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„Unternehmen sind nicht mehr auf Billigstandorte angewiesen“

Mit Sensoren ist die badische Sick AG weltweit erfolgreich. Vorstandschef Dr. Robert Bauer im Gespräch über die Internationalisierung des Unternehmens, die Zukunft der Industrie 4.0 und darüber, warum das Unternehmen bislang keine Wachstumsgrenzen kennt.

Unternehmeredition: Die Messe Freiburg bekommt demnächst einen neuen Namen: Sick-Arena. Wie nahe liegen Heimat und Internationalisierung des Familienunternehmens beisammen?

Bauer: Unsere Wurzeln haben wir in der Region und sind mit dieser stark verbunden. Deswegen freuen wir uns, dass unser Name künftig auf der Freiburger Arena steht. Gleichzeitig haben wir bereits 1972 mit einem Standort in Frankreich mit der Internationalisierung begonnen und sind mittlerweile als globales Unternehmen in der Welt zu Hause.

Können sich die Mitarbeiter bei Ihnen den Standort aussuchen, an dem sie arbeiten wollen?

Langfristig arbeiten an unseren internationalen Standorten inländische Mitarbeiter. Sie verstehen die Kultur besser als wir, sind aber mit uns eng vernetzt. Der Austausch erfolgt temporär, indem Mitarbeiter aus Waldkirch zu den Tochtergesellschaften reisen und von dort Angestellte in den Schwarzwald kommen.

Sick-Zentrale im badischen Waldkirch: Weltweit ist das Unternehmen mit Sensoren erfolgreich.

Mittlerweile haben Sie 50 Tochtergesellschaften in 40 Ländern. Produktionsstätten haben Sie deutlich weniger.

Richtig. Wir produzieren in Deutschland, Ungarn, in Malaysia und in den USA. In jeder Zeitzone haben wir einen Standort, von dem aus wir die Regionen beliefern.

Sehr optimistisch waren Sie immer für die Entwicklung Ihres Unternehmens in Übersee. Sind Sie das nach den US-Präsidentschaftswahlen immer noch?

Barack Obama hat in den letzten acht Jahren schon sehr große Anstrengungen unternommen, die USA zu reindustrialisieren. Damit war er sehr erfolgreich. Das ist keine Erfindung von Donald Trump. Wir gehen davon aus, dass er diese Strategie weiterführt und nicht disruptiv einschreitet.

Wie stehen Sie zu TTIP?

Freihandelszonen wie TTIP haben den Vorteil, dass sie verlässlich sind. Gibt es diese Verträge nicht, muss man darauf hoffen, dass es keine Brüche gibt, wie etwa hohe Zollschranken. Das würde den Welthandel behindern. Wir würden dann sicherlich unsere Produktion in Minneapolis noch stärker nutzen.

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Mit Sensoren ist die badische Sick AG weltweit erfolgreich. Vorstandschef Dr. Robert Bauer im Gespräch über die Internationalisierung des Unternehmens, die Zukunft der Industrie 4.0 und darüber, warum das Unternehmen bislang keine Wachstumsgrenzen kennt.

Die Sick AG ist Weltmarktführer für intelligente Sensoren. Ihre Produkte bewachen die Mona Lisa, sortieren Gepäckstücke an Flughäfen und Bahnhöfen und koordinieren Produktionsabläufe. Mehr als 40.000 Produktvarianten haben Sie im Angebot. Dennoch sind Sie kaum bekannt.

Wir fokussieren uns ausschließlich auf die Investitionsgüterindustrie. Hier sind wir sehr wohl bekannt und haben einen starken Markennamen. Die Sensorik an sich sieht man allerdings nicht und der Name Sick ist lediglich für Techniker erkennbar und auf keinem Produkt angebracht. Allerdings tun wir viel im sogenannten Employer Branding. Wir wollen noch bekannter werden.

Wie schwer fällt es Ihnen, sich mit hochtechnologischen Produkten gegen den Wettbewerb an der Spitze zu halten?

Wir haben sehr viele verschiedene Produkte und sind mit diesen in vielen Nischen unterwegs. Deswegen haben wir nicht den einen großen Wettbewerber, sondern jede Produktgruppe hat ihren eigenen, aggressiven Konkurrenten. Insgesamt sind das also sehr viele.

Wie kommen Sie gegen diese Masse an?

Vor allem, indem wir einen hohen Aufwand in Innovationen stecken. Im vergangenen Jahr waren das 129 Mio. Euro. Das entsprach mehr als zehn Prozent des Umsatzes. Dieser Anteil bleibt auch immer nahezu gleich. Klettert der Umsatz, nehmen die Ausgaben in Forschung und Entwicklung in gleichem Maße zu. Dieser Aufwand ist notwendig, um an der Spitze zu bleiben und jeden Technologiewechsel mitzugehen, etwa von der Mechanik in Richtung Software.

Schon sehr früh haben Sie sich mit der Industrie 4.0 beschäftigt. Warum?

Weil Sensoren technische Daten produzieren und diese die Grundlage für die Industrie 4.0 sind.

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Mit Sensoren ist die badische Sick AG weltweit erfolgreich. Vorstandschef Dr. Robert Bauer im Gespräch über die Internationalisierung des Unternehmens, die Zukunft der Industrie 4.0 und darüber, warum das Unternehmen bislang keine Wachstumsgrenzen kennt.

Auf was müssen sich Unternehmen vorbereiten?

Letztlich wird sich ein Wechsel von der Hardware und Software hin zu datengestützten Prozessen vollziehen. Diese bekommen eine eigenständige Funktion. Unternehmen sollten das für sich nutzen.

Lichtvorhänge: Sie sichern Gefahrenbereiche.

Viele von ihnen können mit den verfügbaren Daten aber nicht umgehen. Weder wissen sie, welche vorhanden sind, noch, was sie mit diesen anfangen sollen.

Genau das ist der Kern der neuen Entwicklung: Daten zu erfassen und diese mit neuen Algorithmen auszuwerten. Die Vollautomatisierung ist nicht der Mittelpunkt der Industrie 4.0. Das war die Industrie 3.0. Nun geht es um die intelligente Verarbeitung von vorhandenen oder neu erzeugten Daten. Sie wird die präzise Mechanik von heute ersetzen. Nehmen Sie den Menschen: Dessen Gelenke sind relativ grob. Doch die Augen steuern sie exakt. Ähnlich wird es in der Produktion laufen: Die Mechanik kann gröber sein, gesteuert von einer präzisen Datenverarbeitung. Das führt zu Ressourceneinsparungen, weil man weniger hochpräzise Maschinen braucht.

Welche Auswirkungen hat das auf Produktionsstandorte?

Letztlich kann man mit dieser Technologie an jedem Ort hochprofitabel arbeiten. Unternehmen sind nicht mehr auf Billigstandorte angewiesen. Das ist ein Grund, warum Gesellschaften momentan wieder anfangen, die Produktion zurückzuverlagern.

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Mit Sensoren ist die badische Sick AG weltweit erfolgreich. Vorstandschef Dr. Robert Bauer im Gespräch über die Internationalisierung des Unternehmens, die Zukunft der Industrie 4.0 und darüber, warum das Unternehmen bislang keine Wachstumsgrenzen kennt.

Zur Folge hätte dies die Reindustrialisierung in einigen Ländern. Gilt das für sämtliche Industrien oder nehmen Sie welche aus?

Eigentlich nicht. Denn Ziel ist es etwa auch, dass Massenware individualisiert hergestellt wird. Im besten Falle von zu Hause aus über einen 3-D-Drucker. Logistikketten würden wegfallen. Ökologisch wäre das ein großer Fortschritt. Man muss dann kein Ersatzteil mehr nach Australien schicken, sondern nur noch den Plan. Dafür braucht man kein Flugzeug, lediglich einen Internetanschluss.

Heißt das, dass auch die Sick AG Produktionsstandorte zurück nach Deutschland verlagert?

Wir haben schon jetzt relativ wenige Produktionsstandorte. In Zukunft werden wir an dem Ort produzieren, wo Bedarf besteht – das machen wir heute schon. Doch künftig wird die Logistikkette noch kürzer werden.

In den vergangenen zehn Jahren ist Sick kräftig gewachsen. 2007 hatten Sie 4.720 Mitarbeiter. Mittlerweile sind es knapp doppelt so viele. Auch der Umsatz hat sich seitdem auf 1,3 Mrd. Euro verdoppelt. Wie verkraftet ein Familienunternehmen dieses Wachstum?

Tatsächlich ist das Wachstum eine permanente Herausforderung. Durchschnittlich wachsen wir zehn Prozent pro Jahr. Letztlich ist es eine Frage der Kultur, wie offen Mitarbeiter empfangen werden und wie schnell sie integriert werden. Wir bekommen das gut hin, allerdings ist es kein Selbstläufer, es ist anstrengend.

Welche Wachstumspläne haben Sie denn?

Unser Ziel ist es, jährlich um zehn Prozent zu wachsen – beim Umsatz, dem Ergebnis und dem Aufwand, den wir für Forschung und Entwicklung betreiben.

Und wie lange können Sie das durchhalten?

Von der Industrie 4.0 erwarten wir uns noch mal einen Schub. Wir haben noch viele Ideen. Erst wenn wir technologisch an unsere Grenzen stoßen, würde unser Wachstum abflachen. Das ist bislang jedoch nicht absehbar.


Zur Person

Seit 01. Oktober 2006 ist Dr. Robert Bauer Vorsitzender des Vorstands der Sick AG. Zudem ist er für das wichtige Ressort Produkte und Technologie verantwortlich. Der Hersteller von Sensoren beschäftigt mittlerweile 7.400 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2015 einen Umsatz von 1,3 Mrd. Euro. Um sich an der Spitze halten zu können, steckt das Unternehmen jährlich zehn Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Vor allem in die Industrie 4.0 will Sick weiter investieren. Daten sind das Elixier des Unternehmens.

www.sick.de

 

 

 

 

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