Website-Icon Unternehmeredition.de

„Die Konsolidierung wird kommen“

Der Spezialist für Filtersysteme Mann + Hummel hat seit 2016 zwei große Akquisitionen gestemmt, die jüngste gerade im Juli. Im Interview erklären die kommissarische Vorsitzende der Geschäftsführung Emese Weissenbacher und der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Fischer, wie sie damit ihr Portfolio erweitern wollen und welcher Wettbewerbsdruck hinter der M&A-Strategie steckt.

Unternehmeredition: Frau Weissenbacher, Herr Fischer, erst im Juli haben Sie mit Tri-Dim eine große Transaktion getätigt. Nach der Affinia Group im Jahr 2016 ist es das zweite größere Unternehmen aus den USA, das Sie zukaufen. Inwieweit steckt dahinter eine USA-Strategie?

Thomas Fischer: In erster Linie wollen wir neben unserem Automobil-Filtrationsgeschäft andere Märkte besetzen. Deshalb haben wir bereits vor einigen Jahren Betriebe aus der Gebäudefiltration dazugekauft. In den USA und auch in Asien ist dieser Markt stärker ausgeprägt als hier, deshalb suchen wir dort gezielt. Das passt sowohl zur oben genannten Strategie als auch zu unserem Anspruch, auf allen Kontinenten vertreten zu sein.

Emese Weissenbacher: Der Markt für Gebäudefiltration ist insgesamt sehr fragmentiert. Wir haben nach größeren Targets gesucht, weil die Integration nicht viel aufwändiger ist als bei kleinen Betrieben. Dann haben wir einen größeren Player in den USA gefunden. Tri-Dim ist außerdem ein Familienunternehmen wie wir und passt damit sehr gut zu uns.

Die Affinia Group haben Sie einem amerikanischen Private Equity-Haus abgekauft. Waren die beiden Transaktionen unterschiedlich, was die Verkäuferseite angeht?

Fischer: Das war ziemlich ähnlich. Mittlerweile lassen sich fast alle professionell von Investmentbanken begleiten. Der Zufall wollte es, dass der gleiche Investmentbanker – ein Spezialist für den Filtrationsmarkt – sowohl Affinia als auch Tri-Dim bei der Transaktion beraten hat. Von daher war das genauso professionell bei der legalen Beratung sowie dem Due Diligence-Prozess wie bei einem Private Equity-Unternehmen.

Weissenbacher: Ein Unterschied ist, dass Unternehmen in Private Equity-Hand strukturell darauf vorbereitet sind, dass sie veräußert werden. Tri-Dim ist ein traditionelles Familienunternehmen, dessen Organisation nicht auf einen Verkauf vorbereitet war. Beispielsweise haben wir verglichen mit Affinia mit einer viel kleineren Mannschaft verhandelt, um auf der anderen Seite keinen großen Aufwand zu generieren.

Zukäufe in der Größenordnung von Affinia und Tri-Dim sind teuer, gerade im heutigen M&A-Geschäft. Wie stemmen Sie die Akquisitionen finanziell?

Weissenbacher: Seit 2015 passen wir unsere Finanzierungsstrategie an die Wachstumsstrategie an. Es war wichtig, dass wir den Cashflow in den Fokus stellen, damit wir die liquiden Mittel für eine geplante Akquisition haben. Daneben setzen wir auf Schuldscheine, mit denen wir auch die Akquisition von Affinia finanziert haben. Wir haben vor Kurzem einen grünen Schuldschein platziert. Dieses Element hilft uns, unsere Finanzierungsstruktur zu optimieren, um damit bei Akquisitionen flexibler agieren zu können. Zusätzlich haben wir einen Konsortialkredit mit unseren Kernbanken geschlossen.

Fischer: Gerade der Fokus auf den Cashflow sollte allen Familienunternehmen wichtig sein. Wir haben alle noch gut in Erinnerung, wie schnell in der Krise 2008/2009 Cash verbrannt wurde. Deshalb hat die Disziplin auf der Cash-Seite Priorität.

Der Spezialist für Filtersysteme Mann + Hummel hat seit 2016 zwei große Akquisitionen gestemmt, die jüngste gerade im Juli. Im Interview erklären die kommissarische Vorsitzende der Geschäftsführung Emese Weissenbacher und der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Fischer, wie sie damit ihr Portfolio erweitern wollen und welcher Wettbewerbsdruck hinter der M&A-Strategie steckt.

Filter von Mann + Hummel: Der Spezialist will mit den Akquisitionen neben dem Automobilmarkt neue Märkte besetzen

Inwieweit hat sich die Wachstumsprognose durch den großen Zukauf von Affinia bis jetzt bestätigt?

Fischer: Wir sind im Rahmen dessen, was wir erwartet haben. Wir machen ja etliche Akquisitionen, in den vergangenen zehn Jahren waren es acht. Nicht jede Integration ist sofort erfolgreich. Wir hatten bereits Erfahrung gesammelt im amerikanischen Automotive Aftermarket. Jetzt hatten wir einen ausgezeichneten Integrationsprozess, auf der Gegenseite ist uns die gute Mannschaft erhalten geblieben. Uns ist es gelungen, Affinia den Stolz auf das eigene Unternehmen und die eigene Marke zu lassen.

Wie sieht so ein Integrationsprozess bei einem Unternehmen aus, das geografisch weit entfernt vom Stammsitz liegt?

Weissenbacher: Bei früheren Akquisitionen haben wir häufiger den Fehler gemacht, dem Unternehmen unsere Prozesse überzustülpen. Bei Affinia haben wir ganz bewusst eine andere Integrationsstrategie definiert. Im Vorfeld haben wir unsere eigene Organisation auf eine so große Akquisition vorbereitet: Die Führungsebene unterhalb der Geschäftsführung wurde gestärkt, die Gruppe neu strukturiert. Damit war es möglich, dass sich einer der Geschäftsführer zu 100 Prozent auf die Integration konzentrieren konnte. Am wichtigsten war aber die Entscheidung, was wir integrieren und was nicht. Affinia war ein sehr erfolgreiches Unternehmen, und wir wollten, dass das so bleibt. Deshalb haben wir lediglich einzelne Bereiche wie Finanzen und Einkauf integriert.

In Ihrem Geschäftsbericht betonen Sie den harten Wettbewerb. Welchen Druck spüren Sie bei Ihren M&A-Aktivitäten?

Weissenbacher: Ich bin davon überzeugt, dass wir in gewissem Maße zum Wachstum verdammt sind. Nur mit einer gewissen Größenordnung sind wir in der Lage, die künftigen Herausforderungen zu managen. Trotzdem ist es bei jeder Akquisition wichtig, dass sie zur Strategie des Unternehmens passt.

Fischer: Wir sind in den vergangenen 30 Jahren immer zwischen acht und zehn Prozent gewachsen. Unser Markt ist aber bis heute sehr fragmentiert. Wir sind mit einem Marktanteil von circa fünf Prozent Weltmarktführer. Die Konsolidierung wird also kommen. Wir müssen  selbst zukaufen, bevor große Gebilde entstehen, die uns das Leben richtig schwer machen.

Gibt es bereits Anfragen von Unternehmen, die Mann + Hummel übernehmen wollen?

Fischer: Permanent. Von Automobilzulieferern über Filtrationshersteller bis hin zu den diversen Großinvestoren dieser Welt sind alle dabei.

Der M&A-Markt läuft gerade auf Hochtouren, entsprechend schrauben sich die Multiples in die Höhe. Wie sieht denn ein guter Spagat aus zwischen günstiger Finanzierung und einem vernünftigen Kaufpreis?

Weissenbacher: Dabei geht es wirklich um die strategische Entscheidung. Die Targets müssen vom Geschäftsmodell, dem Produktportfolio und der Kultur zu uns passen. Da gehen wir recht systematisch vor. Bei der Finanzierung wissen wir ganz genau, wo unsere Grenzen liegen.

Fischer: Wir sind durchaus auch in der Lage, Dinge abzulehnen. Der operativ Verantwortliche kriegt oft Leuchten in den Augen, ein Objekt zu erwerben. Da kommt dann die Vernunft von Frau Weissenbacher als CFO ins Spiel, die die Multiples und die strategischen Vorteile gegeneinander abwägt.

Gibt es für Sie aktuell ein absolutes Maximum bei den Multiples, dass Sie sagen, bei neun oder zehn sind wir nicht mehr dabei?

Weissenbacher: Also dafür würden wir noch gerne Unternehmen akquirieren. Die aktuellen Multiples sind schon höher. Allgemein gibt es bei uns kein Maximum, das hängt davon ab, welches Potenzial das Target für uns bringt: Ist das ein Nukleus oder können wir das Unternehmen nicht mehr wirklich weiterentwickeln.

Der Spezialist für Filtersysteme Mann + Hummel hat seit 2016 zwei große Akquisitionen gestemmt, die jüngste gerade im Juli. Im Interview erklären die kommissarische Vorsitzende der Geschäftsführung Emese Weissenbacher und der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Fischer, wie sie damit ihr Portfolio erweitern wollen und welcher Wettbewerbsdruck hinter der M&A-Strategie steckt.

Das neue Projekt Feinstaubfressser: „Damit sind wir in der Öffentlichkeit präsenter.”

Bei Affinia haben Sie vor zwei Jahren etwa 1,4 Mrd. Dollar ausgegeben, der Multiple lag etwa bei elf. Hat sich mit der Akquisition von Tri-Dim die Preisspirale noch mal nach oben entwickelt?

Fischer: Affinia war noch relativ günstig. Bei Tri-Dim können Sie davon ausgehen, dass das Multiple höher lag, weil die Preise für Unternehmen teurer geworden sind.

Bei Ihren Kennziffern zwischen 2016 und 2017 fällt auf, dass Sie trotz des Wachstumskurses Stellen abgebaut haben, wobei die Produktion pro Arbeitskraft signifikant gesteigert wurde. Ist das ein Weg, den Sie gehen?

Fischer: Beim Stellenabbau sind das eher operative Themen, die in den Standorten begründet sind, zum Beispiel durch fehlende Nachfolgeaufträge oder eine Standortverlagerung, weil unsere Automobilkunden von West- nach Osteuropa gehen. Solche Entscheidungen müssen wir immer mal wieder treffen, weil unsere Kunden Preisreduzierungen von uns verlangen. Die Kennziffer bei der Wertschöpfung ist verzerrt, weil wir in Niedriglohnländern stärker aufbauen und relativ weniger Lohn für die Wertschöpfung zahlen.

Sie wollen unabhängiger vom Automobilmarkt werden, gleichzeitig stehen Technologieumbrüche wie die E-Mobilität bevor. Wie soll Ihr künftiges Portfolio strukturiert sein?

Fischer: Automotive wollen wir genauso stark weitermachen, denn es geht um Mobilität. Auch ein Hybrid- oder Batteriefahrzeug braucht einen Innenraum- oder einen Ölfilter an der Achse, braucht gefilterte Luft oder gereinigtes Wasser. Gleiches gilt für die Brennstoffzelle. Wir sehen da weiterhin große Chancen im Weltmarkt, weil wir noch nicht überall so stark sind wie in Europa oder den USA.

Weissenbacher: Gerade bei der Digitalisierung beziehungsweise im Segment Gebäudefiltration können wir neue Geschäftsmodelle aufbauen, bei denen es weniger um das Produkt, sondern um saubere Luft in Räumen geht. Deshalb haben wir in Singapur ein IoT-Lab (Internet of Things; Anmerkung der Redaktion) eröffnet oder schauen uns im Silicon Valley Start-ups an, die uns bei der Sensorik oder im Bereich Analytics weiterhelfen können.

Hat sich durch die Zukäufe und die stärkere Diversifizierung etwas am Markenbild oder der Vision geändert, die Sie in den nächsten Jahren umsetzen wollen?

Weissenbacher: Dabei geht es eher um die Unternehmensmarke beziehungsweise das Employer Branding. Als klassischer Automobilzulieferer wurden wir nicht so stark wahrgenommen. Mit neuen Geschäftsbereichen oder auch Projekten wie dem „Feinstaubfresser“ sind wir in der Öffentlichkeit präsenter.


Zu den Personen

Die gebürtige Ungarin Emese Weissenbacher arbeitet bereits seit 1994 bei Mann + Hummel. Seit Mitte 2015 ist sie Mitglied der aktuell vierköpfigen Geschäftsführung und für Finanzen, Controlling sowie Informationstechnologie zuständig. Seit dem Weggang des Vorsitzenden Geschäftsführers Alfred Weber im März dieses Jahres vertritt sie bis auf Weiteres operativ das Familienunternehmen.

 

 

Thomas Fischer ist Gesellschafter und Vorsitzender des Aufsichtsrats. Die Inhaberfamilien Mann und Hummel halten über ihre Beteiligungsgesellschaften 100 Prozent am Unternehmen und sind mit insgesamt sechs Mitgliedern im zwölfköpfigen Aufsichtsrat vertreten.

 

 

 


Zum Unternehmen

Mann + Hummel wurde 1941 von Adolf Mann und Dr. Erich Hummel gegründet. Bis heute erwirtschaftet das Unternehmen einen Großteil seines Umsatzes mit Filtersystemen für die Automobilhersteller, im automobilen Zweitmarkt sowie im Segment Industriefiltration. Seit den 90er-Jahren wachsen die Segmente Life Sciences und Umweltschutz. Im Geschäftsjahr 2017 erwirtschaftete Mann + Hummel rund 3,9 Mrd. Euro und einen Gewinn von 185 Mio. Euro. Derzeit sind an mehr als 80 Standorten über fünf Kontinente verteilt etwa 20.500 Menschen beschäftigt.
www.mann-hummel.com

 

Die mobile Version verlassen