stuttgart ins Familienunternehmen zurückkehrte und wohin die Reise von Viastore geht.

Hat Ihr Vater niemals daran gedacht, sich jemanden von außen als Nachfolger zu holen?

Ohne eine familieninterne Lösung hätte mein Vater das Unternehmen wahrscheinlich verkauft. Es war zu diesem Zeitpunkt keines, das man so leicht in die Hände eines Fremdmanagements geben kann.

Im Jahr 2009 sind Sie ins Unternehmen zurückgekommen. In welcher Funktion?

Eine wichtige Aufgabe war, einen Strategiefindungsprozess zu entwickeln: Was ist die langfristige Vision des Unternehmens, was leiten sich für strategische Ziele ab, welche Handlungsfelder ergeben sich daraus und welche Maßnahmen müssen umgesetzt werden? Das vorzubereiten und zu moderieren kam mir als Berater sehr gelegen.


“Ohne eine familieninterne Lösung hätte mein Vater das Unternehmen wahrscheinlich verkauft.”

Philipp Hahn-Woernle, Geschäftsführender Gesellschafter der Viastore Systems GmbH


Wie stark haben Sie in das operative Geschäft eingegriffen?

Wir gründeten etwa unser Softwareunternehmen aus dem Anlagengeschäft aus. Damit eröffneten wir einen komplett neuen Markt. Wir haben etwas Etabliertes genommen, es auf eine andere Ebene gehoben und am Markt als eigenständiges Unternehmen positioniert. Jetzt verkaufen wir die Software auch ohne eine Anlage. Hier wachsen wir stark, auch wenn das Volumen im Vergleich zum Anlagenbau noch relativ klein ist.

Ihr Unternehmen wächst stark. Seit Ihrem Amtsantritt hat sich der Umsatz verdoppelt. Ändert sich dadurch auch die Führungsstruktur?

Ein wichtiges Thema war, einen kulturellen Wandel im Unternehmen anzustoßen, weg von einem unternehmerfokussiert geführten, hin zu einem teamorientierten. Für uns ist das notwendig, weil wir weiter wachsen wollen, und dann darf nicht alles an einer Person hängen. Dieser Wandel war sehr intensiv, da wir auch im Führungsteam Veränderungen vornehmen mussten. Mit absolutem Vertrauen stand mein Vater hinter diesen Aktivitäten.

Dann befindet sich das Unternehmen, seit Sie angefangen haben, doch in einem starken Umbruch.

Das mag stimmen, es basiert allerdings auf einer Ausrichtung, die gemeinsam erarbeitet und von verschiedenen Schultern getragen wird. Mein Vater weiß genau, warum Dinge so laufen, wie wir sie angegangen sind. Alles, was bislang im Unternehmen passiert ist, hatte Hand und Fuß. Allerdings müssen wir in die Zukunft denken und uns überlegen, wie unser Geschäft in 10 bis 15 Jahren aussieht.

Philipp Hahn-Woernle hatte einen tollen Job in seiner Traumstadt in den USA. Warum er dennoch in die schwäbische Heimat nach Stuttgart ins Familienunternehmen zurückkehrte und wohin die Reise von Viastore geht.

Grundsätzlich haben Menschen Angst vor Neuem und Veränderungen. Wie haben Sie die Mitarbeiter auf dem Weg mitgenommen?

Wir arbeiten sehr kommunikativ. Bis auf die Kommazahl können sich die Mitarbeiter über das Ergebnis des Unternehmens informieren. Sie wissen im Detail über die Strategie und geplante Maßnahmen Bescheid. Persönlich bringe ich mich sehr stark ein. Zweimal im Monat treffe ich mich mit einzelnen Abteilungen für eine Stunde. Dann können mir die Mitarbeiter Löcher in den Bauch fragen. Davon gibt es kein Protokoll. Es geht hier um einen offenen Dialog auf Augenhöhe. Dennoch gibt es immer den einen oder anderen, der sich nicht genügend informiert fühlt.

Ein Hochregallager: Die Stahlkonstruktionen können bis zu 45 Meter hoch sein.

Sicherlich spielt Ihnen auch die konjunkturelle Lage in die Hände. Gerade die Logistikbranche ist doch stark abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung.

In der Tat hilft uns die starke konjunkturelle Phase unheimlich. Als ich 2009 ins Unternehmen eintrat, war eines der Themen die Kurzarbeit. Um von den Rahmengegebenheiten unabhängiger zu sein, haben wir uns noch internationaler ausgerichtet. Zudem stehen wir jetzt mit der Software auf zwei Standbeinen, um künftig noch stabiler zu sein. Gleichzeitig ist die Verzahnung mit dem Anlagenbau eine unserer Stärken.

Welche Auswirkungen hätte es auf Ihr Geschäft, wenn sich die Wirtschaft abkühlt?

(lacht) Dann müssten wir am Wochenende weniger arbeiten und hätten mehr Zeit, über Dinge nachzudenken, die aktuell auf der Strecke bleiben. Doch natürlich wünsche ich mir keine Wirtschaftskrise herbei.

Die Automatisierung schreitet voran. Viele Arbeitsplätze in der Fabrik werden durch Maschinen ersetzt. Was bringt die Zukunft?

Die technologische Entwicklung ist sicherlich nicht aufzuhalten. Doch es kommen auch einige Produktionsunternehmen wieder nach Deutschland zurück. Künftig werden weniger Menschen mehr Maschinen bedienen, komplett ersetzbar sind sie nicht. Allerdings steigen die Anforderungen und der Output pro Mitarbeiter.

Philipp Hahn-Woernle hatte einen tollen Job in seiner Traumstadt in den USA. Warum er dennoch in die schwäbische Heimat nach Stuttgart ins Familienunternehmen zurückkehrte und wohin die Reise von Viastore geht.

Wie stark wollen Sie denn wachsen?

Auf jeden Fall soll das Wachstum über dem Marktdurchschnitt liegen. Zudem wollen wir uns noch stärker als Softwareunternehmen etablieren. Als ein Unternehmen, das ursprünglich aus dem Anlagenbau kommt, haben wir noch viel zu tun. Künftig wird es wichtig sein, vor allem für diesen Bereich passende Mitarbeiter zu finden, auch international.

Da sitzen Sie in einer Stadt wie Stuttgart ja gar nicht so schlecht …

… allerdings muss man sich hier gegen Porsche, Bosch und Daimler behaupten. Für den Mittelstand ist das eine Herausforderung. Ich kann leider nicht jedem einen 911er vor die Haustüre stellen.


Zur Person

Nach seinem MBA am Babson College in Boston arbeitete Philipp Hahn-Woernle mehrere Jahre für eine dort ansässige Unternehmensberatung. 2009 kehrte er in das Familienunternehmen zur viastore Group zurück. Nach einer mehrjährigen Anbahnungsphase und verschiedenen strategischen Projekten, die er verantwortete, übernahm er im Jahr 2013 die Unternehmensleitung. Die viastore Group ist ein Anbieter von Intralogistiksystemen und Intralogistik-Software. Das Stuttgarter Familienunternehmen beschäftigt etwas mehr als 530 Mitarbeiter. Der Umsatz beläuft sich auf 130 Mio. Euro. Seit dem Amtsantritt von Hahn-Woernle hat sich dieser verdoppelt.

www.viastore.com

 

 

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