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„Wir sind zurück auf dem amerikanischen Kontinent“

Die Fusion von Linde und Praxair betrifft auch ein deutsches Familienunternehmen. Die Messer Group profitiert von kartellrechtlichen Auflagen. Im Interview erklärt Geschäftsführer Stefan Messer, warum es dieses Mal klappen soll mit dem Status eines Global Players.

Unternehmeredition: Herr Messer, wie haben Sie sowohl die Linde AG als auch die amerikanischen Behörden davon überzeugen können, dass Sie der richtige Abnehmer für die Standorte in den USA sind?

Stefan Messer: Wir sind der einzige strategische Investor, der das amerikanische Geschäft übernehmen kann. Kartellbehörden bevorzugen keinen Private Equity-Investor, weil sie damit das Problem nur um ein paar Jahre nach vorne verschieben, bis der wieder aussteigt. Die anderen Wettbewerber dürfen das Geschäft nicht erwerben, weil sie bereits über genügend Marktmacht verfügen. Deshalb war es insofern relativ einfach, zumindest die Behörden zu überzeugen. Die formelle Zustimmung steht zwar noch aus, aber wir erwarten eigentlich, dass es da keine größeren Probleme geben wird.

Wie liefen denn die Verhandlungen mit Linde, schließlich wurden die Fusionspläne auch von großen Protesten seitens der Belegschaft begleitet?

Zu den Verhandlungen kann ich Ihnen nicht zu viel sagen, weil wir natürlich Vertraulichkeit vereinbart haben. Wir hatten auch mehr mit den Investmentbanken zu tun. Das war ein normaler Auktionsprozess, erst am Ende hatten wir mehr Kontakt mit Linde. Aber es stimmt, die Mitarbeitervertreter im Aufsichtsrat sind mehrheitlich gegen den Merger von Linde und Praxair, weil sie fürchten, ihre paritätische Mitbestimmung zu verlieren, wenn der Stammsitz nicht mehr in Deutschland ist.

Wie schätzen Sie den US-Markt ein, auf dem Sie jetzt vertreten sind?

Unser Geschäft ist regional geprägt. Es gibt natürlich große Wettbewerber in den USA, und der Markt ist umkämpft. Aber es investiert keiner in einer Region, in der es schon eine große Anlage gibt, weil man dann den Wettbewerber erst total ausschalten müsste. Und das ist sehr schwierig, wenn man Tausende kleine Kunden bedient. Wir erwerben ein interessantes Geschäft im Flüssiggas-Segment mit mehreren Luftzerlegungsanlagen. Dieses Geschäft können wir gut weiterentwickeln, da sehe ich keine großen Probleme.

Sie erwerben viele kleine Standorte. Das war auch der Grund, warum Sie verglichen mit Taiyo Nippon Sanso – die das Geschäft von Praxair in Europa übernehmen – einen geringeren Preis zahlen mussten. Wie wollen Sie künftig Synergieeffekte für die Messer Group schaffen?

Es wird keine geben, weil wir in den USA und in den anderen Ländern, die zum Paket gehören, keine Geschäfte haben. Auch Taiyo Nippon Sanso wird keine Synergieeffekte erzielen, weil sie bisher keinen Standort in Europa betreiben. Dort hätten wir Synergieeffekte gehabt, wenn es uns gelungen wäre, das Geschäft zu übernehmen. Aber Taiyo Nippon Sanso hat einen sehr hohen Preis geboten, da konnten wir nicht mithalten.

Die Fusion von Linde und Praxair betrifft auch ein deutsches Familienunternehmen. Die Messer Group profitiert von kartellrechtlichen Auflagen. Im Interview erklärt Geschäftsführer Stefan Messer, warum es dieses Mal klappen soll mit dem Status eines Global Players..

Sie haben zusammen mit dem Finanzinvestor CVC für das Paket 2,8 Mrd. Euro bezahlt für ein Unternehmen mit einem Umsatz von etwa 1,4 Mrd. Euro und einem operativen Gewinn
(Ebitda) von 305 Mio. Euro. Sind Sie mit dem Kaufpreis zufrieden?

Da sind wir insgesamt zufrieden, ansonsten hätten wir den Vertrag nicht geschlossen. Der Kaufpreis wird zum Zeitpunkt des Closing natürlich noch den üblichen Anpassungen unterliegen. Zu den genauen Vertragsinhalten kann ich Ihnen allerdings keine Auskunft geben.

Waren Sie sich über den Preis und die Verträge schnell einig oder sind die das Ergebnis harter Verhandlungen?

Es gab ja auch andere Anbieter. Aber gerade wegen der Frist für das Closing für die Fusion von Linde und Praxair am 24. Oktober ging es nicht nur um den Kaufpreis, sondern auch um die Schnelligkeit der Abwicklung der Transaktion. Außerdem mussten Linde und Praxair sich sicher sein, dass die FTC (Federal Trade Commission / US-amerikanische Kartellbehörde; Anmerkung der Redaktion) ihre Zustimmung gibt. Ich weiß nicht, ob andere Interessenten mehr geboten haben, aber unser Vorteil war auch, dass wir als strategischer Investor mit diesem Geschäft langfristig planen.

Aber auch bei Ihnen ist mit CVC ein Finanzinvestor im Boot. Wie haben Sie sich die Finanzierung aufgeteilt?

Wir bringen als Eigenkapitalanteil in dieses Joint Venture unser Westeuropa-Geschäft als Asset ein, dazu kommt Fremdkapital von den Banken und Eigenkapital von CVC. Insgesamt sind wir an dem neuen Gemeinschaftsunternehmen Messer Industries mit etwas mehr als 50 Prozent beteiligt. Die Stimmrechte sind allerdings paritätisch verteilt.

Bei CVC ist Alexander Dibelius für das neue Gemeinschaftsunternehmen Messer Industries verantwortlich. War Ihre persönliche Bekanntschaft ein Grund, warum Sie sich für CVC als Partner entschieden haben?

Herrn Dibelius kenne ich sehr gut aus seiner Zeit bei Goldman Sachs, die in den 90er-Jahren vier Jahre an unserem Unternehmen beteiligt waren. Diesen Kontakt haben wir in den vergangenen Jahren weiter gepflegt. Aufgrund dieser gewachsenen Vertrauensbasis wollten wir jetzt auch die Transaktion mit CVC machen.

Zwei Drittel des Kaufpreises werden fremdfinanziert. Auf welche Instrumente setzen Sie dabei?

Wir haben einen Konsortialkredit mit unseren Kernbanken geschlossen.

Die Fusion von Linde und Praxair betrifft auch ein deutsches Familienunternehmen. Die Messer Group profitiert von kartellrechtlichen Auflagen. Im Interview erklärt Geschäftsführer Stefan Messer, warum es dieses Mal klappen soll mit dem Status eines Global Players.

In drei, vier Jahren ist der Exit von CVC geplant und Sie wollen alle Anteile übernehmen. Haben Sie dafür schon entsprechende Klauseln vereinbart?

Dazu kann ich Ihnen nicht viel sagen, weil wir Vertraulichkeit vereinbart haben.

Ihr eigener Umsatz liegt mit 1,2 Mrd. Euro etwas unter dem des neuen Geschäfts. Welchen Hebel betätigen Sie denn mit diesem Zukauf?

Unser Geschäft wird sich ungefähr verdoppeln. Strategisch ist für uns wichtig, dass wir zurück sind auf dem amerikanischen Kontinent. Dieses Geschäft mussten wir 2004 abgeben, als das Unternehmen wieder von uns als Inhaberfamilie komplett zurückgekauft wurde.

Neue Produktionsanlage in Vietnam: Die ASEAN-Region ist ein Zukunftsmarkt für die Expansion

Auch in der sogenannten ASEAN-Region werden Sie aktiver mit neuen Gesellschaften und Joint Ventures. Gibt es einen Masterplan für die Internationalisierung?

Ja, es gibt einen Plan für weitere Investitionen. Wir arbeiten an mehreren Projekten, um diese Region sehr stark weiterzuentwickeln. In Vietnam sind wir schon seit einigen Jahren präsent und dort mittlerweile Marktführer. Jetzt wollen wir auch in Thailand, Indonesien, Malaysia und weiteren Ländern wieder Fuß fassen. Der Vorteil dort ist, dass es noch ein hohes Wachstumspotenzial gibt.

Gerade die Schwellenländer bergen aber auch Risiken, weil die wirtschaftliche Entwicklung mal stoppen kann. Wie gehen Sie als Geschäftsführer mit solchen Unsicherheiten um?

Am besten sucht man sich Länder, wo es Wachstum gibt und die bevölkerungsreich sind. Wir verkaufen unsere Gase zum Beispiel an Getränke- beziehungsweise Food-Hersteller. Auch andere Branchen wie die Schwerindustrie sind in diesen Ländern vertreten. Sowohl in China als auch in Vietnam haben wir unsere größten Luftzerlegungsanlagen auf dem Gelände von Stahlwerken platziert. Die überschüssigen verflüssigten Mengen verkaufen wir dann an andere Abnehmer – an Lebensmittelhersteller, Krankenhäuser, chemische Betriebe. Wir partizipieren am Wachstum, das von der Stahlindustrie ausgeht.

Vorhin haben Sie bereits die 90er-Jahre angesprochen, als das Unternehmen unter Herbert Rudolf schon mal zu einem Global Player werden wollte und daran fast zugrunde ging. Heute gehen Sie mit dem Zukauf auch ein hohes Risiko ein. Was ist der Unterschied zu damals?

Herr Rudolf wollte Messer innerhalb ganz kurzer Zeit mit aller Gewalt zu einem Global Player machen. Er hat Unternehmen zu weit überhöhten Preisen übernommen, Anlagen ohne rechtliche Verträge gebaut, teilweise auf Grundstücken, die uns gar nicht gehört haben. Das war dilettantisch und führte in eine Katastrophe. Heute machen wir das alles anders, schließen Verträge und agieren umsichtig. Außerdem erwerben wir jetzt ein etabliertes Geschäft mit einem bestehenden Umsatz und langfristigen Kundenverträgen.

Die Fusion von Linde und Praxair betrifft auch ein deutsches Familienunternehmen. Die Messer Group profitiert von kartellrechtlichen Auflagen. Im Interview erklärt Geschäftsführer Stefan Messer, warum es dieses Mal klappen soll mit dem Status eines Global Players.

Auffällig ist Ihre überdurchschnittlich gute Bilanz. Ihre Verschuldungsquote ist mit 22 Prozent gering, das Eigenkapital mit rund 60 Prozent sehr hoch. Sind diese Kennziffern auch eine Lektion aus der damaligen Zeit, nicht wieder unseriös zu wirtschaften?

Der wichtigste Grund ist, dass wir gute Geschäfte machen. Gerade in China konnten wir hohe Cashflows erzielen und Projekte an Land ziehen. Dabei denken wir auch an die negativen Erfahrungen und gehen sehr vorsichtig vor, prüfen lieber drei Mal, bevor wir irgendwo einsteigen. Es gibt genügend Projekte in Asien, da muss man sich die besten aussuchen. Das zahlt sich in der Bilanz aus.

Wie wird sich die aktuell gute Bilanz durch diese historische Transaktion verändern?

Das US-Geschäft ist in einer separaten Gesellschaft und wird daher nicht voll konsolidiert. In der neuen Beteiligungsgesellschaft Messer Industries müssen wir in den nächsten Jahren die Schulden abbauen, indem wir das Ergebnis erhöhen und die Kosten senken. In vier, fünf Jahren wollen wir das Geschäft dann in die Messer Group integrieren. Die Hoffnung ist, dass wir das dann mit einer verträglichen Verschuldung gut verkraften können.

Bereits Ihr Vater hatte in den 50er-Jahren den Weg hin zum Weltunternehmen beschritten. Ist es Ihr Anspruch, diese Vision zu vollenden?

Wir waren auch schon mit unseren Aktivitäten in Europa und Asien zufrieden. Jetzt gab es aber die einmalige Chance, relativ günstig an so eine große Übernahme zu kommen. Die kommt nicht wieder, dafür ist der Markt zu stark konsolidiert. Jetzt können wir stolz sein, dass wir als einziges großes Familienunternehmen auf diesem Markt auf drei Kontinenten aktiv sind.


Zur Person

Stefan Messer stieg bereits 1979 in das Unternehmen aus dem hessischen Bad Soden ein und ist seit 2004 in dritter Generation Geschäftsführender Gesellschafter der Messer Group. Er bildet zusammen mit Hans-Gerd Wienands und drei Executive Vice Presidents die Geschäftsleitung. In der neuen Tochter MG Industries wird er Mitglied des Aufsichtsrates sein.

Zum Unternehmen

Die heutige Messer Group GmbH ging 2004 aus der Messer Griesheim GmbH hervor und ist seitdem wieder zu 100 Prozent im Besitz der Familie Messer. Zwischenzeitlich gehörte das Unternehmen für mehrere Jahrzehnte mehrheitlich zur Hoechst AG, die ihre Anteile 2001 an Finanzinvestoren veräußerte. Im Geschäftsjahr 2017 erzielte der Konzern einen Umsatz von über 1,2 Mrd. Euro und ein Betriebsergebnis (EBIT) von 140 Mio. Euro. Etwa 5.700 Mitarbeiter arbeiten derzeit für die Gruppe.
www.messergroup.com

 

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