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„Insolvenz immer noch mit einem Makel behaftet“

Im Jahr 2012 beendete Solarwatt das Schutzschirmverfahren und zog sich aus dem Massenmarkt mit Solarmodulen zurück. Seitdem geht es für das Dresdner Solarunternehmen wieder aufwärts. Damit sich Haushalte selbst mit Strom versorgen können, setzt CEO Detlef Neuhaus auf spezielle Module, Speicherlösungen und Energiemanagementsysteme. 

Unternehmeredition: Herr Neuhaus, vor Kurzem meldete Solarworld, der einst größte Solarkonzern Deutschlands, Insolvenz an. Einer unter vielen, der in den vergangenen Jahren den Weg zum Gericht antreten musste. Ist die deutsche Solarindustrie noch zu retten?

Neuhaus: Ja, und ist sie wieder vorsichtig optimistisch. Die Zukunft besteht allerdings nicht aus Massenprodukten, die sich nicht von denen aus Ländern wie China unterscheiden. Davon haben wir uns vor Jahren verabschiedet.

Warum schlitterte eine gesamte Branche in die Krise?

Der Niedergang hatte viele Väter. Neben politischen Fehlern wie einer falschen Förderpolitik setzte letztlich auch die Industrie viel zu spät auf Differenzierung und Strategien zur Abgrenzung von Massenware.

War das nicht abzusehen? Schließlich gab es früher schon ähnliche Entwicklungen, etwa in der Halbleiterindustrie.

Nachher ist man immer schlauer. Wir haben uns 2012 komplett aus dem Massenmodulmarkt zurückgezogen, weil dieser schon damals an die Asiaten verloren gegangen ist. Wir haben uns darauf konzentriert, uns über Innovationen und Systeme, weg von der Großfläche, am Markt zu behaupten. Und zwar förderunabhängig. Das heißt nicht, dass die Technologie nicht gefördert werden soll. Allerdings nicht nach dem Gießkannenprinzip.

Auch Sie hatten große Probleme und schlüpften als eines der ersten Unternehmen überhaupt 2012 unter den Schutzschirm des ESUG.

Bei uns war die Krise die Initialzündung. Stecken Sie in der Insolvenz, dann wissen Sie, wie es nicht weitergeht. Wir haben diese genutzt, um konsequent alles umzustellen. Wegen drohender Überschuldung sind wir damals in die Insolvenz gerutscht.

Was war das für ein Gefühl?

In Deutschland ist eine Insolvenz immer noch mit einem Makel behaftet. In den USA ist es auch ein Managementtool, um Restrukturierungen voranzutreiben. Der Vorteil des Verfahrens lag darin, dass wir das Unternehmen weiterführen und selbst umstrukturieren konnten. Allerdings unter harten Auflagen. Wir hatten den Willen, uns neu auszurichten, und mit Stefan Quandt einen Investor, der hinter unserer Strategie stand und mit uns den Weg in die Zukunft gehen wollte.

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Im Jahr 2012 beendete Solarwatt das Schutzschirmverfahren und zog sich aus dem Massenmarkt mit Solarmodulen zurück. Seitdem geht es für das Dresdner Solarunternehmen wieder aufwärts. Damit sich Haushalte selbst mit Strom versorgen können, setzt CEO Detlef Neuhaus auf spezielle Module, Speicherlösungen und Energiemanagementsysteme. 

Zu den besten Zeiten erwirtschafteten Sie einen Umsatz von 320 Mio. Euro. Dieser fiel dann in der dunkelsten Stunde auf 36 Mio. Wie wirkte sich das auf die Struktur des Unternehmens aus?

Es war notwendig, ein großes Stück vom Umsatz abzuschneiden. Alles, was förderabhängig war und uns behindert hat, haben wir rigoros gestrichen, um in der Energiewelt von heute Erfolg zu haben. Diese ist von Systemen geprägt, die durch die Selbstversorgung mit Solarstrom für den Endkunden wirtschaftlich und unabhängig von der Einspeisevergütung ist. Wir haben uns vom Solargroßhandel verabschiedet, der keinerlei Differenzierungsmerkmale hatte. Bei einer Insolvenz gibt es immer auch Verunsicherung bei den Endkunden und den Installateuren. Das führte dazu, dass der Umsatz einbrach.

Solarcarport: Die Module kommen von Solarwatt.

Was hat sich seitdem verändert?

Nachdem wir das Verfahren nach drei Monaten beendet hatten, stellten wir unser Portfolio komplett um. Wir produzieren seitdem Glas-Glas-Module, die sich von der Konkurrenz aus Asien durch einen höheren Wirkungsgrad und eine höhere Lebensdauer unterscheiden. Wir haben ein Energiemanagementsystem entwickelt und massiv in die Stromspeichertechnologie investiert. Wir haben zudem kluge Köpfe geholt, die diese Themen vorangetrieben haben.

Das war sicherlich sehr teuer und schmerzte, vor allem, wenn man sich eben erst aus der Insolvenz verabschiedet hat. Ihr Eigentümer, der BMW-Erbe Stefan Quandt, dürfte damals keine unbedeutende Rolle gespielt haben.

Zum damaligen Zeitpunkt waren wir ein Start-up mit Vergangenheit. Wir hatten alles auf Anfang gesetzt. Wir wussten, dass die Zukunft dezentral und regenerativ ist und wir einen riesigen Markt vor uns haben, wenn wir ihn richtig bespielen. Das Risiko war hoch, und deswegen ist es wichtig, einen Investor mit einem langen Atem an Bord zu haben.

Rein renditegetrieben war seine Entscheidung sicherlich nicht.

Denkt man in Dekaden und nicht in Quartalen, gibt es nicht so viele Branchen, in die man derzeit investieren kann. Wer in erneuerbare Energien investiert, möchte die Energiewende auch ein Stück weit mitgestalten. Doch sicherlich muss auch das Vertrauen ins Unternehmen da sein. Wir haben eine klare Strategie vorgelegt. Die Erfolgsfaktoren heißen: langer Atem, genügend Kapital für Investitionen in Innovation, die richtige Technologie und die richtige Marke. Das schnelle Geld interessiert ihn nicht.

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Im Jahr 2012 beendete Solarwatt das Schutzschirmverfahren und zog sich aus dem Massenmarkt mit Solarmodulen zurück. Seitdem geht es für das Dresdner Solarunternehmen wieder aufwärts. Damit sich Haushalte selbst mit Strom versorgen können, setzt CEO Detlef Neuhaus auf spezielle Module, Speicherlösungen und Energiemanagementsysteme. 

Nach der Insolvenz ist es ja auch nicht sofort bergauf gegangen.

Nein, zwei Jahre lang hatten wir eine sehr schwere Zeit. Die Strukturen waren nicht mehr wie einst, Kunden mussten zurückgewonnen und das Vertrauen bei den Zulieferern wieder hergestellt werden. Wir haben nach und nach die Mitarbeiterzahl erhöht. Seit dem Jahr 2014 wachsen wir wieder jedes Jahr zwischen 20 und 30 Prozent. Sowohl beim Umsatz, bei den Mitarbeitern als auch beim Deckungsbeitrag.

Mit welchem Umsatz rechnen Sie für das Jahr 2017?

Läuft es richtig gut, kommen wir auf 100 Mio. Euro. Läuft es normal, kommen wir auf 80 bis 85 Mio. Der Preisverfall bei den Modulen war 2016 weiter sehr groß. Bis wir aus dem Cashflow die Investitionen komplett finanzieren können, dauert es allerdings noch etwas. 2020 wollen wir vor Zinsen und Steuern eine schwarze Null schreiben.

Sie sind auf den Endkunden, also den klassischen Häuslebauer, ausgerichtet. Warum?

Weil wir letztlich kein Energieversorger sind, der die ganze Republik über ein Netz mit Strom beliefert. Wir glauben, dass die Energiewelt so komplex wird, dass es kein Unternehmen schaffen wird, ohne Partner zu überleben. Wir sorgen dafür, dass wir dem Endkunden zum einen die notwendigen Systeme zur Verfügung stellen, um selbst grünen Solarstrom zu erzeugen und zu verwenden. Darüber hinaus werden wir uns künftig darum kümmern, dass wir dem Kunden die Frage seiner Stromversorgung abnehmen.

Befürchten Sie nicht, dass es ähnlich wie bei den Modulen auch bei den Batterien zu einem Preisverfall kommt?

Die Preise sinken, allerdings gibt es keinen Verfall. Kompensieren kann man das durch Wertschöpfungstiefe. Fehlt diese und kauft man sämtliche Einzelteile dazu, wird man dem Preisdruck künftig nicht standhalten können. Zudem verringern sich die Innovationszyklen. Von Vorteil ist es deswegen, hochqualifiziertes Personal im Haus zu haben. Das erhöht die Flexibilität.

Wie wichtig ist für Sie das Thema E-Mobility?

Wichtig. Seit Jahren sind wir etwa Partner von BMW. Zusammen arbeiten wir daran, die Energie in den Häusern zu integrieren und nachhaltig Energieströme zu erzeugen.


Zur Person:

Im September 2010 wurde Detlef Neuhaus in den Vorstand des Dresdner Solarunternehmens Solarwatt berufen. Während des Schutzschirmverfahrens blieb er an Bord und leitete als Vorstandschef die neue Strategie ein. Seit 2014 klettern Umsatz und Mitarbeiterzahl wieder zweistellig. Mittlerweile hat das Unternehmen wieder 300 Angestellte. Eigentümer mit einem Anteil von mehr als 95 Prozent ist BMW-Erbe Stefan Quandt.

www.solarwatt.de

 

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