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Vom Schwarzwald nach China

Grundsteinlegung im chinesischen Jintan im August: Ab 2020 sollen hier Produkte der Leistungselektronik und sogenannte Embedding-Anwendungen hergestellt werden

Grundsteinlegung im chinesischen Jintan im August: Ab 2020 sollen hier Produkte der Leistungselektronik und sogenannte Embedding-Anwendungen hergestellt werden.

Als börsennotiertes Familienunternehmen setzt die Schweizer Electronic AG auf globale Partnerschaften und den Aufbau internationaler Produktionskapazitäten. Die Wachstumstrends bedient das Unternehmen durch sogenannte Embedding-Technologie.

Die Schweizer Electronic AG aus Schramberg arbeitet in einer Region, die von außen häufig noch immer als verlängerte Werkbank von Daimler und Bosch betrachtet wird. „Wenn die in Stuttgart Husten haben, liegt der Schwarzwald mit Lungenentzündung flach“ lautet ein Standardspruch. Deshalb kommt Nicolas Schweizer natürlich mit einem – Trommelwirbel und Tusch – Tesla zur Arbeit. Der für den Vorstand reservierte Parkplatz verfügt über einen eigenen Ladeanschluss mit dem stilisierten „T“ auf der Abdeckung. „Wir sind überzeugt, dass der technologische Wandel in der Mobilität noch viel schneller erfolgen wird, als viele das derzeit erwarten“, kleidet Schweizer seinen Ausblick in diplomatische Worte. Die Wahl der Automarke und der Antriebsart sind daher durchaus ein Statement.

Selbstbeschreibung keine PR-Prosa

Der Jurist arbeitet seit 2011 als Familienvorstand in sechster Generation in dem 1849 gegründeten Unternehmen. Mit technologischem Wandel kennt man sich bei Schweizer aus. Seinen ersten Wachstumsschub erlebte das Unternehmen mit der Produktion von Zifferblättern für die Uhrenindustrie. Einige Jahrzehnte später kamen Metallschilder, Skalen für Präzisionsgeräte wie Waagen und Messeinrichtungen hinzu.

1936 startete die Produktion von Ätzschildern für Skalen und Frontplatten. Damit war der Einstieg in die Nasschemie vollbracht. Dieses Know-how führte gut 20 Jahre später zur Fertigung einseitiger Leiterplatten. Heute ist das Unternehmen drittgrößter Leiterplattenhersteller in Europa und steht selbstredend „für eine der modernsten Fertigungsstätten hochkomplexer Leiterplatten“, wie es im Firmenporträt heißt. Dass diese Einschätzung keine PR-Prosa ist, eröffnet sich dem Besucher während eines Rundganges durch die Produktion. Insbesondere die Laserbearbeitung der Platten verdeutlicht das Produktionswissen.

Doch wie sichert man die Zukunft eines Familienunternehmens, das auf einer Hochebene, dem Sulgen, oberhalb der Fünftälerstadt Schramberg liegt? Internationalisierung lautet ein Schlüsselwort, internationale Partnerschaften ein weiteres. Und schließlich setzt Schweizer Electronic darauf, künftige Trends nicht nur als Hersteller, sondern auch als Systemlieferant für weiteres Wachstum zu nutzen. Internationale Partnerschaften bestehen seit 2009 durch eine Überkreuz-Beteiligung mit der japanischen Meiko Electronics sowie seit 2014 durch den Einstieg von WUS Printed Circuits (China und Taiwan). Und angesichts des globalen Footprints der im DAX notierten Infineon Technologies AG geht auch die knapp zehnprozentige Beteiligung des ehemaligen Siemens-Ablegers als international durch. Bereits 1982 hatte Schweizer zu den ersten Mittelständlern gezählt, die in Asien ein Joint Venture eingegangen waren: Die Pentex-Schweizer Circuits Ltd. produzierte in Singapur Leiterplatten. Mit der strategischen Entscheidung, sich ausschließlich auf anspruchsvolle Produkte zu konzentrieren, erfolgte 2004 der Verkauf der Pentex-Anteile an die Sanmina Group.

Als börsennotiertes Familienunternehmen setzt die Schweizer Electronic AG auf globale Partnerschaften und den Aufbau internationaler Produktionskapazitäten. Die Wachstumstrends bedient das Unternehmen durch sogenannte Embedding-Technologie.

Eigenes Produktionswerk in China

Den größtmöglichen Internationalisierungsschritt geht das Unternehmen allerdings aktuell, denn im August erfolgte die Grundsteinlegung für eine neue Hochtechnologie-Produktionsstätte in Jintan, das in der chinesischen Provinz Jiangsu liegt. Auf einer Produktionsfläche von insgesamt 90.000 m² sollen ab 2020 insbesondere Leistungselektronik- und Embedding-Anwendungen  für den Automotive-Sektor hergestellt werden. Embedded, übersetzt „eingebettet“, bedeutet die Integration von aktiven und passiven Bauelementen in die Leiterplatte. Damit kann Schweizer neuartige Lösungen für Elektromotoren, Gleich- und Wechselstromwandler und das induktive Laden mit signifikanten Systemvorteilen anbieten.

Kupferbad: Heute ist das Unternehmen drittgrößter Leiterplattenhersteller in Euorpa.

Nach der Bauphase erfolgt der Aufbau der neuen Fertigungskapazitäten in drei Anlaufphasen mit einer Kapazität von je 1.200 m² Leiterplattenfläche/Tag. Damit entspricht jede dieser Anlaufphasen der heutigen Produktionskapazität des Werks in Schramberg. Die Investitionskosten betragen insgesamt rund 150 Mio. Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren und ermöglichen es so dem Unternehmen, seinen Umsatz auf bis zu 500 Mio. Euro zu steigern.
Zur Finanzierung der ersten Bauphasen wurden zwei Bankenkonsortien in Deutschland und China gebildet, die Kreditlinien von 120 Mio. US-Dollar zur Verfügung stellen.

„China und Asien sind große Wachstumsmärkte für die Megatrends der Automobilindustrie, E-Mobilität und autonomes Fahren. Jedoch können wir nur dann in China Erfolg haben, wenn wir dort auch eine eigene Produktionsstätte betreiben“, begründet Nicolas Schweizer das Engagement. Daher sei diese Investition das Sprungbrett für den Markteintritt nach China und Asien. „Mit der zusätzlichen Produktionsstätte in Jintan ist es möglich, nicht nur das Wachstumspotenzial aus dem bestehenden Kundenstamm auszuschöpfen, sondern auch neue Kunden und Märkte in Asien sowie auf globaler Ebene zu erschließen.“

Zudem stehe Schweizers neue Produktlinie Embedding kurz vor dem Durchbruch. „Die erwartete Nachfrage für diese Technologie ist so groß, dass wir früh genug in ausreichende Kapazitäten investieren müssen. Dies soll neben dem Stammwerk in Schramberg auch in China erfolgen.“

Als börsennotiertes Familienunternehmen setzt die Schweizer Electronic AG auf globale Partnerschaften und den Aufbau internationaler Produktionskapazitäten. Die Wachstumstrends bedient das Unternehmen durch sogenannte Embedding-Technologie.

Argumente für den neuen Standort

Bei alledem müssen natürlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hierzulande mitgenommen werden. „Sie waren schon ein bisschen skeptisch, als wir anfingen, die Erweiterung unserer Produktionskapazitäten in einem Best Cost Country intern zu thematisieren“, räumt Schweizer ein. Letztlich sei jedoch die Notwendigkeit auch im Hinblick auf die hohen Auftragsbestände und die langen Lieferzeiten für die meisten im Unternehmen sichtbar gewesen. Allein durch die Partnerschaften in Asien sei dies nicht aufzufangen gewesen.

Schweizer ist überzeugt, dass die Investition in China auch den Standort Schramberg sichert. „Die Innovationen, die durch unsere Ingenieure entwickelt wurden, können durch ein intelligentes Zusammenspiel von Schramberg und China zu einem größeren Erfolg führen.“ Schweizer erhofft sich, für die internationale Kundschaft interessanter zu werden.

Dies alles seien Argumente, die auch in der Belegschaft und beim Betriebsrat auf Gehör und Verständnis gestoßen seien. „Darüber hinaus bauen wir auch den Standort Schramberg gerade in einen Hochtechnologiestandort für das Chip-Embedding um und investieren hier umfangreich seit mehreren Jahren. Das bedeutet auch, dass wir weiterhin hochqualifizierte Mitarbeiter hier auf dem Sulgen brauchen.“

Welche Zukunftsbranchen im Fokus stehen

Der Aufbau des neuen Geschäftsbereichsystems ist zusammen mit der Internationalisierung die logische Konsequenz steigender Kundenanforderungen, Erfahrung, zunehmenden Know-hows sowie der neuen Lösungsmöglichkeiten durch Embedding-Technologien. Ein umfangreiches Lösungsportfolio und das Fertigungs-Know-how versetzen Schweizer in die Lage, die Wertschöpfung weiter zu erhöhen und dadurch die Leistung von Systemen  zu verbessern. Für solche Lösungen besteht ein wachsender Bedarf in vielen Branchen, ganz besonders jedoch in der Automobilindustrie, etwa für Anwendungen im Bereich E-Mobilität. Ähnlich verhält es sich bei Hochstrom-Anwendungen, die auch im Industriebereich zunehmend gefragt sind.


 

Zur Person

Nicolas-Fabian Schweizer leitet seit 2011 in sechster Generation das börsennotierte Familienunternehmen Schweizer Electronic AG zusammen mit seinen beiden Vorstandskollegen Rolf Merte und Marc Bunz. Er ist gelernter Jurist und hat vorher bei verschiedenen Unternehmen und an internationalen Standorten gearbeitet.

Zum Unternehmen

Das Unternehmen Schweizer wurde 1849 gegründet. Seit 1989 ist es eine Aktiengesellschaft und in Frankfurt (Xetra) gelistet. Mit 25,59 Prozent ist die Familie Schweizer der größte Einzelaktionär. Der Aufsichtsrat besteht aus sechs Mitgliedern und wird von Michael Kowalski geleitet. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete Schweizer einen Umsatz von 120 Mio. Euro bei einem EBIT von 0,3 Mio. Euro. Die Börsenkapitalisierung betrug zum Geschäftsjahresende Ende Juni rund 70 Mio. Euro.

www.schweizer.ag

 

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