Website-Icon Unternehmeredition.de

„Die Pest der Branche ist der Discount“

Der Service-Gedanke war der Pluspunkt für den stationären Einzelhandel. Mit der Typenberatung aus dem Internet könnte auch dieser Vorteil schwinden. Vor allem bei Männern sieht Anna Alex, Chefin von Outfittery, großes Potenzial.

Unternehmeredition: Frau Alex, Ihr Unternehmen stellt Boxen mit Outfits für Männer zusammen und verschickt diese. Damit unterstellen Sie in gewisser Weise, dass die Herren kein Shoppingerlebnis brauchen und sich lieber am Telefon als direkt in den Läden beraten lassen.

Anna Alex: Das kann man so nicht sagen. De facto besteht eine große Nachfrage nach unserem Konzept. Der Einzelhandel schafft sich in gewisser Weise ein Stück selbst ab.

Inwiefern?

Er spart an den falschen Ecken. Zu viel Ware wird in den Geschäften zu günstigen Preisen zu früh im Schlussverkauf angeboten. Das drückt auf die Marge. Um das auszugleichen, wird weniger Geld für den Service ausgegeben. Das führt dazu, dass der Kunde keine kompetente Beratung mehr bekommt. Hier haben wir eine Marktlücke gesehen und Chancen des E-Commerce genutzt.

Ist die Sparwut auch der Grund, warum es so vielen Modeunternehmen in Deutschland momentan schlecht geht?

Die Pest der Branche ist der Discount. Textilien werden immer billiger angeboten, und letztlich kommt der Handel dann in einen Teufelskreis. Deswegen geben wir auch keinen Rabatt. Kunden, die bei einem Hemd fünf Euro sparen wollen, sind bei uns nicht richtig und können gerne woanders einkaufen. Unserer Klientel geht es um guten Service.

Viele klassische Anbieter bieten ihre Ware aber auch Online an…

… und übertragen dabei lediglich das klassische Geschäft eins zu eins ins Internet. Interessenten finden dann 30 Jacken, die annähernd gleich aussehen. Sucht man in einem großen Online-Shop nach einem blauen Hemd, bekommt man 1.800 Ergebnisse. Das macht doch keinen Spaß.

Dass Investoren an ihr Geschäftsmodell glauben, sieht man daran, dass Sie mittlerweile mehr als 50 Mio. Euro eingesammelt haben. Sie scheinen einen Nerv getroffen zu haben.

Wir hatten bislang das Glück, dass wir uns die Investoren aussuchen konnten. Starthilfe bekamen wir durch Holtzbrinck Ventures. Meine Mitgründerin und ich kannten die handelnden Personen schon aus unserer Zeit bei Rocket Internet.

Nächste Seite: Angelsächsischer Spirit

Der Service-Gedanke war der Pluspunkt für den stationären Einzelhandel. Mit der Typenberatung aus dem Internet könnte auch dieser Vorteil schwinden. Vor allem bei Männern sieht Anna Alex, Chefin von Outfittery, großes Potenzial.

Sie und Julia Bösch halten mittlerweile noch rund neun Prozent am Unternehmen. Wie schwer fällt es, wenn man ein Unternehmen mit viel Herzblut gegründet hat, Anteile abzugeben?

Nicht so schwer, schließlich werden die Anteile ja auch mit jeder Finanzierungsrunde mehr wert. Deswegen hält sich der Wehmut in Grenzen.

Angelsächsische Investoren fragen eher danach, wie viele Mio. sie noch investieren dürfen. Deutsche danach, wann sie ihr Geld wieder zurückbekommen. Wie hoch ist der Druck der Investoren auf das Unternehmen?

Die großen Investoren sind bei uns Highland Capital Partners, Northzone und Octopus Ventures. Insofern bringen diese eher den angelsächsischen Spirit mit. Sie verstehen, dass wir Zeit brauchen, um uns zu entwickeln, und wissen, dass es nicht sinnvoll ist, Stress zu machen, wenn man sich momentan in einer Wachstumsphase befindet. Wir sind jetzt fünf Jahre alt und kommen gut voran. Da kommt keiner und sagt: In einem Jahr möchte ich aber mein Geld wiederhaben.

Wie häufig treffen Sie Ihre Investoren?

Fünf Mal im Jahr haben wir Board-Meetings. Die Investoren kommen meist zu uns nach Berlin. Wir berichten dann, wie sich das Geschäft entwickelt hat, präsentieren neue Ideen und bekommen, wenn nötig, Unterstützung aus dem Netzwerk der Investoren. Seit Kurzem haben wir eine Beiratsvorsitzende. Insgesamt sitzen jetzt zehn Leute im Board. Sechs Frauen und vier Männer.

Bekommen Sie mittlerweile von den klassischen Banken auch Kredite oder stehen diese Ihrem Geschäftsmodell noch skeptisch gegenüber?

In den ersten Jahren ist Fremdkapital für Start-ups keine Option. Der Gang zu den Kreditinstituten ist vergebene Liebesmühe. Mittlerweile arbeiten wir allerdings mit einigen zusammen. Der Fremdkapitalanteil ist jedoch noch immer gering.


“Ein IPO wäre sicherlich eine interessante Option.”

Anna Alex, Geschäftsführerin Outfittery GmbH


Wie würden die Banken denn reagieren, wenn Sie mal eine größere Finanzspritze bräuchten?

Das kann ich nicht beantworten. Bisher war diese nicht notwendig. Aber klar fühlen diese sich sicherer, je länger wir uns am Markt behaupten.

Nutzen Sie noch andere Finanzierungsinstrumente?

Bislang noch nicht.

Könnten Sie sich einen Börsengang vorstellen?

Momentan konzentrieren wir uns darauf, unser Geschäftsmodell weiter auszubauen, und haben einen Börsengang nicht auf dem Schirm. Allerdings wäre ein IPO sicherlich eine interessante Option.

Nächste Seite: Expansion im Blick

Der Service-Gedanke war der Pluspunkt für den stationären Einzelhandel. Mit der Typenberatung aus dem Internet könnte auch dieser Vorteil schwinden. Vor allem bei Männern sieht Anna Alex, Chefin von Outfittery, großes Potenzial.

Der Wettbewerb schläft nicht. Mit Modomoto und der Zalando-Tochter Zalon haben Sie einige Mitstreiter. Wie grenzen Sie sich von diesen ab?

Als Hauptkonkurrent sehen wir eher den Offline-Handel. Wachstum soll vor allem von Kunden kommen, die bisher beim klassischen Einzelhändler eingekauft haben. Die beiden Genannten sehen wir eher als Marktbegleiter. Wobei Zalon sehr stark auf Frauen ausgerichtet ist. Bei Modomoto ist der Servicegedanke nicht so ausgeprägt wie bei uns.

Dennoch schauen Marktexperten wohl eher auf die „Marktbegleiter“, wenn es um die Vergleichbarkeit geht. Ist der Markt denn groß genug für alle drei Unternehmen?

Mit Sicherheit. Der Markt ist riesig, deswegen glaube ich auch nicht an eine Konsolidierung. Der Onlinehandel wuchs 2016 um 14 Prozent. Auch in den kommenden Jahren wird dieser Trend anhalten.

Mittlerweile haben Sie 400.000 Kunden und sind in acht Ländern vertreten. Was ist der nächste Schritt?

Wir wollen unsere Kundenanzahl weiter vergrößern, und eventuell kommt Ende des Jahres noch ein Land dazu, in das wir expandieren. Welches das sein könnte, kann ich noch nicht verraten.

Brauchen Sie dafür frisches Geld?

Bislang nicht. Wir haben mit Octopus im vergangenen Jahr erst eine große Finanzierungsrunde abgeschlossen. Jetzt geht es darum, das Potenzial in den einzelnen Märkten zu heben.

In der Schweiz sind Sie in die Kritik geraten, weil Sie einer Stylistin eine Bezahlung weit unter dortigem Lohnniveau geboten haben.

In der Tat war der Start dort nicht so gelungen. Wir haben allerdings schnell gelernt, dass das Niveau dort deutlich höher ist, und die Löhne schnell angepasst.

Insgesamt beschäftigen Sie 300 Mitarbeiter. Davon arbeiten 150 Stylisten, zudem haben Sie viele Techniker, die Daten aufbereiten. Je länger jemand Kunde ist, desto gläserner wird er. Nach und nach löst dann die Technik die Berater ab.

Das ist nicht ganz richtig. Am Ende ist es immer der Mensch, der das Outfit für den Kunden zusammenstellt. Natürlich sammeln sich über die Zeit einige Daten über ihn an. Wir wissen, was er retourniert und was ihm gefallen hat. Die Technik unterstützt den Stylisten dabei, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dieser Vorgang ist aber nicht komplett automatisiert.


Zur Person

Zusammen mit Julia Bösch gründete Anna Alex 2012 das Unternehmen. Für ihr „Curated Shopping“, das betreute Einkaufen im Internet, sammelten sie bislang mehr als 50 Mio. Euro ein. Mittlerweile bieten die Berliner ihren Service in acht Ländern an. Ein weiteres könnte noch in diesem Jahr dazukommen. Anderes als im klassischen Handel gibt es beim Jungunternehmen keine Rabatte auf Klamotten.

www.outfittery.de

Die mobile Version verlassen