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Die sanften Angreifer

Fond of Bags gilt mit seiner ungezwungenen und idealistischen Außendarstellung als Musterschüler einer neuen Unternehmergeneration. Das Start-up von 2010 hat sich mit innovativen Schulrucksäcken in einen besetzten Markt eingenistet. Mit einer anspruchsvollen Wachstumsstrategie wollen die Gründer nun zeigen, dass sie zu Unternehmern gereift sind.

Es gibt eine Anekdote von Sven-Oliver Pink, die man so oder so ähnlich wohl über jeden erfolgreichen Jungunternehmer erzählen kann. Pink, damals noch Angestellter bei einem Finanzberater, war abends mit Freunden in Frankfurt unterwegs. Er erzählt, wie so oft in dieser Zeit, im Geschäftsführer-Modus von seiner Idee, ein eigenes Unternehmen mit ergonomischen Schulrucksäcken aufzubauen. Am nächsten Morgen bekommt er einen Anruf von Immanuel Gloeser, einem Rucksack-Designer beim Outdoor-Giganten Jack Wolfskin. Gloeser hat über seine Freundin von der Idee gehört und möchte mitmachen. Heute ist Pink einer der drei Geschäftsführer und Gloeser Chefdesigner von Ergobag, der Gründungsmarke von Fond of Bags.

Aus Ahnungslosigkeit wird Innovation

Ergobag für Grundschüler: Mit Beckenflossen, Rückenpolster und verstellbaren Schulterträgern wird die Last vom Rücken auf die Hüfte übertragen.

Mittlerweile sich Fond of Bags fest im Markt etabliert und erzielt einen Umsatz von 46 Mio. Euro. Jungen Unternehmen rät Pink zu Offenheit, gerade am Anfang. Von Heimlichtuerei hält er nichts: „Wir haben damals jedem von unserem Businessplan erzählt. So sind wir an die richtigen Mitarbeiter, Lieferanten und Händler gekommen.“ 2010 gründet Pink zusammen mit seinen Freunden Florian Michajlezko, Oliver Steinki und Juliaan Cazin das Start-up Ergobag. Vom Produkt haben sie bis dahin keine Ahnung, es geht ihnen vielmehr um Innovation und den Gründergeist. Die Schulrucksäcke entwickeln sie zusammen mit Lieferanten aus Vietnam, die keine Schulranzen herstellen, sondern für Outdoor-Marken produzieren. Das klassische Tornister-Design kennen sie nicht, dafür aber ergonomische Elemente, die den Rücken schonen.

Der erste Prototyp von Ergobag heißt Rambazamba und weist einige Geburtsfehler auf. Die großen Markenhersteller, die seit Jahrzehnten den Schulranzenmarkt beherrschen, belächeln auf Messen den neuen Wettbewerber für das mangelhafte Handwerk. Aus diesem Grund übersehen die Konkurrenten vor lauter Geringschätzung die Idee hinter dem neuen Produkt, nämlich klobige Schulranzen durch Rucksäcke zu ersetzen, die das Gewicht von den Schultern auf die Hüfte verlagern. Für Geschäftsführer Pink ist dagegen bis heute gerade das fehlende Know-how ausschlaggebend für das innovative Produktdesign. Das bestätigt auch Professor Franz-Rudolf Esch, einer der renommiertesten Markenexperten in Deutschland. Für ihn ist das Phänomen, dass ein neuer Player im Markt die entscheidenden Impulse setzt, weit verbreitet: „Die Manager der traditionellen Hersteller bewegen sich in einem Gefängnis des Marktes. Die revolutionären Ideen kommen deshalb meistens von außerhalb.“

 

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Fond of Bags gilt mit seiner ungezwungenen und idealistischen Außendarstellung als Musterschüler einer neuen Unternehmergeneration. Das Start-up von 2010 hat sich mit innovativen Schulrucksäcken in einen besetzten Markt eingenistet. Mit einer anspruchsvollen Wachstumsstrategie wollen die Gründer nun zeigen, dass sie zu Unternehmern gereift sind.

Klinkenputzen beim Fachhändler

Mit ihrem Eifer für die eigene Geschäftsidee können die Gründer um Sven-Oliver Pink auf anderen Gebieten schnell punkten. Sie überzeugen nicht nur die Kreissparkasse Köln, die ihnen einen KfW-Kredit für die Gründungsphase gewährt, sondern genauso die Juroren der Wirtschaftszeitung Handelsblatt. Als Gewinner eines Businessplan-Wettbewerbs treffen sie auf den damaligen BASF-Chef Jürgen Hambrecht, der für 455.000 Euro Wachstumskapital 25 Prozent der Anteile erwirbt. Mittlerweile haben die Gründer die Anteile wieder zurückgekauft.

Rucksack für Erwachsene: Designerin Annemarie Keizers gibt den Rohlingen der Marke Pinqponq den optischen Schliff.

Bei seiner Entwicklung hat Fond of Bags auch von einer Besonderheit der Schulranzen-Branche profitiert. Die Einschulung ist für Kinder und Eltern ein Großereignis, entsprechend hoch ist die Zahlungsbereitschaft. Die Eltern informieren sich intensiv über die Hersteller und tauschen sich untereinander aus. Ergo sind sie bereit, für ein innovatives Produkt mehr Geld auszugeben. Auch ist das Geschäft wenig krisenanfällig.

Bei Marketing und Vertrieb schlägt das Start-up zwei Fliegen mit einer Klappe. Alles läuft am Anfang über kleine Fachhändler, bei denen sie persönlich vorstellig werden und ihr Produkt erklären. Diese Form, sich in den Markt zu drängen, hält auch Markenexperte Professor Esch für eine kluge Taktik: „Wie in einem Guerillakrieg haben die Gründer immer mehr Leute überzeugt, dass sie ein überlegenes Konzept haben, das darüber hinaus auch noch sehr einfach zu verstehen ist.“

Das Netzwerk aus Fachhändlern ist über die Jahre auf knapp 2.000 angewachsen. Rund 70 Vertriebler, die meisten von ihnen sind Freelancer, schulen regelmäßig die Verkäufer, um die Vorteile der Rucksäcke gegenüber anderen Herstellern deutlich zu machen. Daneben gilt das Prinzip Tupperware: mit über 1.000 Schulranzen-Partys und Spray-Events nimmt die Mund-zu-Mund-Propaganda ihren Lauf.

Match Patch statt Satch Match

Nachdem die Platzhirsche den Neuling belächelt haben, fangen sie an, ihn zu kopieren. Die Innovationen, die Fond of Bags angestoßen hat, finden sich heute auch bei den Konkurrenten: ergonomisches Trägersystem, individuelle Sticker, recycelte Materialien. Selbst die Produktnamen weisen eine frappierende Ähnlichkeit auf: Heißt ein Modell bei Fond of Bags Satch Match, nennen es die Konkurrenten von Coocazoo, eine Tochter der Hama GmbH, schlicht und einfach Match Patch.

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Fond of Bags gilt mit seiner ungezwungenen und idealistischen Außendarstellung als Musterschüler einer neuen Unternehmergeneration. Das Start-up von 2010 hat sich mit innovativen Schulrucksäcken in einen besetzten Markt eingenistet. Mit einer anspruchsvollen Wachstumsstrategie wollen die Gründer nun zeigen, dass sie zu Unternehmern gereift sind.

Fond of Bags wollte sich von Beginn an nicht nur als innovativer Rucksack-Hersteller positionieren, sondern ebenso als unternehmerischer Pionier wahrgenommen werden. Die Rucksäcke sind deshalb aus gebrauchten PET-Flaschen. Im Büro von Geschäftsführer Pink sitzt mit Michael Damm ein Mitarbeiter für Corporate Responsibility. Die Nähereien in China und Vietnam werden regelmäßig einer Revision unterzogen. Geschäftsführer Pink geht es dabei aber nicht um den Status quo, sondern den Veränderungsprozess: „Einige Nachhaltigkeitsziele konnten wir dieses Jahr erreichen, bei anderen sind wir gescheitert.“

Produktion in Ho-Chi-Minh Stadt: Hier werden Rucksäcke von Ergobag und Co. zusammengenäht.

Die ethischen Ansprüche entsprechen vor allem den privaten Wertvorstellungen der Mitarbeiter. Bis heute wird Fond of Bags maßgeblich von Freunden, Geschwistern und Ehepartnern beeinflusst. Aus diesem freundschaftlichen Verhältnis leitet sich auch der Anspruch ab, so beteuert es Geschäftsführer Pink, alle Stakeholder des Unternehmens glücklich zu machen, vom Lieferanten über die Mitarbeiter bis zur Geschäftsführung. Auf einschlägigen Bewertungsportalen bekommt Fond of Bags überdurchschnittlich gute Kritiken für den Umgang mit Mitarbeitern.

Großer Hebel für weiteres Wachstum

Vor zwei Jahren haben die Gründer das Unternehmen zum Verkauf angeboten. Der Verkaufspreis lag über den Erwartungen. Schließlich entschieden sie sich doch, Eigentümer zu bleiben und stellten die Weichen auf Wachstum. Seit 2014 wurde aus der Gründungsmarke Ergobag der Konzernname Fond of Bags. In der Zwischenzeit kamen sechs neue Marken hinzu mit Rucksäcken für die weiterführende Schule, den Kindergarten und Berufstätige. „Von Baby bis Business“ ist der eingängige Claim, mit dem sich Fond of Bags als Komplettanbieter im Taschenmarkt positionieren möchte. Die Diversifizierung ist auch wichtig, um die Umsätze vom saisonalen Geschäft mit Schulrucksäcken besser über das Jahr zu verteilen.

Die Belegschaft hat sich im Laufe eines Jahres von 80 auf 180 erhöht, um die neuen Produktlinien voranzutreiben. In Köln-Ehrenfeld wird bis Ende nächsten Jahres ein 10.000 Quadratmeter großer Campus gebaut: „Wir säen im Moment viel und wollen in vier, fünf Jahren ernten“, sagt Geschäftsführer Pink. Das wird eine neue Herausforderung. Bislang konnte Fond of Bags mit den Cashcows Ergobag und Satch gute Bilanzen vorweisen. Das reicht künftig nicht mehr.


Zu den Personen

Im Jahr 2010 gründet Sven-Oliver Pink zusammen mit Florian Michajlezko und Oliver Steinki (v.l.n.r.) in Köln den Rucksackhersteller Ergobag, heute F.O. Bags. Die Gründer sind auch alleinige Gesellschafter. Pink ist in der Geschäftsführung für Strategie, Organisation und Marketing verantwortlich. Im vergangenen Jahr erhielt F.O. Bags den deutschen Nachhaltigkeitspreis für seine Ambitionen, möglichst ökologisch zu produzieren sowie auf soziale Standards in den Zulieferbetrieben hinzuwirken. Die GmbH erwirtschaftete im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 46 Mio. Euro und gilt als Innovationsführer.

www.fondofbags.com

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