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„Vermögen sollte beruhigen“

Die Fürstlich Castell’sche Bank entwickelt sich vom klassischen Kreditgeber hin zu einem Vermögensverwalter. Im Interview sprechen Gesellschafter Ferdinand Fürst zu Castell-Castell und der Vorstandsvorsitzende Sebastian Klein über die wechselvolle Geschichte des Bankhauses und erklären, warum sie immer das gleiche Produkt anbieten.

Unternehmeredition: Fürst Ferdinand, nach eigenen Angaben ist die Fürstlich Castell’sche Bank das älteste Kreditinstitut in Bayern. Was war damals im 18. Jahrhundert der Antrieb Ihrer Ahnen, eine Bank zu gründen?

Ferdinand Fürst zu Castell-Castell: Die Grafschaft Castell war damals eine reichsunmittelbare Grafschaft, also ein kleines Staatsgebilde. Viele Bauern waren durch Missernten in Schulden geraten. Wir haben festgestellt, dass das Steueraufkommen in der Grafschaft gefährdet war, und eine Kreditkasse vorgeschlagen, um die Bauern zu entschulden und zu sanieren. Das ist auch gut gelungen, was man daran sieht, dass die ersten Kreditkunden ein paar Jahre später als Einlagenkunden wieder in der Bilanz auftauchen. Die Gründungsidee war eine hoheitliche, fürsorgliche Maßnahme und keine gewinnorientierte Bank. Muhammad Yunus hat für dieses sogenannte Microfinance 2006 den Friedensnobelpreis bekommen.


“Die Bank rechnet seit ihrem Bestehen mittlerweile in der siebten Währung.”

Fürst Ferdinand


Nichtsdestotrotz war das Bankwesen schon immer anfällig für volatile Entwicklungen und Krisen. Durch welche Höhen und Tiefen musste Ihre Bank in den vergangenen fast 250 Jahren gehen?

Fürst zu Castell-Castell: Wir haben natürlich alle Krisen, Kriege, Inflationen mitgemacht. Die Bank rechnet seit ihrem Bestehen mittlerweile in der siebten Währung. Es gab auch einen mehrfachen Wechsel der Rechtsordnung, die Bank musste also immer mal wieder neu genehmigt werden. Dann gab es in früheren Zeiten auch hausgemachte Probleme: Kredite in ferne Länder, die nicht funktioniert haben.

Sie profilieren sich heute sehr stark über die Region Unterfranken beziehungsweise Bayern. Ist das auch eine Lehre aus diesen Krisen?

Dr. Sebastian Klein: Ich finde, dass vor allem auffällt, was die Bank nie gemacht hat, zum Beispiel Investmentbanking: nie Handel betrieben, sei es Eigenhandel oder für Dritte. Oder auch Corporate Finance. Gewissen Versuchungen hat die Bank nie nachgegeben und ist insofern ihren regionalen Wurzeln treu geblieben.

Wäre es nicht interessant, auch als regionaler Partner etwa bei M&A-Geschäften aufzutreten?

Klein: Ja, nur muss man im Investmentbanking erstens große Erfahrungen aufbauen. Es bringt überhaupt nichts, einfach Investmentbanking anzubieten. Zweitens sieht man, dass dieses Geschäft oft in erster Linie nicht dem finanziellen Erfolg der Bank dient, sondern dem finanziellen Erfolg der Talente, die daran beteiligt sind.

Die Fürstlich Castell’sche Bank entwickelt sich vom klassischen Kreditgeber hin zu einem Vermögensverwalter. Im Interview sprechen Gesellschafter Ferdinand Fürst zu Castell-Castell und der Vorstandsvorsitzende Sebastian Klein über die wechselvolle Geschichte des Bankhauses und erklären, warum sie immer das gleiche Produkt anbieten.

Fürst Ferdinand, Sie führen die Bank als Vertreter der Linie Castell-Castell gemeinsam mit Otto Fürst zu Castell-Rüdenhausen. Wie ist das Verhältnis der beiden Linien außerhalb des Bankgeschäfts?

Fürst Ferdinand: Das Verhältnis ist sehr eng. Wir haben ja nicht nur das gemeinsame Bankgeschäft, sondern auch einen Landwirtschaftsbetrieb sowie zwei Forstbetriebe. Bei unserem Weingut haben wir die Flächen der Linie Castell-Rüdenhausen gepachtet. Fürst Otto ist mein Patensohn, er wiederum ist der Pate meines ältesten Kindes, ich bin das Patenkind seines verstorbenen Vaters und so weiter. Wir leben hier auf drei Kilometern und stimmen uns in allen betrieblichen, aber auch anderen Fragen ab. Wir sind eben ein klassisches Familienunternehmen.

Weinkeller des Fürstlich Castell´schen Domänenamts: Neben dem Bankgeschäft ist Fürst Ferdinand auch im Weinbau aktiv.

Die Gesellschafter sitzen bei Ihnen allerdings traditionell nicht in der operativen Leitung. Wie tarieren Sie das Risiko aus, dass ein Manager, den Sie nicht an der Bank beteiligen, in einer Krise schneller weg ist als ein Geschäftsführender Gesellschafter?

Fürst Ferdinand: Indem wir eben auch gemeinsam durch Krisen gehen. Bei uns zählt nicht das Familienprinzip, sondern alleine die beste Qualifikation in der operativen Führung.

Klein: Aus meiner Sicht ist eine Beteiligung nicht das Entscheidende, um sich mit einem Unternehmen zu identifizieren. Die Motivation ist nicht nur monetär. Für mich ist ein Unternehmer nicht der, der Kapital hält, sondern der, der etwas gestalten will.

Bevorzugen Sie denn auch im Kreditgeschäft Familienunternehmen, die langfristig denken und entsprechend investieren wollen?

Fürst Ferdinand: Die bevorzugen uns, würde ich sagen.

Klein: Es gibt ein gewisses Verständnis dafür, wie das Unternehmen geführt wird. Vielen ist zum Beispiel wichtig, dass die Eigentümer in der Region leben und persönlich ansprechbar sind.

Wie stark zieht denn so ein Name wie Castell – oder müssen Sie viel Geld in die Akquise stecken?

Klein: Wir sind noch nicht so bekannt, wie wir sein könnten. Die meisten Neukunden gewinnen wir tatsächlich über Kundenempfehlungen. Wir machen so gut wie kein Marketing. Sie werden nicht sehen, dass wir irgendein Pferderennen oder Tennisturnier sponsern. Das kann sich der Kunde im Zweifel auch selbst leisten.

Die Fürstlich Castell’sche Bank entwickelt sich vom klassischen Kreditgeber hin zu einem Vermögensverwalter. Im Interview sprechen Gesellschafter Ferdinand Fürst zu Castell-Castell und der Vorstandsvorsitzende Sebastian Klein über die wechselvolle Geschichte des Bankhauses und erklären, warum sie immer das gleiche Produkt anbieten.

Sie wollen verstärkt als Vermögensverwalter wahrgenommen werden. Welche Strategie steckt dahinter?

Klein: Wir nennen das bei uns duales Geschäftsmodell. Das eine Standbein ist als Nachklang der Gründungsgeschichte das mittelständische Kreditgeschäft in unserer Region. Das zweite Standbein ist die Vermögensverwaltung, die auch eine historische Linie hat. In den vergangenen Jahren haben wir den Fokus auf die Vermögensverwaltung gelegt. Das hat mit dem Niedrigzinsumfeld zu tun und mit dem teils ruinösen Wettbewerb um ein paar Kreditmandate, gerade in so einer starken Wettbewerbsregion wie hier. Dazu kommen neue Vorschriften durch die Baselabkommen, die den Return on Equity des Kreditgeschäfts verringern. Von daher versuchen wir gerade bei Neueinstellungen, das Kompetenzprofil in Richtung Vermögensverwaltung weiter zu verschieben.

Können Sie diese Gewichtsverlagerung auch beziffern?

Klein: Von unserem Gesamtertrag kommen derzeit 60 Prozent aus der Vermögensverwaltung und 40 Prozent aus dem Kreditgeschäft. Das kann sich auch mal wieder verlagern. Aber aktuell wollen wir in der Vermögensverwaltung wachsen und das Kreditgeschäft optimieren. Anders ausgedrückt: Wir wollen den Ertrag erhöhen, nicht primär den Umsatz.


“Es gibt nur ein freies Mittagessen am Kapitalmarkt, und das ist die Diversifikation.”

Dr. Sebastian Klein


Sie haben eben den Return on Equity angesprochen. Gleichzeitig definieren Sie Ihre Anlagestrategie als konservativ, zum Beispiel bevorzugen Sie Indexfonds am Aktienmarkt. Wie kommunizieren Sie Ihren vermögenden Kunden, dass die Rendite nicht im Vordergrund steht?

Klein: Unser Investmentansatz ist in der DNA der Bank verankert. Dieser Ansatz basiert auf zwei Nobelpreisträgern. Der eine ist Harry Markowitz mit seiner Portfoliotheorie. Von ihm kann man den Satz ableiten: Es gibt nur ein freies Mittagessen am Kapitalmarkt, und das ist die Diversifikation. Von daher sind wir im ersten Schritt davon beseelt, unseren Kunden diversifizierte Portfolios anzubieten. Der zweite Pfeiler beruht auf Richard Thalers Behavioral Finance (Verhaltensökonomie, Anmerkung der Redaktion), der dafür im vergangenen Jahr – aus unserer Sicht endlich – den Nobelpreis bekommen hat. Seine psychologischen Studien nutzen wir, um das – wie wir das nennen – emotionale Risikobudget unserer Kunden herauszubekommen. Dabei geht es einfach darum, wie viel Verlustpotenzial ein Kunde toleriert, unabhängig von seinem Vermögen. Aus unserer Sicht sollte Vermögen nicht belasten, sondern beruhigen.

Wie setzen Sie Ihren theoriegeladenen Ansatz in der Praxis um?

Klein: Wir bieten eigentlich keine Einzelprodukte an, sondern nur ein komplettes Konzept. Wir verteilen dann das liquide Vermögen auf die verschiedenen Anlageklassen, um zu diversifizieren und damit das Risikobudget möglichst gering zu halten. Wichtig ist dabei, dass diese Anlageklassen liquide sind. Denn im Extremfall, also bei einer Finanzkrise, müssen wir in der Lage sein, das Portfolio zu 100 Prozent in Cash, Gold oder Renten zu erhalten.

Die Fürstlich Castell’sche Bank entwickelt sich vom klassischen Kreditgeber hin zu einem Vermögensverwalter. Im Interview sprechen Gesellschafter Ferdinand Fürst zu Castell-Castell und der Vorstandsvorsitzende Sebastian Klein über die wechselvolle Geschichte des Bankhauses und erklären, warum sie immer das gleiche Produkt anbieten.

Haben Sie also nur relativ risikoaverse Kunden oder gibt es auch diejenigen, die ein hohes Risikobudget bevorzugen?

Klein: Es gibt auch den Anleger, der mehr als fünf Prozent Rendite erwartet und entsprechend ein hohes Risikobudget toleriert. Aber wir weisen dann auch auf das Risiko hin. Anders gesagt: Wer bei einem konservativen Ansatz nach Abzug der Kosten mehr als zwei oder drei Prozent Rendite erwartet, dem sagen wir, dass das nicht geht.

Welche Vehikel bevorzugen Sie bei Ihrer Anlage?

Klein: In der Vermögensverwaltung achten wir strikt darauf, dass jeder Titel hochliquide ist. Es gibt keine geschlossenen Beteiligungen oder Fonds in der gesamten Bank. Insofern bevorzugen wir in den Märkten ETFs, bei denen aktives Research aus unserer Sicht keinen Unterschied macht wie beim S&P 500 oder E-Stoxx 50. Wenn Sie es in einem Bild haben wollen: Wir sind ein Ein-Produkt-Unternehmen. Wir machen vielleicht das beste Vanilleeis, immer nach der gleichen Rezeptur. Ob der Kunde das im Hörnchen, in der Glasschale oder im Becher essen will, überlassen wir ihm.

Ein Effekt der Niedrigzinsphase ist der Hype um Sachwerte. Nun haben Sie selbst ein beträchtliches Kapital in Ihrem Schloss, dem Weingut et cetera gebunden und könnten diese Assets kompetent empfehlen. Tun Sie das?

Klein: Nein, weil es eben keine liquiden Assets sind und deshalb nicht zu unserer Philosophie passen. Deshalb empfehlen wir da gar nichts. Wer in Sachwerte investiert und eine hohe Rendite erwartet, übersieht, dass man dafür Unternehmer sein sollte und nicht bloß Anleger. Ein Großteil der Investoren sieht sich dabei leider nicht als Mitunternehmer.


“Wir sind ein Ein-Produkt-Unternehmen. Wir machen vielleicht das beste Vanilleeis, immer nach der gleichen Rezeptur.”

Dr. Sebastian Klein


Die Bankbranche steckt in einem Umbruch. In Deutschland müssen sich gerade die großen Institute restrukturieren, daneben treiben die Fintechs die alte Bankenwelt vor sich her. Wie blicken Sie auf die Gemengelage und stellen die Weichen für die Zukunft?

Klein: Ich habe jetzt gelernt, dass die wichtigste Qualifikation für einen modernen Manager ist, agil zu sein. Das betrifft auch die Digitalisierung. Die haben wir meiner Ansicht nach recht leichtfüßig bewältigt. Da geht es um die internen Prozesse, also dass alle Akten digitalisiert sind. Beim Kontakt mit dem Kunden ist es wichtig, dass die Informationen online verfügbar sind. Gerade die jungen Kunden schließen gar nicht aus, dass sie einen persönlichen Bankberater haben wollen. Deshalb haben wir entschieden, unseren Investmentansatz – das beste Vanilleeis – komplett online anzubieten, inklusive Kontoeröffnung et cetera. Das passt zu uns. Dagegen würde es nicht passen, jetzt in bestimmte Fintechs zu investieren.

Die Fürstlich Castell’sche Bank entwickelt sich vom klassischen Kreditgeber hin zu einem Vermögensverwalter. Im Interview sprechen Gesellschafter Ferdinand Fürst zu Castell-Castell und der Vorstandsvorsitzende Sebastian Klein über die wechselvolle Geschichte des Bankhauses und erklären, warum sie immer das gleiche Produkt anbieten.

 Zu den Personen

Ferdinand Fürst zu Castell-Castell ist gemeinsam mit Otto Fürst zu Castell-Rüdenhausen Gesellschafter der Fürstlich Castell’schen Bank in achter Generation. Beide sind stellvertretende Vorsitzende im sechsköpfigen Aufsichtsrat. Fürst Ferdinand ist außerdem alleiniger Inhaber des Fürstlich Castell’schen Domänenamts sowie eines Forst- und eines landwirtschaftlichen Betriebs. Er lebt im Schloss Castell.

 

 

Dr. Sebastian Klein studierte an der privaten Managementhochschule WHU in Koblenz-Vallendar. Es folgten mehrere Engagements als Unternehmensberater, bei Banken, einem Asset-Manager sowie bei der Bayerischen Landesbank. Zwischen 2010 und 2012 saß er im Aufsichtsrat der Fürstlich Castell’schen Bank und wechselte dann in den Vorstand, dessen Vorsitz er 2013 übernahm.

 

 Zum Unternehmen

Die Fürstlich Castell’sche Bank wurde 1774 vom damaligen gräflichen Regierungsrat Friedrich Adolph von Zwanziger gegründet. Seit 2006 firmiert die Privatbank als Familien-Aktiengesellschaft mit 24.000 Namens-Stückaktien, die sich auf die beiden Gesellschafter je zur Hälfte aufteilen. Die Bilanzsumme betrug Ende 2017 knapp 1 Mrd. Euro. Etwa zwei Drittel davon entfielen auf das Firmengeschäft in der Region Franken. Das EBIT belief sich auf ca. 2,3 Mio. Euro, wobei das Ergebnis von einem mutmaßlichen Betrugsfall eines ehemaligen Mitarbeiters negativ beeinflusst wurde. Derzeit arbeiten rund 250 Mitarbeiter für das Institut.

www.castell-bank.de

 

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