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„Man weiß um die eigene Endlichkeit“

Werner Kieser hat vor 50 Jahren das Kieser Training erfunden und daraus eine europäische Marke entwickelt. Nun haben er und seine Frau die gemeinsamen Gesellschafteranteile abgegeben. Im Interview werfen der Gründer und sein Nachfolger Michael Antonopoulos einen Blick auf die schwierige Anfangszeit und die heutige Expansion nach China.

Unternehmeredition: Herr Kieser, wann haben Sie angefangen, die Nachfolge zu regeln?

Kieser: Emotional habe ich mich schon mit 65 vom Unternehmen gelöst, man weiß ja um die eigene Endlichkeit. Wenn man keine Familienmitglieder hat oder keine, die fähig sind, ist die Nachfolge schwierig, da muss man suchen. Mein Sohn ist Künstler, er hat kein Interesse am Unternehmen, und ihm fehlt der beruflich-fachliche Hintergrund. Aber das muss auch nicht sein, ich habe ja auch nicht das Geschäft meines Vaters übernommen.

Wie lief der Verkauf der Aktienanteile – etappenweise oder als Ganzes?

Antonopoulos: Ich habe schon 2013 ein erstes Aktienpaket von zehn Prozent übernommen, seitdem haben wir über eine Nachfolge gesprochen. Geeinigt haben wir uns dann Mitte Juli 2016.

In einem früheren Interview hat Herr Kieser von einem „Motivationsschub“ gesprochen, wenn die Anteile übergeben werden. Wie fühlt es sich für Sie an, Herrn Antonopoulos?

MiA: Für mich hatte sich mit Mitte 40 die Frage gestellt, ob ich mich noch einmal beruflich verändere, schließlich bin ich seit zwölf Jahren bei Kieser. Mit dem Schritt, die ersten zehn Prozent zu übernehmen, bindet man sich noch mal anders an das Unternehmen.

Wie wird sich das Aufsichtsgremium nach dem Abschied von Werner Kieser neu aufstellen?

MiA: Wir fahren in der jetzigen Konstellation weiter. Je nachdem, wie sich das Geschäft entwickelt, werden wir vielleicht aufstocken. Von der Grundauslage ändert sich momentan nicht viel, da ich schon seit sieben Jahren Geschäftsführer bin. Herr Kieser wird uns als Berater erhalten bleiben, und das nutzen wir, solange wir können.

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Werner Kieser hat vor 50 Jahren das Kieser Training erfunden und daraus eine europäische Marke entwickelt. Nun haben er und seine Frau die gemeinsamen Gesellschafteranteile abgegeben. Im Interview werfen der Gründer und sein Nachfolger Michael Antonopoulos einen Blick auf die schwierige Anfangszeit und die heutige Expansion nach China..

Herr Kieser, lassen Sie uns etwas Ihre Zeit als Unternehmer resümieren. Wollten Sie von Anfang an eine Marke etablieren?

WeK: Nein, das hat sich erst nach Jahren so ergeben, ohne dass ich dies beabsichtigt hatte.

Hartes Training: Kunden von Kieser habenen einen funktionalen Bezug zum Sport.

Was waren – abgesehen von der Anfangszeit – die schwierigsten Jahre?

WeK: Das war tatsächlich die Anfangszeit, 1967 bis 1978. Die Leute kannten diese Art des Krafttrainings nicht. Die ersten Studios waren Höhlen, da glaubte man, man sei in einer Schmiede. Anfang der 70er-Jahre schwappte dann die Fitnesswelle über uns. Da kamen die Spiegel und die Whirlpools in die Studios. Und ich habe meinen ersten strategischen Fehler gemacht.

Inwiefern?

WeK: Die Mitbewerber haben mit viel Kapital das eingerichtet, was man heute als Wellness-Bereich bezeichnet. Ich habe gedacht, ich müsste mitziehen, und Massagen, Whirlpools und Saunen angeboten. Damit habe ich mich schnell unwohl gefühlt: Die Leute lagen nur noch herum, davon wird man aber nicht fit. Also habe ich alles wieder abgeschafft, ein Drittel der Kundschaft verloren und böse Briefe bekommen. Danach habe ich in neue Geräte investiert, etwa die Nautilus-Maschinen. Der Umsatz hat sich vervielfacht.

 Herr Antonopoulos, jetzt sind Sie am Ruder. Gibt es bald doch wieder einen Wellness-Bereich bei Kieser?

MiA: Ein Wellness-Bereich ist nicht wirtschaftlich. Selbst wenn wir das wollten, könnten wir es flächenmäßig nicht umsetzen. Wir werden die Werte, die wir verfolgen und die Ausrichtung beibehalten. Damit sind wir groß geworden, damit besetzen wir eine klare Position.

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Werner Kieser hat vor 50 Jahren das Kieser Training erfunden und daraus eine europäische Marke entwickelt. Nun haben er und seine Frau die gemeinsamen Gesellschafteranteile abgegeben. Im Interview werfen der Gründer und sein Nachfolger Michael Antonopoulos einen Blick auf die schwierige Anfangszeit und die heutige Expansion nach China.

Kieser Training will weder Lifestyle noch Vergnügen sein, sondern hartes Training. Ist das heute schwerer zu vermitteln als früher?

WeK: Nein, in unserer Zielgruppe findet ein rationaler Bezug zum Thema Fitness eher Akzeptanz als beim typischen Fitnesspublikum. Hier hat sich die Differenzierung vollzogen.

Trotzdem sind Sie nicht ganz günstig. Was gibt es, was man in anderen Studios nicht findet?

MiA: Ein standardisiertes Produkt, das wir durchziehen und bei dem wir jeden Schnickschnack weglassen. Wir stellen unsere Maschinen selbst her und legen großen Wert auf einen hohen Ausbildungsstandard bei unserem Personal. In anderen Ketten wird viel ohne Aufsicht trainiert, da kann man natürlich Personalkosten sparen.

WeK: Unser Angebot ist nicht an Trends ausgerichtet, sondern strikt wissenschaftlich-gesundheitlich.


“Wir müssen meist die Köpfe der Leute, die zu uns kommen, entrümpeln, weil sie so viele Dummheiten mitbringen.”

Werner Kieser, Gründer der Kieser Training AG


Was ist so schlimm an Trends?

WeK: An sich nichts, aber sie sind verwirrend. Wir müssen meist die Köpfe der Leute, die zu uns kommen, entrümpeln, weil sie so viele Dummheiten mitbringen. Heute werden viele Trends nur gemacht, um den Umsatz zu steigern, und nicht, weil sie einen Nutzen haben. Da hört man nur noch Schlagwörter, meist Anglizismen. Trends helfen zwar dem Cashflow, das darf aber nicht das erste Kriterium sein, sondern der Nutzen für den Kunden.

 An Ihrer Methode gab es immer wieder Kritik von Ärzten und Wissenschaftlern. Wie sind Sie damit umgegangen?

WeK: Ich hatte immer Kontakt zur Forschung. Ich habe die Methode ja auch nicht erfunden, sondern in Amerika gelernt. Das High Intensity Training (HIT) gab es schon, es hat allerdings ein paar Jahre gedauert, bis es sich auch in Deutschland etabliert hat. Erst als die alten Koryphäen abgetreten sind, wurde meine Methode akzeptiert. Die junge Generation ist offener damit umgegangen, weil sie noch kein Lebenswerk zu verteidigen hatte.

Wie ist das Verhältnis zu Medizinern, Orthopäden und Chirurgen heute?

WeK: Gegenüber früher hat sich das Verhältnis aufgehellt. Nicht zuletzt, weil mittlerweile unser Verfahren von jüngeren Forschern aufgegriffen und in seiner Effizienz bestätigt wird.

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Werner Kieser hat vor 50 Jahren das Kieser Training erfunden und daraus eine europäische Marke entwickelt. Nun haben er und seine Frau die gemeinsamen Gesellschafteranteile abgegeben. Im Interview werfen der Gründer und sein Nachfolger Michael Antonopoulos einen Blick auf die schwierige Anfangszeit und die heutige Expansion nach China.

Der Markt für Fitnessstudios hat sich in den vergangenen Jahren ausdifferenziert. Welche Zielgruppe ist für Kieser relevant?

MiA: Unsere Kunden sind um die 45 Jahre und werden mit uns älter, die Loyalität ist hoch. Sie sind gebildet, haben eine hohe Kaufkraft, aber oft wenig Trainingserfahrung.

Eigene Trainingsgeräte: Kieser entwickelt die Maschinen selbst.

Profitieren Sie vom aktuellen Fitness-Hype oder wird es schwieriger, weil Konkurrenten auf den Markt drängen?

WeK: Schwieriger ist es, weil die vielen Angebote und die dauernd wechselnden Trends die Endverbraucher verwirren, statt aufzuklären. Einfacher ist es geworden, weil Kieser sich klar von der Szene differenziert hat und das allmählich bekannt ist.

Welche sind die nächsten Schritte für das Unternehmen Kieser?

MiA: Ein großer Schritt ist das neue Studio in Peking, das wir im Sommer eröffnen wollen. Wir arbeiten schon seit eineinhalb Jahren daran, werden mit einem Joint Venture mit einem langjährigen Partner aus dem Immobilienbereich einsteigen, der in China schon seit Jahren tätig ist. Der Zugang zum Markt wird sicher anders sein als hier. Aber auch die Chinesen haben Rückenprobleme. Und ein solches Produkt wie unseres gibt es dort noch nicht.

Werden Sie bei der Eröffnung dabei sein, Herr Kieser?

WeK: Nein, ich reise nicht so gern so weit. Wenn Herr Antonopoulos sagt, er müsse mich unbedingt dabeihaben, überlege ich mir das. Aber ich dränge mich nicht auf, bleibe lieber zu Hause und lese ein Buch oder gehe mit den Hunden raus.

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Werner Kieser hat vor 50 Jahren das Kieser Training erfunden und daraus eine europäische Marke entwickelt. Nun haben er und seine Frau die gemeinsamen Gesellschafteranteile abgegeben. Im Interview werfen der Gründer und sein Nachfolger Michael Antonopoulos einen Blick auf die schwierige Anfangszeit und die heutige Expansion nach China.

Herr Kieser, was möchten Sie mit dem Vermögen machen, das Sie nun besitzen?

WeK: Damit habe ich mich noch nicht befasst. Ich habe keine große Affinität zu Geld, meine Frau schon eher. Vielleicht investiere ich in Start-ups.

Sie möchten nicht nichts tun. Welche Ziele haben Sie als Pensionär?

WeK: Als Berater bin ich noch viel im Unternehmen, etwa bei der Entwicklung der Maschinen. Ansonsten mache ich Musik, habe viele literarische Freunde und zwei Hunde – langweilig wird mir sicher nicht. Ich habe spät noch mal Philosophie studiert und gemerkt, dass mir die Anstrengung richtig guttut. Lebenslanges Lernen ist Bodybuilding für den Kopf.

Wie oft trainieren Sie beide eigentlich selbst bei Kieser?

WeK: Zwei bis drei Mal die Woche, je nachdem, wie ich Zeit habe.

MiA: Ich versuche, regelmäßig zwei Mal pro Woche zu trainieren. Ich habe ja einen ganz kurzen Weg, muss nur eine Etage tiefer. Aber es gibt immer mal Gründe, warum es nicht klappt.


Zu den Personen

 

 

 

 

 

Zu Beginn des Jahres hat das Unternehmerehepaar Werner Kieser und Gabriela Kieser seine Anteile an der Kieser Training AG verkauft. Die neuen Eigentümer sind Geschäftsführer Michael Antonopoulos, der vor sieben Jahren bereits die operative Nachfolge übernommen hat, und das Verwaltungsratsmitglied Nils Planzer. Das Unternehmen Kieser betreibt weltweit 130 Studios – die meisten davon in Deutschland als Franchise über die Kieser Training GmbH – mit über 270.000 Mitgliedern. Seine Erlöse gibt das Unternehmen nicht bekannt.
www.kieser-training.de

 

 

 

 

 

 

 

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