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Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer

Eine Rekordmeldung jagt die nächste, die „All-time-Highs“ der Jahre 2007/2008 werden nicht nur eingestellt, sondern teilweise sogar überflügelt. Die Stimmung am Markt klärt auf, doch es bleibt die bange Frage: Ist dies der Beginn einer neuen M&A-Welle oder nur ein Sturm im Wasserglas?

Das neue Jahr meint es gut mit der M&A-Welt und hatte in seiner ersten Hälfte vor allem eines im Gepäck: Rekordmeldungen. Laut Zahlen von Dealogic befindet sich das globale Cross-Border-M&A auf einem Höchststand seit 2007, das globale Volumen im Bereich Healthcare erreichte den Year-to-Date (YTD) gemessenen Höchststand, chinesische Akquisitionen sind so hoch wie noch nie. Dazu Ankündigungen von Mega-Deals wie Glencore, Lafarge, WhatsApp und aktuell noch Sky Deutschland – um nur einige zu nennen. Nach den mageren verflixten sieben Jahren scheint die Risikobereitschaft für M&A-Investitionen wieder zuzunehmen. Doch Stimmung will noch nicht so richtig aufkommen. Grund dafür ist auch die anhaltende Unsicherheit über die Nachhaltigkeit des Aufschwungs. Und es sollte nicht vergessen werden, dass sich die Wirtschaft hierzulande bereits seit 2009 in einem Aufschwung befindet – der lediglich nahezu ohne M&A stattfand.

Status quo

Werfen wir einen Blick auf weitere Zahlen von Dealogic: Der globale M&A-Markt erreichte in der ersten Jahreshälfte mit einem Gesamtvolumen von 1,83 Mrd. US-Dollar eine Steigerung von 41 Prozent gegenüber 2013 und den höchsten Wert seit 2007 (2,59 Mrd. USD). Die durchschnittliche Deal-Größe lag bei 214 Mio. US-Dollar, ebenfalls der höchste Wert seit 2007 (239 Mio. US-Dollar). Das nordamerikanische M&A-Volumen wuchs dabei mit 51 Prozent schneller als das in den EMEA oder dem asiatischen Raum, die beide einen Zuwachs von knapp 30 Prozent verzeichneten. Zukäufe chinesischer Firmen stiegen mit 41 Mrd. US-Dollar auf ein Allzeithoch. Europa scheint bei den Chinesen weiterhin gut im Kurs zu stehen, was mit dazu führte, dass man hier mit einem Deal-Volumen von 508 Mrd. US-Dollar eine Steigerung von 37 Prozent im Jahresvergleich verzeichnen konnte.

Auch der deutsche M&A-Markt zeigt sich stark wie schon lange nicht mehr. Mit knapp 64 Mrd. US-Dollar weist er den höchsten YTD-Wert seit 2008 auf – liegt jedoch noch deutlich unter dem Niveau von damals 98 Mrd. US-Dollar. Getragen wird dieses Volumen von angekündigten Mega-Deals wie die Akquisition von Sky Deutschland (8,5 Mrd. US-Dollar) oder dem Verkauf von RWE Dea (7,1 Mrd. US-Dollar). Laut M&A Database der Universität St. Gallen geht die Anzahl der deutschen Deals dabei mit minus 22 Prozent gegenüber der ersten Hälfte des Vorjahres weiter zurück.Wellenphänomene

Mergers & Acquisitions lassen sich als zyklisches und zugleich zunehmendes Phänomen beschreiben: Zeiträume mit hoher und niedriger M&A-Aktivität wechseln sich ab, wobei sich die Ausschläge dieser „Wellen“ über den Zeitverlauf zu verstärken scheinen. Dabei folgen die Bewegungen einem jeweils strategischen Rational und lassen sich demnach unterschiedlich charakterisieren. Die letzte 6. Welle von 2003 bis 2006 etablierte zum Beispiel Private-Equity-Investoren am Markt, ein Resultat aus der dieser Welle zugrunde liegenden Wertsteigerungslogik, die größtenteils in Finanzoptimierungen bestand. Es lässt sich daher annehmen, dass eine neue Welle immer dann entsteht, wenn sich eine neue Logik zur umfassenden Wertsteigerung von Unternehmen andeutet. Doch wo soll diese derzeit sein? Sicher gibt es Segmente, die vom Einsatz neuer Technologien stark profitieren können. Einige Unternehmen – wie etwa Amazon – haben neue Wege gefunden, jenseits ihrer Branchengrenzen zu wachsen. Andere wiederum haben neue Möglichkeiten zur Steueroptimierung entdeckt (z.B. Pharma-Deals). Und sicher gibt es auch noch Opportunitäten, die eigene Internationalisierung voranzutreiben, das Portfolio zu optimieren oder eine Branchenkonsolidierung zu nutzen. Doch reichen diese Entwicklungen für eine neue Welle aus?

Marktbeobachtungen

Vor dem Hintergrund der letzten Wirtschaftskrise 2008 können wir unter anderem drei verschiedene Beobachtungen machen, die sich in den letzten Jahren zu verdichten scheinen.

Sowohl auf Grundlage von Informationen institutionalisierter Anbieter als auch auf Basis der M&A Database der Universität St. Gallen lässt sich seit einigen Jahren feststellen, dass die Deals größer werden, ihre Anzahl hingegen kleiner. Diese Entwicklung scheint vorerst stabil und hätte in letzter Konsequenz auch Auswirkungen auf die M&A-Branche selbst.

Des Weiteren lässt sich auch nicht erst seit diesem Jahr ein steigendes Ungleichgewicht bezüglich der Branchen mit M&A-Aktivitäten feststellen: Abgesehen von einigen Mega-Deals werden die „alten“ Branchen hier zunehmend von den „jungen“ Branchen wie Telekommunikation, Elektrotechnik und Healthcare abgelöst.

Die Private-Equity-Branche ihrerseits sieht sich mit rückläufigen Zahlen hinsichtlich attraktiver Targets und – damit einhergehend – steigenden Preisen konfrontiert. Dadurch wird das Branchen-Konzept der Wertschöpfung erschwert. Diese muss daher immer stärker durch operative Maßnahmen kreiert werden, um die gewohnt hohen Renditen weiterhin erhalten zu können.

Fazit

Ob sich die oben genannten Eindrücke erhärten und sich aus einem dieser oder aber aus ihrem Zusammenspiel eine neue Logik und somit auch die 7. M&A-Welle begründen lassen, bleibt abzuwarten. Die aktuellen Marktentwicklungen geben Anlass zu etwas Optimismus. Aber der handfeste Beweis für das Heranwachsen einer neuen Welle fehlt wohl noch. Natürlich besteht für die Unternehmen weiterhin der Druck zu wachsen – doch sie werden durch wenig überzeugende Kaufmöglichkeiten nicht ihre Profitabilität gefährden wollen. So tut die M&A-Branche gut daran, auch die erwähnten Nebenentwicklungen im Auge zu behalten. So kann sie sich gegebenenfalls auf Marktänderungen einzustellen, unabhängig davon, wie positiv sich der Markt entwickelt. Denn wie heißt es in der bekannten Bauernregel noch so treffend: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.


Zu den Personen
Prof. Dr. Günter Müller-Stewens ist Direktor des Instituts für Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen und forscht in den Bereichen des Strategischen und Corporate Managements, Mergers & Acquisitions und Strategy Professionals. Seit 1990 ist er auch Herausgeber der an die Praxis gerichteten Fachzeitschrift M&A REVIEW. Henning Düsterhoff ist Doktorand am Lehrstuhl und Chefredakteur der M&A REVIEW. www.ifb.unisg.ch, www.ma-review.de

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