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Papierkünstler vom Tegernsee

Die Gmunder Büttenpapierfabrik produziert ihre Ware auf einer Maschine aus dem vorletzten Jahrhundert. Dennoch gehört das Traditionsunternehmen zu den innovativsten und erfolgreichsten Produzenten der Branche. Oscarpreisträger halten die Umschläge in der Hand und auch der König von Jordanien ist Kunde.

Es ist ein regnerischer Tag am Tegernsee in Gmund. Doch das kann die Idylle hier in Oberbayern kaum trüben. Das Verwaltungsgebäude der Büttenpapierfabrik ist im alpenländischen Stil gebaut. Es riecht nach Holz und ein wenig nach Farbe. Direkt am alten Gebäude fließt die Mangfall. München versorgt sie mit Trinkwasser. Hier sorgt sie überwiegend für die Energiegewinnung. Bis zu 75 Prozent des Stroms wird mithilfe von regenerativer Energie gewonnen, davon mehr als die Hälfte durch Wasserkraft. Seit jeher haben sich Papierfabriken am Wasser angesiedelt. Und seit Langem wird hier feinstes Papier produziert: 1829 gründete Johann Nepomuk Haas die Gmunder Papiermühle. Sein Nachfolger Gregor Fichtner überzeugte das bayerische Königshaus dazu, das Papier zu verwenden. Viel wichtiger war allerdings, dass auch Behörden die Qualität zu schätzen wussten. „Sie nutzten damals das beste Papier, heute ist es genau umgekehrt“, sagt Geschäftsführer Florian Kohler. In der vierten Generation führt er das Familienunternehmen.

Das erste Familienmitglied war der Urgroßonkel Ludwig Kohler. Er erfand das farbige Papier, was damals einer Revolution glich. Kohler war sich sicher, dass nur eingefärbte Materialien Wertigkeit vermitteln. Er sollte recht behalten. Heute sind sie das Brot- und Buttergeschäft der Gmunder Büttenpapierfabrik. Allerdings endete seine Karriere tragisch: er verhedderte sich mit seinem Lodenmantel in der Maschine und verunglückte tödlich.

Fortan führte der Großvater die Geschäfte. Allerdings mehr schlecht als recht. Als Theologe war er branchenfremd, weder Kaufmann noch Papiermacher. Ganz anders der Vater: Er brachte dann in typischer Nachkriegsmanier das Unternehmen in die Spur und erneuerte es. Mitte der 80er-Jahre trat dann Florian Kohler ins Unternehmen ein. Er machte in den darauffolgenden Jahren aus der Gmunder Büttenpapierfabrik einen der bekanntesten Papiermarkenartikler weltweit. Heute beliefert die Manufaktur das Königshaus von Jordanien, stellt die Umschläge für die Oscarverleihung her, produziert für große Luxuskonzerne, aber auch für den Otto Normalverbraucher.

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Die Gmunder Büttenpapierfabrik produziert ihre Ware auf einer Maschine aus dem vorletzten Jahrhundert. Dennoch gehört das Traditionsunternehmen zu den innovativsten und erfolgreichsten Produzenten der Branche. Oscarpreisträger halten die Umschläge in der Hand und auch der König von Jordanien ist Kunde.

Alte Maschine sorgt für neuen Trend

Über einige Stufen geht es im Nachbarhaus in die „heiligen Hallen“ der Gmunder Büttenpapierfabrik. In einem runden, großen Kessel werden die Zutaten für das Papier angerührt. Das Wasser stammt aus der eigenen Quelle. Dazu kommen Stärke, Kalk, Füll- und Zusatzstoffe wie etwa Biertreber, der dem Papier einen speziellen Charakter verleiht. Ein Stockwerk tiefer wird die milchbreiartige Masse dann dem Herzstück des Unternehmens zugeführt: Der Papierherstellungsmaschine aus dem Jahr 1883. Sie ist Europas älteste sich noch im Betrieb befindende Anlage. Chef Kohler nennt sie liebevoll „die Erfahrene“. Deutlich langsamer als die neuen, hochtechnologischen Maschinen läuft sie. Rund 30 Meter pro Minute bringt sie auf die Strecke. Moderne Maschinen sind fünfzigmal so schnell. Doch das ist nicht tragisch. Ganz im Gegenteil: „Aufgrund der Behäbigkeit und der offenen Bauweise lassen sich einzelne Teile einfach austauschen und auch schnell kleinere Mengen vor allem für kreative Produkte herstellen“, sagt Kohler. Auf ihr werden etwa Blöcke produziert, auf denen die Silhouette einzelner Berge am Tegernsee zu sehen ist. „Ein Kassenschlager“, so Kohler. Längst lockt „die Erfahrene“ Touristen an. Gmund bietet Führungen durch die Produktion und den hauseigenen Laden an. Die meisten davon sind ausgebucht.

Farbenspiel: Aus mehr als 100.000 Papiervarianten können Kunden wählen.

Innovation und Kreativität sind es, die das Unternehmen auszeichnen. Kohler will nicht das fünfzigste Notizbuch neu auflegen, sondern Trends setzen. Sie erhalten das Unternehmen seit jeher am Leben. Es sind die Farben, die Muster und die Papiermacherkunst, die viele Kunden vom Produkt überzeugen. Im Kreativlabor entwickelten die Tegernseer zuletzt eine Kollektion aus 48 Farben, die kombinierbar sind und deren Haptik verschieden ist. Kunden können insgesamt aus 100.000 Papiervarianten wählen. Wenige davon sind noch handgeschöpft, die meisten werden maschinell produziert. Doch jedes Blatt Papier, das das Haus verlässt, wird gezählt und geprüft.

Gmund stemmt sich gegen den Markt

Mit dieser Strategie hängt Gmund vor allem große Anbieter ab. Als der Papiermarkt noch gut lief, hatten diese den Vorteil, große Mengen schnell produzieren zu können. Heute ist die Nachfrage nach Papier rückläufig. Hersteller unterbieten sich im Preis und kämpfen ums Überleben. Anders bei Gmund: Unterm Strich blieben immer schwarze Zahlen. „Wir machen zwar das schönste rote Papier der Welt. Allerdings hatten wir noch nie eine Bilanz, wo wir unterm Strich diese Farbe vorgefunden haben“, sagt Kohler und lacht. Das ist erstaunlich, in einem Umfeld, das von der Digitalisierungswelle überrollt wird. Kohler hat dafür eine einfache Erklärung: „Wir sprechen Menschen und Unternehmen an, die sich Gedanken darüber machen, wie sie kommunizieren.“ Dies sind Luxusartikler wie Yves Saint Laurent oder LVMH, aber auch Discounter wie Aldi. Für sie werden Einladungskarten, Verpackungen oder Kataloge produziert. Das Papier kostet ungefähr dreimal so viel wie herkömmliches. Doch soll es letztlich einen wichtigen Beitrag zur Kaufentscheidung eines Produktes leisten. Kohler glaubt sogar, dass er durch die Haptik seiner Papiere für Einladungskarten die Anzahl der Anmeldungen für Veranstaltungen steuern kann. Denn wer wirft schon Einladungskarten mit einem Kaschmiranteil, feinsten Silberpartikeln oder einem Anteil von Torf und Daunen weg?

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Die Gmunder Büttenpapierfabrik produziert ihre Ware auf einer Maschine aus dem vorletzten Jahrhundert. Dennoch gehört das Traditionsunternehmen zu den innovativsten und erfolgreichsten Produzenten der Branche. Oscarpreisträger halten die Umschläge in der Hand und auch der König von Jordanien ist Kunde.

Von wegen verstaubt

Über zu wenige Zusagen für ihre Hochzeit musste sich Yahoo-Vorstandschefin Marissa Mayer sicherlich keine Gedanken machen. Dennoch kam auch die Internet-Managerin aus dem Silicon Valley nach Gmund, um sich persönlich die Einladungskarten auszusuchen. Kohler war dann auch zur Feier eingeladen – und ließ sich diese nicht entgehen. Sein prestigeträchtigstes Geschäft ist das mit den goldenen Umschlägen für die Oscarverleihung. Bereits im fünften Jahr wurden diese am Tegernsee produziert. Eigentlich sollte er sie verschenken, schließlich werden auch Autolimousinen dort kostenlos zur Verfügung gestellt. Doch beharrte der Firmenchef darauf, sie zu verkaufen. Nicht umsonst hätte der verantwortliche Designer keine schöneren Goldumschläge weltweit gefunden. Kohler setzte sich durch.

Geschulter Blick: Jedes Papier wird sorgfältig kontrolliert, bevor es das Haus verlässt.

„Der Vorteil der analogen Kommunikation liegt darin, dass man einen Gang herunterschaltet und zulässt, dass Informationen an einen herantreten“, sagt Kohler. Doch ist er sich auch im Klaren darüber, dass die digitale Welt eine Bedrohung darstellt „Wir leben in einer Revolution, es ist kompletter Sturm an Bord.“ Von zu viel Romantik im Tegernseer Tal hält er wenig. Trotz des stattlichen Alters des Unternehmens sieht sich Kohler eher als Start-up-Unternehmer denn als verstaubten Papierproduzenten. Erst kürzlich ließ er sich das sogenannte Blockerpapier patentieren. Eines, das Fotos realistischer darstellt als herkömmliches Papier. Der Kunde soll die gedruckten Bilder real wahrnehmen können. Sie sollen nicht spiegeln und sich auch nicht wie auf einem Tablet-Display einfach wegwischen lassen.

Fortschrittlicher geworden ist auch die Produktion: Längst laufen die Papierbahnen nicht mehr nur auf der alten Maschine. In den 80er-Jahren legten sich die Spezialisten eine neue Papierherstellungsanlage zu. Noch heute gehört sie zu den modernsten weltweit. Alleine in den letzten drei Jahren investierte Gmund einen siebenstelligen Betrag in zwei Papierschneidemaschinen. „Wie bei Häusern ist es eigentlich egal, wie alt die Maschine ist, da die Grundbausteine dieselben sind“, sagt Kohler.

 

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Die Gmunder Büttenpapierfabrik produziert ihre Ware auf einer Maschine aus dem vorletzten Jahrhundert. Dennoch gehört das Traditionsunternehmen zu den innovativsten und erfolgreichsten Produzenten der Branche. Oscarpreisträger halten die Umschläge in der Hand und auch der König von Jordanien ist Kunde.

Papiermanufaktur Gmund: Tradition trifft Moderne.

Andere Länder, andere Ideen

Der Auslandsanteil beläuft sich mittlerweile auf 75 Prozent des Umsatzes, der insgesamt bei einem mittleren, unteren zweistelligen Millionenbetrag liegt. Genaueres will das Unternehmen nicht verraten. Erst kürzlich war Kohler persönlich bei Zegna, einem italienischen Hersteller von Luxusmode. Zu den großen Industriekunden fahren er und seine Vertriebsmitarbeiter persönlich und stellen die Ware der Marketing- oder der Geschäftsleitung vor. Spezifisch gehen sie die unterschiedlichen Märkte an. Ganz unterschiedlich sind die Wünsche in den einzelnen Ländern. Der Renner in China sind etwa besondere Geldtaschen, die dort an Chinese New Year überreicht werden. Für Gmund ist das ein einträgliches Geschäft. Auch auf Tokios Prunkstraße Ginza ist die Ware vom Tegernsee zu finden. Im Itoya, einem der größten Papierwarengeschäfte der Welt, verkaufen die Japaner auf nahezu jedem der zwölf Stockwerke Papier aus Gmund. Inhaber Akira Ito kam im vergangenen Jahr persönlich nach Bayern und orderte über 200 verschiedene Produkte aus dem Sortiment. Ohnehin rückt der Endkunde immer stärker ins Visier. Im eigenen Laden in Gmund und dem zweiten hinter dem Bayerischen Hof in der Prannerstraße in München werden die Edelpapiere, Blöcke, Couverts und andere Artikel verkauft. Monat für Monat wächst das Bussiness-to-Consumer-Geschäft zweistellig. Und die Ideen im Tegernseer Tal gehen nicht aus. Idyllisch und verstaubt ist anders.

 

 


Kurzprofil Büttenpapierfabrik Gmund GmbH & Co. KG

Gründungsjahr 1829
Branche Papier
Unternehmenssitz Gmund am Tegernsee
Umsatz 2015
unterer zweistelliger Millionenbetrag
Mitarbeiterzahl rund 130

www.gmund.com

 

 

 

 

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