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Ein Banker mit Herz

Der Tag, an dem Jörg Woltmann beschloss, die KPM zu kaufen, war denkwürdig. Seine Berater waren dagegen, und wenn, dann solle er das Unternehmen doch geordnet aus der Insolvenz heraus kaufen. Doch Woltmann hörte auf sein Gefühl.

Vor 2005 hatte Jörg Woltmann keinen besonderen Bezug zur Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM) in Berlin. Auch fühlte er sich als Gründer und Vorstand einer Kreditanstalt für Beamte in seinem Bankerleben pudelwohl. Noch sieben Jahre, und er würde in den Aufsichtsrat wechseln. Aber ein Berliner Traditionsunternehmen wie die KPM, insolvent? Vermutlich noch der Verkauf an ausländische Investoren? Nein. Nach zwanzig Minuten Bedenkzeit trat er vor seine verdutzten Berater. „Dieses Unternehmen wird niemals zahlungsunfähig sein“, verkündete er.

Diese Entscheidung bezeichnet Woltmann, 68, elegante Erscheinung mit Dreiteiler und Diamantring am kleinen Finger, noch heute als eine der wichtigsten seines Lebens. Denn wäre die KPM insolvent gegangen, wäre wieder nicht klar gewesen, was mit ihr geschieht und wer Herr im Hause ist. Und genau das war es doch, was ihr die Jahre zuvor die ganzen Probleme eingebracht hatte: Neun Geschäftsführer in zwölf Jahren, keine einheitliche Strategie, der Außenauftritt zerfasert. Als Staatsunternehmen, nach der Wende mit Krediten der Berliner Landesbank am Leben gehalten, wurden Export oder Marketingstrategien sträflich vernachlässigt. Bis 2000 liefen so 85 Mio. DM Schulden auf.

Teegedeck von KPM: Das Unternehmen legt viel Wert auf Tradition.(© KPM Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin GmbH)

2004 entschied die Investitionsbank Berlin, mittlerweile Eigentümerin, die Traditionsmanufaktur zu privatisieren. So kam Woltmann ins Spiel. Ein Investorenkonsortium um den Prinz von Preußen trat an ihn heran und fragte nach einem Kaufkredit. Woltmann, verwundert, musste absagen. „Überhaupt nicht unser Geschäft“, sagt der Berliner. Als ihm wenige Tage später zu Ohren kam, dass auch chinesische Investoren zum Zuge kommen könnten, wurde er hellhörig. Er gewährte den Kredit – noch am selben Abend verstritten sich die neuen Eigentümer. Woltmann, hin und her gerissen, schritt schließlich selbst ein. „Man muss auf dieser Erde ein Stück weit Gutes tun“, sagt er beherzt.

40 Millionen seines eigenen Vermögens steckte er im Lauf der Jahre in die Manufaktur. „Das ist viel“, gibt er zu, aber Geld anhäufen allein mache schließlich auch nicht glücklich. Und die KPM macht ihn glücklich. Dabei war er gar kein besonderer Fan des Unternehmens. Wie bei vielen Berliner Familien war sie das Standardgedeck für jeden Sonntag. Als er mit Ende zwanzig sein erstes Unternehmen, einen Autohandel, verkaufte, leistete er sich neben Rolls Royce und teurer Armbanduhr ein siebzigteiliges Kurland-Service. Aber ausgewiesener KPM-Kenner oder gar Sammler? Das war Woltmann nicht. Aber er mag Luxus, das gibt er zu. „Wenn man Geld ehrlich verdient hat, kann man es auch ausgeben“, ist er überzeugt. Das überträgt er auch auf die KPM: Konsequent baute er sie wieder zur Luxusmarke aus.Der Tag, an dem Jörg Woltmann beschloss, die KPM zu kaufen, war denkwürdig. Seine Berater waren dagegen, und wenn, dann solle er das Unternehmen doch geordnet aus der Insolvenz heraus kaufen. Doch Woltmann entschied mit Herz.

Woltmann übernahm sie für 13,5 Mio. Euro. Einzige Bedingung: Die Immobilien, die zuvor zur Schuldentilgung an das Land Berlin gegangen waren, kaufte er zurück. Ohne die teuren Mietausgaben sollte sich die Manufaktur Stück für Stück erholen. Inhaltlich führte er KPM auf das zurück, was die Manufaktur am besten kann: „Porzellan“, sagt er knapp. „Mein Ziel ist nicht, die größte Porzellanmanufaktur zu sein, sondern die beste.“ Also keine Zweitlinien mehr, das Angebot nicht zu stark ausweiten. Er positioniert KPM klar im obersten Preissegment. Andere Manufakturen gehen da andere Wege. Meissen zum Beispiel, von Tradition und Handwerkskunst vergleichbar, bietet mittlerweile auch Schmuck, Brautkleider und Handtaschen an. Alles sehr hochwertig zwar, aber als Porzellanmanufaktur? „Das muss jeder selbst wissen“, meint Woltmann, sein Weg sei das nicht.

Service Kurland: Die Tassen sind ab 280 Euro zu haben. (© KPM Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin GmbH)

Und er ging die Auslandsmärkte an. Mittlerweile gibt es das preußische Porzellan in 16 Ländern zu kaufen, darunter Taiwan, Aserbaidschan und die Vereinigten Arabischen Emirate. Hier findet sich auch das zahlungskräftigere Publikum. In einer exklusiven Serie haben die Porzellanspezialisten mal Vasen in monatelanger Handarbeit bemalen lassen. Der deutsche Verkaufspreis hätte bei etwa 65.000 Euro gelegen. „So etwas hier zu verkaufen, ist schon schwierig“, gibt Woltmann zu. In Taiwan gingen fünf Stück davon an einem Tag weg, für jeweils 130.000 Euro. Auch die Kooperationen, die er mit Bugatti und Rolls Royce gestartet hat, sind eher für die Auslandsmärkte bestimmt. Ein mit Porzellanemblemen ausgestatteter Sportwagen geht dort schon mal für 1,5 Mio. Euro weg.

Doch natürlich will Woltmann auch den deutschen Markt wieder stärker für Porzellan interessieren. „Viele leisten sich Küchen für zehntausende Euro, aber essen von minderwertigem Porzellan.“ Auch wünschten sich nur noch wenige Verlobte Hochzeitstische zur Vermählung. Um das zu ändern, will er die Tischkultur in Deutschland stärken. Geschehen soll das über Marketing- und PR-Kampagnen in Magazinen und Zeitschriften. Auch die internationalen Kooperationen helfen, hochwertiges Porzellan wieder mehr im Alltag zu verankern. Bottega Veneta startete eine Sonderedition an Taschen und Schmuck mit KPM-Emblemen. Die war nach einem Tag ausverkauft. Schwarze Zahlen schreibt die Berliner Manufaktur zwar bis heute nicht. Glaubt man Woltmann, ist sie aber kurz davor. „Ich bin überzeugt, dass ich sie mit dieser Strategie zum wirtschaftlichen Erfolg führen werde.“

Mit einer Neidkultur konnte er noch nie etwas anfangen. Liegt vielleicht auch daran, wie er selbst aufgewachsen ist: Mit dem Allernötigsten im Nachkriegsberlin, die alleinerziehende Mutter hielt die junge Familie mit Näharbeiten über Wasser. Als Selbstständige, schnell konnte sie expandieren. Dennoch waren Nähsitzungen bis zwei Uhr nachts die Regel. „Noch heute sehe ich, wie sie mit ihren Handschuhen da sitzt und friert“, sagt Woltmann. Er und sein Bruder waren von vornherein in den Geschäftsablauf eingebunden. Von der Mutter hat er auch den unbedingten Unternehmergeist. Und der regte sich, als es um die KPM ging.


Zur Person

(© KPM Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin GmbH)

Jörg Woltmann ist seit 2005 Eigentümer der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM) Berlin GmbH. Das war so nicht geplant: Woltmann ist eigentlich Banker, Anfang der siebziger Jahre gründete er mit einem Partner die Allgemeine Beamten Kasse Kreditbank AG, deren Vorstand und Alleinaktionär er heute ist. An KPM faszinierte ihn die mehr als 250-jährige Geschichte. Und die Tatsache, dass er eine der ältesten Luxusmarken der Welt kaufen konnte. www.kpm-berlin.com

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