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Drei-Klassen-Gesellschaft

Die Europäische Zentralbank verfolgt eine konsequente Niedrigzins-Politik, bis September 2016 kauft sie zudem Wertpapiere für mehr als 1.100 Mrd. Euro auf. Damit will sie die Inflation anheizen und Wachstum fördern. Viele Mittelständler profitieren von der Geldpolitik der Notenbank. Doch das gilt bei weitem nicht für alle.

Rosige Zeiten für Mittelständler mit Kreditbedarf: Für den Kauf der neuen Maschine wird Fremdkapital benötigt? Kein Problem. Das Firmengebäude kann nur mit Unterstützung der Hausbank erweitert werden? Aber gern. Kaum ein mittelständischer Unternehmer hätte sich im Krisenjahr 2009 träumen lassen, dass es einmal so leicht sein würde, an Finanzierungen zu kommen. „Genauso ist es derzeit aber“, sagt Helmut Müller-Neumayr, Geschäftsführer der Loxxess Pharma GmbH mit Sitz in Regensburg. Das Unternehmen ist auf Pharmalogistik spezialisiert und bietet neben klassischer Lagerhaltung und Distribution verschiedene Dienstleistungen an. So können Produkte etwa mit Beipackzettel versehen oder komplett umgepackt werden. Loxxess übernimmt zudem die Herstellung von Werbematerial und bietet für Kunden sogar Financial Services an. „Wir sind an drei Standorten vertreten und beschäftigen 150 Mitarbeiter“, erklärt Müller-Neumayr. Der Umsatz der Loxxess GmbH lag zuletzt bei 35 Mio. Euro. Das Unternehmen wächst – und investiert.

„Vor einigen Wochen haben wir unsere neue Lagerhalle eingeweiht“, berichtet der Geschäftsführer. Diese hat Loxxess nicht selbst errichtet, sondern mietet sie beim Bauherrn für zehn Jahre an. „Die gesamte technische Ausstattung hat uns aber zwischen drei und vier Mio. Euro gekostet“, sagt Müller-Neumayr. 3,2 Mio. Euro hat das Unternehmen über Kredite finanziert. „Da wir eine Photovoltaikanlage auf dem Dach der Halle installiert haben, konnten wir 800.000 Euro aus dem Sonderprogramm für Energieeffizienz der KfW bekommen“, berichtet Müller-Neumayr. Zu einem sensationell günstigen Zinssatz von 1,35 Prozent und mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Die verbleibenden 2,4 Mio. Euro hat die Loxxess GmbH über einen Kredit bei ihrer langjährigen Hausbank Unicredit finanziert. Der Zins beläuft sich bei einer Laufzeit von fünf Jahren auf 1,45 Prozent.

Es sei überhaupt nicht schwierig gewesen, an die beiden Darlehen zu kommen, berichtet Müller-Neumayr. Ganz im Gegenteil. „Außer bei der Unicredit haben wir noch bei zwei anderen Banken angefragt“, erzählt er. Alle drei Institute hätten ähnliche Konditionen angeboten. „Und bei allen dreien war direkt nach dem ersten Gespräch klar, dass sie uns den Kredit geben würden.“ Anderen Mittelständlern, die Kapital für Investitionen brauchen, rät der Unternehmer, unbedingt den klassischen Weg über die Bankfinanzierung zu gehen. Das sei im Moment sehr leicht. „Sofern man über eine sehr gute Bonität verfügt, sind die Zeiten jetzt besser als je zuvor“, sagt er. Das sei kein Wunder. Die Banken hätten jetzt viel Geld zur Verfügung, das sie gern ausreichen würden. „Aber die Industrie ruft Kredite gar nicht im entsprechenden Maße ab“, weiß Müller-Neumayr.Die Europäische Zentralbank verfolgt eine konsequente Niedrigzins-Politik, bis September 2016 kauft sie zudem Wertpapiere für mehr als 1.100 Mrd. Euro auf. Damit will sie die Inflation anheizen und Wachstum fördern. Viele Mittelständler profitieren von der Geldpolitik der Notenbank. Doch das gilt bei weitem nicht für alle.

In der Tat befindet sich der Markt für Unternehmenskredite derzeit in einer außergewöhnlichen Situation. Um das Wachstum in der Eurozone zu steigern und die Inflation anzuheizen, fährt die Europäische Zentralbank (EZB) eine konsequente Niedrigzins-Politik. Frankfurter Finanzexperten gehen davon aus, dass es noch mindestens zwei Jahre dauern könnte, bis die Notenbank den Leitzins wieder leicht anhebt. Zudem hat EZB-Chef Mario Draghi entschieden, bis September 2016 Staatsanleihen und private Wertpapiere im Wert von mehr als 1.100 Mrd. Euro aufzukaufen. Diese Fakten lassen eigentlich eine wahre Renaissance des traditionellen Bankkredits im deutschen Mittelstand erwarten. Doch davon kann zumindest bei einem Großteil der Unternehmen nicht die Rede sein.

Noch mindestens zwei Jahre Niedrigzins

„Was die Kreditvergabe angeht, so haben wir im Moment eine Art ‚Drei-Klassen-Gesellschaft’“, sagt Dirk Elsner vom Beratungshaus Innovecs GmbH in Zeven. Während Firmen mit einem sehr guten Rating wie die Loxxess GmbH von der aktuellen Geldpolitik der EZB voll profitierten, sei Mittelständlern mit schwächerer Bonität der Zugang zu Bankdarlehen deutlich erschwert. Eine Ursache dafür sind vor allem die strengen Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften von Basel III. Diese drosseln tendenziell extrem die Vergabe von Finanzierungen an Firmen, deren Rating nicht erstklassig ist. „Die dritte Klasse bilden Unternehmen, die von Banken geradezu umworben werden und Finanzierungen zu den günstigsten Konditionen bekämen“, sagt Elsner. Diese bräuchten aber meist überhaupt keine Kredite, weil sie selbst enorm viel Liquidität angehäuft hätten.

Eine aktuelle Analyse, für die die Deutsche Bundesbank 23.000 Jahresabschlüsse untersucht hat, bestätigt Elsners Beobachtungen. Die Studie mit dem Titel „Ertragslage und Finanzierungsverhältnisse deutscher Unternehmen im Jahr 2013” zeigt, dass Firmen sich zunehmend unabhängig von Kreditinstituten finanzieren. „Es ist schon paradox“, sagt Experte Elsner. „2009, als viele Mittelständler händeringend nach Krediten suchten, bekamen sie keine.“ Und heute, da die EZB gezielt Investitionen mit billigem Geld fördern möchte, bräuchten viele mittelständische Firmen dies gar nicht. Einen wesentlichen Grund dafür, dass Banken jetzt auf einem Gutteil ihrer Liquidität sitzenbleiben, sieht Elsner in den Erfahrungen, die Unternehmer 2009 gemacht haben. „Damals waren die Kreditinstitute unheimlich restriktiv“, erinnert er sich. „Da mussten Firmenlenker und Finanzchefs erleben, dass nicht mal die lang vertraute Hausbank einen Kredit prolongierte.“ Diese Enttäuschung wirke nach.

Die Europäische Zentralbank verfolgt eine konsequente Niedrigzins-Politik, bis September 2016 kauft sie zudem Wertpapiere für mehr als 1.100 Mrd. Euro auf. Damit will sie die Inflation anheizen und Wachstum fördern. Viele Mittelständler profitieren von der Geldpolitik der Notenbank. Doch das gilt bei weitem nicht für alle.

„Viele Firmen haben damals um ihre Existenz gefürchtet“, sagt Elsner. „Als es ihnen besser ging, haben sie intensiv darüber nachgedacht, wie sie sich von der Kreditvergabe durch die Banken unabhängiger machen könnten.“ Zudem warf Basel III seine Schatten voraus, was Mittelständler zusätzlich veranlasste, ihr Eigenkapital zu stärken. Mit Erfolg, wie die Untersuchung von Creditrefom „Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand“ vom Herbst 2014 zeigt: Drei von zehn Unternehmen (29,6 Prozent) meldeten eine Eigenkapitalquote von mehr als 30 Prozent und gelten damit als eigenkapitalstark. Das ist der höchste Wert seit Beginn der Erhebung. Auch das KfW-Mittelstandspanel lieferte im Oktober vergangenen Jahres Rekordwerte: Den Zahlen der Förderbank zufolge stieg die durchschnittliche Eigenkapitalquote mittelständischer Firmen im Jahr 2013 von 27,4 Prozent auf 28,6 Prozent. Das ist der größte Sprung seit fast zehn Jahren und ebenfalls ein historischer Höchststand.

Eigenkapitalquoten deutlich stärker

Hinter solchen Werten stecken echte Anstrengungen. „So mancher Unternehmer hat sich Investitionen bewusst verkniffen und stattdessen Liquidität gehortet“, sagt Elsner. Außerdem machten sich Firmenlenker daran, ihr Forderungsmanagement zu professionalisieren, handelten vermehrt Lieferantenkredite aus, statt die Kontokorrent-Linie der Bank in Anspruch zu
nehmen. In Unternehmensgruppen gewann Cash-Pooling an Bedeutung. „So sind zum Teil regelrecht bankähnliche Strukturen entstanden“, erläutert Elsner. Kaum verwunderlich also, dass Unternehmen immer mehr dazu übergehen, sich untereinander Darlehen zu gewähren. „Dieses Modell gibt es nicht nur innerhalb von Firmengruppen“, erklärt Elsner. Auch Unternehmer, die rechtlich vollkommen unabhängig voneinander sind, leihen sich mittlerweile gegenseitig Geld. Manche gründen sogar eigene Banken. So zum Beispiel das Einkaufsbüro Deutscher Eisenhändler GmbH, Wuppertal, mit ihrer ETRIS

Bank. Oder der Laser- und Werkzeugmaschinenbauer Trumpf GmbH & Co. KG im baden-württembergischen Ditzingen. Über die Trumpf Financial Services GmbH bietet das Unternehmen Kunden und Mitarbeitern Finanzdienstleistungen an (siehe Interview S. 28).

Eine eigene Bank hat Ralf Stoffels nicht gegründet. Auch finanziert sich sein Unternehmen, die BIW Isolierstoffe GmbH mit
Sitz im nordrhein-westfälischen Ennepetal, nicht völlig unabhängig von Bankkrediten. „Ich halte das eigentlich für das richtige Modell“, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter. Von seinem Vater habe er gelernt, dass „man Geld erst verdient
und dann ausgibt“. Daher habe die Firma, seit er 1986 zunächst als kaufmännischer Leiter eingestiegen ist, Investitionen auch überwiegend aus dem Cashflow getätigt. Fünf Prozent des Umsatzes fließen jährlich in neue Maschinentechnik, Produktionsprozesse und in die Organisation. Heute produziert die BIW GmbH unter anderem temperaturflexible Dichtungselemente und Kabelschutz-Systeme aus Silikonkautschuk und Glasseide. Diese kommen in Haushaltsgeräten ebenso zum Einsatz wie im Airbus A380 und im ICE. Als Stoffels 1986 anfing, zählte das Unternehmen 45 Mitarbeiter, heute sind es 400. Der Umsatz liegt bei 62 Mio. Euro.

Die Europäische Zentralbank verfolgt eine konsequente Niedrigzins-Politik, bis September 2016 kauft sie zudem Wertpapiere für mehr als 1.100 Mrd. Euro auf. Damit will sie die Inflation anheizen und Wachstum fördern. Viele Mittelständler profitieren von der Geldpolitik der Notenbank. Doch das gilt bei weitem nicht für alle.

Für ihre jüngste Investition hat die BIW GmbH nun doch einen Kredit in Anspruch genommen. „Wir haben ein neues Zentrum für Forschung und Entwicklung aufgebaut“, sagt Stoffels. Kostenpunkt: eine Summe in zweistelliger Millionenhöhe. Einen Teil davon hat Stoffels über ein Darlehen der lokalen Hausbank finanziert. Das war nicht schwierig. „Das Institut hat unsere stabile Entwicklung ja über all die Jahre mitbekommen“, erzählt der Gesellschafter-Geschäftsführer. Nicht zuletzt deswegen habe er sehr gute Konditionen bekommen. „Hätten wir mit einem Institut in Frankfurt verhandelt, wäre es vielleicht komplizierter geworden, denn dort kann niemand unsere Geschäftszahlen so beurteilen wie unsere Hausbank“, sagt Stoffels. Aber selbst dann hätte die BIW GmbH vom aktuell niedrigen Zinsniveau profitiert. Die Geldpolitik der europäischen
Notenbank ist bei der BIW angekommen. „Ich hätte zwar sowieso investiert“, sagt Stoffels. So konnte das Unternehmen jedoch schneller und günstiger wachsen und Arbeitsplätze schaffen.

Geldpolitik der EZB kommt an

Investieren, wachsen, Arbeitsplätze schaffen: Das hat auch die Springtec-Group geschafft. „Wir sind gut durch die Krise
gekommen“, sagt Knut Schuster, Geschäftsführer der Schrimpf & Schöneberg GmbH & Co. KG mit Sitz in Hagen. Bereits 2007 hatte sich das Unternehmen mit der C.W. Hanebeck Söhne GmbH, Iserlohn, und der Friedhelm Nüsken GmbH, Halver, zur Springtec-Group zusammengeschlossen. Seit 2010 gehört die Löw GmbH in Mauer bei Heidelberg als viertes Mitglied dazu. „In den Krisenjahren 2009 und 2010 haben wir auf Kurzarbeit gesetzt und niemanden entlassen“, berichtet Schuster. So konnte Springtec die Produktion schnell wieder hochfahren, als die Konjunktur anzog. Heute beschäftigt die Springtec Schrimpf & Schöneberg 100 Mitarbeiter und schreibt einen Umsatz von zehn Mio. Euro.

„Wir produzieren technische Federn sowie Stanz- und Biegeteile in erster Linie für die Automobilindustrie“, sagt Schuster. Zudem ist Springtec darum bemüht, sich ständig weitere Branchen wie die Medizintechnik zu erschließen. Das gelingt so gut, dass das Unternehmen gerade erst erweitert hat. „Wir haben unsere Produktion um eine 2.500 Quadratmeter große Fertigungshalle in Iserlohn ergänzt“, sagt Schuster. Finanziert hat Springtec die Investition größtenteils aus dem Cashflow. „Für einen Teil haben wir einen klassischen Bankkredit aufgenommen“, sagt der Geschäftsführer. Das historisch niedrige Zinsniveau wertet er als echte Chance für Unternehmen, die über ein gutes Rating verfügen und wachsen möchten. „Man sollte das auf jeden Fall mitnehmen“, rät der Unternehmer. „Investieren muss man genau jetzt.“

Die Europäische Zentralbank verfolgt eine konsequente Niedrigzins-Politik, bis September 2016 kauft sie zudem Wertpapiere für mehr als 1.100 Mrd. Euro auf. Damit will sie die Inflation anheizen und Wachstum fördern. Viele Mittelständler profitieren von der Geldpolitik der Notenbank. Doch das gilt bei weitem nicht für alle.

Prof. Dr. Gerd Grube, Geschäftsführer und Mitinhaber der carat robotic innovation GmbH in Dortmund, sieht das etwas anders. „Wir haben unser Unternehmen 1992 als Spin-off der Uni Dortmund gegründet“, sagt er. Die Idee, die dahinter stand: Robotersystemen das Schleifen und Polieren von Freiformflächen oder die Präzisionsbearbeitung „beizubringen“. Heute zählt carat Automobilhersteller wie BMW und Porsche zu seinen Kunden. Mit 44 Mitarbeitern erzielten die Dortmunder zuletzt einen Umsatz von zehn Mio. Euro. „Wir investieren seit 20 Jahren ständig in neue Märkte, neue Technologien und Produkte“, sagt Grube. Angesichts der schnellen technologischen Entwicklungen in der Robotik-Branche sei dies unverzichtbar. Mit den aktuell niedrigen Zinsen habe das aber nichts zu tun. „Unternehmen sollten sich immer fragen, ob eine Investition wirklich Nutzen bringt oder nicht“, erklärt Grube. Fremdkapital ins Unternehmen zu stecken, nur weil Kredite gerade so günstig sind, hält er schlichtweg für Unsinn.

Heikles Thema Kredit

Viel stärker fällt aber ins Gewicht, dass so mancher Mittelständler, der sehr gern in Wachstum investieren würde, das günstige Zinsniveau gar nicht nutzen kann“, erklärt Experte Elsner. So wie Bernhard Schretzmaier. Im März 2008 haben er und sein Geschäftspartner die Kastner & Callwey Druck GmbH im oberbayerischen Forstinning aus der Insolvenz heraus gekauft. „Wir haben damals eine Auffanggesellschaft – die Kastner & Callwey Medien GmbH – gegründet und uns bemüht, nach dem Betriebsübergang so wenige Mitarbeiter zu entlassen wie möglich“, berichtet der Geschäftsführer. Die wesentlichen Firmen-Assets, allem voran Maschinen, haben der Insolvenzverwalter und die Banken mitgenommen. „Mein Mitgesellschafter und ich haben hier im Grunde nur noch Metallschrott vorgefunden“, sagt Schretzmaier. Trotzdem gelang nach dem Neustart der Turnaround. Heute beschäftigt die Druckerei 48 Mitarbeiter und schreibt im siebten Geschäftsjahr einen Umsatz von über neun Mio. Euro. Die vergangenen drei Jahre brachten Umsatzzugewinne von jeweils 12 bis 15 Prozent.

„Unsere Maschinen sind überwiegend mit Eigenkapital finanziert“, berichtet Schretzmaier. Ein Teil ist geleast, auch Darlehen bei der Hausbank und der KfW hat er schon aufgenommen. „Kredite sind für uns aber ein ganz heikles Thema“, erklärt der
Unternehmer. „Die EZB hat es sich zur Aufgabe gemacht, gerade mittelständische Firmen mit Liquidität zu versorgen, aber
die Banken geben den niedrigen Zins nicht wirklich weiter“, sagt Schretzmaier sauer. Klar, wer über ein Top-Rating verfüge, bekäme durchaus Finanzierungen zu Zinsen von unter zwei Prozent. Wer aber keine so gute Bonität aufweisen könne, müsse schon fünf bis acht Prozent bezahlen. „Und das auch nur, wenn man zuvor eine hohe Anzahlung auf die Maschinen leistet und der Bank zudem Sicherheiten stellt und persönliche Bürgschaften eingeht“, sagt der Geschäftsführer.

Die Europäische Zentralbank verfolgt eine konsequente Niedrigzins-Politik, bis September 2016 kauft sie zudem Wertpapiere für mehr als 1.100 Mrd. Euro auf. Damit will sie die Inflation anheizen und Wachstum fördern. Viele Mittelständler profitieren von der Geldpolitik der Notenbank. Doch das gilt bei weitem nicht für alle.

In Sippenhaft genommen

Die Druckbranche ist äußerst investitionsintensiv. Zwischen zwei und fünf Mio. Euro kostet eine Maschine für den 3B-Bogenoffsetdruck. Wer technisch immer auf dem neusten Stand sein will, muss fortlaufend modernisieren. Kredite sind somit unverzichtbar. „Gleichzeitig ist die Branche sehr konjunkturabhängig, zudem kaufen viele deutsche Unternehmen ihre Drucksachen in Billiglohnländern wie Lettland oder Polen“, erklärt Schretzmaier. Banken seien sich der Probleme, mit denen Druckereien zu kämpfen haben, sehr wohl bewusst. „Die Institute betrachten die Druckbranche äußerst skeptisch, daher bekommen Unternehmen wie wir Finanzierungen im Regelfall nur zu hohen Zinssätzen“, berichtet er aus leidvoller Erfahrung. Natürlich spielten die eigenen Geschäftszahlen für das Rating eine tragende Rolle. „Aber bedingt durch die krisengeschüttelte Druckbranche werden wir von den Banken sozusagen von vornherein in Sippenhaft genommen“, sagt Schretzmaier.

Über ähnliche Probleme klagen viele Unternehmer, die sich in als unsicher eingestuften Geschäftsfeldern bewegen. Selbst der Bankenverband bedauert, dass Kreditinstitute angehalten sind, die Branche in die Beurteilung der Bonität einfließen zu lassen. „Aber die Vorschriften von Basel II und Basel III fordern dies nun einmal, wir können nichts dagegen machen“, heißt es. Bei Banken, die Unternehmen selbst gründen, sieht es etwas anders aus. Für solche Institute kommt es viel mehr auf die tatsächlichen Ergebnisse an. „Wir sind in den Firmen drin, da wir sie regelmäßig besuchen“, sagt Diane Zetzmann-Krien, Geschäftsführerin der Trumpf Financial Services GmbH. „Wir haben schon sehr, sehr viele Unternehmen unserer Branche gesehen, sodass wir uns schneller ein Bild machen können als klassische Banken.“

Eine solches Institut würde sich Unternehmer Schretzmaier auch wünschen: Eine Bank, die sich ein realistisches Bild von einem Mittelständler macht. Dass Firmen dazu übergehen, eigene Finanzdienstleister zu gründen, findet er nicht erstaunlich. „Was früher ursächlicher Geschäftsbereich der Banken war, übernehmen heute im Wesentlichen unsere Lieferanten, zum Beispiel hohe Warenkredite“, sagt er. Doch die Welt der Finanzen, das denkt zumindest Schretzmaier, habe sich sowieso auf den Kopf gestellt. „Heute bekommen die Unternehmen Geld, die gar keins brauchen, und Firmen, die es nötig haben, gehen leer aus“, bringt er seine Ansicht kurz auf den Punkt. Rosige Zeiten herrschen also längst nicht für alle Mittelständler. Eher stürmische.

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