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„Eine Basarmentalität gibt es in Japan nicht“

Eigentlich wollte der Klebstoffhersteller Delo in Japan gar nicht aktiv werden. Sprachliche Barrieren, die Liebe zu den eigenen Produkten und der starke Wettbewerb ließen die Bayern zunächst zögern. Warum es das Familienunternehmen dennoch dorthin zog. 

Unternehmeredition: Herr Saller, Delo produziert Klebstoffe. Mit UHU, Pattex und Pritt hat das allerdings weniger was zu tun.

Saller: Das stimmt. Uhu und Pattex sind eher für den Hausgebrauch. Aber das ist auch das Problem: Wir finden wenige Leute, die aus der Schule oder von der Universität kommen und Ahnung vom Kleben haben. Deswegen müssen wir unsere Kollegen meist selbst ausbilden.

In der Industrie sind Klebstoffe nicht wegzudenken. Warum?

Es gibt zwei Haupttrends: Der eine ist, dass man zwei unterschiedliche Materialien miteinander verbindet, etwa Metalle und Kunststoffe. Macht man das mit einer Schraube oder einer Niete, gibt es immer Spannungsspitzen. Dazu kommt der Trend zur Miniaturisierung. Nehmen Sie Smartphones: Deren Minilautsprecher bestehen aus vielen Teilen. Anders als mit Kleben bekommen Sie die gar nicht miteinander verbunden.

Dann verkaufen Sie Ihr Material auch nicht tonnenweise?

Chemische Forschung: Sie bildet die Grundlage für die Zusammensetzung der Klebstoffe.

Die großen Mengen verkaufen andere. Wir kommen immer dann ins Spiel, wenn es um kleine Mengen pro Bauteil, jedoch um hohe Stückzahlen geht. Groß geworden sind wir mit Chipkarten. Bei diesen wird der Chip aufgeklebt und danach vergossen. Für andere Klebstoffhersteller etwa war der Anwendungsbereich in diesem frühen Stadium nicht attraktiv genug. Das ist auch Teil unserer Strategie. Wir gehen dorthin, wo etwas entstehen könnte, sich aber noch nicht so viele Wettbewerber tummeln. So wollen wir uns am Markt einen Vorsprung erarbeiten.

Rund drei Viertel des Umsatzes erwirtschaften Sie im Ausland. Seit 2004 sind Sie bereits in Asien, vor allem in China läuft es gut. Was veranlasste Sie damals, Richtung Osten zu ziehen?

Viele unserer Kunden zog es damals dorthin. Das waren vor allem deutsche Firmen, die dort Niederlassungen gründeten. Inzwischen haben wir mehr chinesische Kunden. Waren vor Jahren europäische Unternehmen Marktführer etwa für Minilautsprecher, gibt es mittlerweile zehn chinesische, die den Markt beherrschen.

Vor Kurzem gaben Sie bekannt, dass Sie eine Niederlassung in Japan gegründet haben. Warum wollen Sie gerade in diesem hart umkämpften Markt Fuß fassen?

Wir hatten eigentlich nicht vor, nach Japan zu gehen. Der Markt ist abgeschottet, die sprachlichen Hürden sind hoch, und die Affinität, eigene Produkte einzusetzen, ist nach wie vor ungebrochen. Japan ist aber eines der drei führenden Hightechländer. Gerade in unseren Kernmärkten Elektronik und Automotive sind japanische Firmen weit vorne. Nicht dort aktiv zu sein heißt viele Möglichkeiten ungenutzt zu lassen.

Warum haben Sie sich dennoch für das Land entschieden?

Ein Auslöser war das Erdbeben in Fukushima. Mehrere Wochen konnten einige heimische Unternehmen nicht mehr produzieren. Ware musste vom Ausland bezogen werden, nach und nach öffnete sich das Land. Gleichzeitig haben Kunden aus den USA ihren Lieferanten in Japan vorgeschrieben, unsere Produkte zu verwenden. So kam eins zum anderen.

Eigentlich wollte der Klebstoffhersteller Delo in Japan gar nicht aktiv werden. Sprachliche Barrieren, die Liebe zu den eigenen Produkten und der starke Wettbewerb ließen die Bayern zunächst zögern. Warum es das Familienunternehmen dennoch dorthin zog. 

Wie sind Sie konkret vorgegangen?

Eigentlich wie immer: Wir suchten uns einen Vertriebspartner, was ziemlich lange dauerte, da wir ein hohes Anforderungsprofil bei der Auswahl unserer Partner ansetzen. Dieser sollte nicht zu groß und keinem Konglomerat zugehörig sein, was in Japan eher selten ist. Wir haben anschließend einen japanischen Vertriebsingenieur eingestellt und dann angefangen, mit ihm das Tochterunternehmen aufzubauen. Momentan haben wir zwei Mitarbeiter in Yokohama und suchen weitere.

Haben Sie konkrete Ziele?

Betreten wir einen neuen Markt, vermeiden wir zu hohe Erwartungshaltungen. Klar ist, dass wir zunächst investieren müssen, bevor wir ernten können.

Japan ist ein Hochlohnland, kämpft mit der Überalterung und ist sehr arbeitsteilig. Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen.

Dafür ist die japanische Kultur nicht so weit von unserer entfernt, und die Menschen sind sehr umgänglich. Allerdings haben sie komplett verschiedene Verhandlungstaktiken.

Inwiefern?

Eine Basarmentalität, wie sie in China herrscht, gibt es in Japan nicht. Wird ein Preis genannt, ist dieser kaum verhandelbar. Außerdem sind Japaner sehr detailverliebt und wollen alles beantwortet haben, auch wenn es weit über den eigentlichen Zweck hinausgeht. Darauf muss man sich einstellen.

Welche Besonderheiten gibt es außerdem?

Die Zahlungsziele dort sind sehr lang. 120 bis 180 Tage sind nicht ungewöhnlich. Das ist wohl auch ein Grund, weswegen bei den vielen Konglomeraten auch immer eine Bank mit dabei ist. Es gibt in Japan auch Anspruch auf 100 Tage Urlaub – den nimmt allerdings niemand.

Wollen die Menschen dort überhaupt bei einem deutschen Familienunternehmen arbeiten?

Bislang waren sie tatsächlich lieber bei einem japanischen Konzern beschäftigt. Doch mussten auch diese sich von Mitarbeitern trennen. Das führte in den vergangenen Jahren zu einem Bruch in der Wahrnehmung. Passende Mitarbeiter zu finden, die auch Englisch sprechen, ist allerdings nach wie vor nicht einfach.

Wo lassen die Japaner ihre Produkte produzieren?

Vor allem in Vietnam und Thailand. Dort findet man sehr viele japanische Unternehmen. Mit einem Vertriebspartner in Vietnam sind wir gerade in Verhandlungen.

Umsatzseitig läuft es in China besser als in Deutschland. Ist das Geschäft dort so stark oder schwächelt es hierzulande?

In Deutschland wachsen wir sehr solide, im Durchschnitt mit acht Prozent. Stark sind der Maschinenbau, die Fahrzeugindustrie und die Luftfahrt. In diesen Segmenten dauerte es zwar länger, bis man ein Geschäft generiert. Ist der Fuß jedoch erst mal in der Tür, währen die Aufträge länger. In Asien ist das Geschäft volatiler, das Auftragsvolumen dafür größer. Dort sind wir sehr elektroniklastig unterwegs.

Eigentlich wollte der Klebstoffhersteller Delo in Japan gar nicht aktiv werden. Sprachliche Barrieren, die Liebe zu den eigenen Produkten und der starke Wettbewerb ließen die Bayern zunächst zögern. Warum es das Familienunternehmen dennoch dorthin zog. 

Profitieren Sie vom Trend hin zu Elektroautos?

Spannend wird es für uns immer dann, wenn sich Dinge verändern und es Technologiebrüche gibt. Dann haben wir die Möglichkeit, unsere Lösungsansätze vorzustellen.

Wird Ihr Auslandsanteil künftig noch höher?

Mit Sicherheit gehen davon aus, dass vor allem die Nachfrage aus Asien weiter steigt. Ein nächster Schritt wird sein, weitere dezentrale Lager aufzubauen, um schneller liefern zu können und auch um die Transportkosten zu reduzieren. Allerdings wollen wir die Produktion und das Know-how weiterhin in Deutschland halten.

Produktion in Windach: Die Rezepturen sind streng geheim.

Auch um sich vor chinesischen Plagiaten zu schützen. Sind die Zeiten des Kopierens nicht vorüber?

Wir haben keine Angst davor, dass uns jemand das Geschäft wegnimmt. Passiert jedoch mit einem gefälschten Klebstoff ein Unglück in einem sicherheitsrelevanten Bereich, wird unser Name beschädigt. Deswegen verweisen wir darauf, die Produkte nur bei uns oder einem unserer Händler zu kaufen.

Ihre Rezepturen sind streng geheim. Kennen Sie diese?

Nein, lediglich unsere Entwickler kennen sie. Allerdings gibt es in der Firma niemanden, der von der Rezeptur über die Herstellmöglichkeiten bis zur Verwendung sämtliche Informationen besitzt. Und zum Glück ist die Rate derjenigen, die großes Wissen haben und uns verlassen wollen, extrem gering.

Sie haben sehr viele verschiedene Klebstoffe im Angebot. Gibt es nicht den einen Superkleber, der alles kann?

Den kann es nicht geben. In unseren kühnsten Träumen können wir uns ein Ende der Entwicklungsmöglichkeiten nicht vorstellen. Allerdings wissen auch wir nicht, wohin die Reise geht. Das entscheidet letztlich der Kunde.

Haben Sie keine Sorge, dass es künftig ein Ersatzmaterial gibt, das den Kleber ersetzen kann?

An der einen oder anderen Stelle wird es dieses sicherlich geben. Aber es gibt zu jeder guten Lösung immer Alternativen, und so sind wir uns sicher, dass Kleben auch in 20 Jahren noch eine dominante Verbindungstechnik sein wird.


Zur Person

Seit Januar dieses Jahres ist Robert Saller Geschäftsführer bei der DELO Industrie Klebstoffe GmbH & Co. KGaA. Er verantwortet den internationalen Vertrieb, das Produktmanagement und die Gerätetechnik. Bereits seit 1990 ist er im Unternehmen tätig. Sämtliche Klebstoffe produziert das Unternehmen in Windach bei München. Insgesamt beschäftigt Delo rund 560 Mitarbeiter, die meisten davon am Stammsitz. Dort planen die Bayern auch einen neuen Produktionsstandort, der 2019 fertiggestellt werden soll. Im abgelaufenen Geschäftsjahr (31.03.2017) erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von 95 Mio. Euro. In diesem Jahr streben die Bayern rund 125 Mio. an – drei Viertel davon erzielen sie im Ausland.

www.delo.de

 

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