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Die Rolle des CRO eingrenzen

Mit Unternehmen ist es wie mit Schiffen im Polarmeer: Um Katastrophen abzuwenden, muss rechtzeitig und mit der richtigen Crew gesteuert werden. Das erhöht die Sanierungschancen um ein Vielfaches, der Unternehmer behält das Ruder in der Hand. 

Was haben der traditionsreiche Strumpfhersteller Kunert, das Schuhhandelsunternehmen Leiser und der Callcenter-Spezialist Walter Services gemeinsam? Sie alle hatten ein existenzielles Problem, haben es jedoch rechtzeitig angepackt. Diese Unternehmen agieren heute wieder erfolgreich am Markt.

Warum geraten Unternehmen, die von erfahrenen Persönlichkeiten geführt werden, überhaupt in existenzbedrohende Situationen? Der häufigste Fall: Sie reagieren zu spät auf Marktgegebenheiten. Irgendwann hat das Unternehmen nicht mehr die finanziellen Ressourcen, aus eigener Kraft mit Produktneuentwicklungen oder Personalabbau dagegenzuhalten.

Natürlich können echte Strukturkrisen in einer solchen Geschwindigkeit auftreten, dass sie für Unternehmen kaum noch zu bewältigen sind. Die Papierindustrie samt allen mit ihr verbundenen Branchen ist ein gutes Beispiel: Ihr setzt die Digitalisierung zu, die Walzen-Gießereien ebenso wie Maschinenbauer, Druckereien und Zeitungen trifft. Auch die Herausforderungen des Internets für den Handel oder zukünftig die Digitalisierung für die Industrie können zu ernsthaften Existenzbedrohungen werden.

Es gibt aber auch rein interne Themen, die zu solchen Krisen heranwachsen können: etwa unterschiedliche Auffassungen im Gesellschafterkreis, zu späte Generationenübergabe oder sich – ex post – als falsch erweisende Managemententscheidungen.

Sorge vor Gesichts- und Machtverlust

Zum modernen Sanierungsprozess gehört heute die frühzeitige Analyse aller möglichen Optionen. Das schließt sowohl eine außergerichtliche Sanierung als auch das Schutzschirmverfahren ein, das auf die Erstellung eines Insolvenzplans abzielt. Darin findet ein Unternehmer das Initiativrecht mit Abstand am weitesten abgesichert, wenn eine außergerichtliche Sanierung unmöglich ist oder unverhältnismäßig mehr Ressourcen erfordern würde. Bei anderen Verfahrensarten verfügen hingegen die Gläubiger und die eingesetzten Insolvenzverwalter über größere Entscheidungsbefugnis.

Machen wir uns nichts vor: Ein Unternehmer ist eine angesehene Persönlichkeit, in Netzwerken aktiv, häufig sozial engagiert. Den vermeintlichen Makel des Versagens möchte niemand in seiner Vita haben – mehr als verständlich. Neben der gesellschaftlichen Stellung geht es um die Entscheidungsmacht im Betrieb. Unternehmer haben Angst, Kontrolle abzugeben – auch verständlich.

Also nehmen viele Unternehmen ihre Chancen zu spät wahr. Handeln Unternehmer früher, bleiben sie als Kapitän des Schiffs handlungsfähig und verfügen über mehr Initiativmöglichkeiten. Wenn sie rechtzeitig agieren, sind Insolvenzverwalter, die in Unternehmen einreiten wie John Wayne in Saloons, glücklicherweise bald nur noch Teil von Geschichtsbüchern.Mit Unternehmen ist es wie mit Schiffen im Polarmeer: Um Katastrophen abzuwenden, muss rechtzeitig und mit der richtigen Crew gesteuert werden. Das erhöht die Sanierungschancen um ein Vielfaches, der Unternehmer behält das Ruder in der Hand.

Der Chef bleibt Chef

2012 ist das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, kurz ESUG, in Kraft getreten. Der Gesetzgeber wollte einen Anreiz schaffen, die Sanierung des Unternehmens frühzeitig anzustoßen – vor allem vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Die vier Gesetzesschwerpunkte: Stärkung der Gläubigerautonomie, Schutzschirmverfahren für Schuldner, Ausbau des Insolvenzplanverfahrens sowie Erleichterung der Eigenverwaltung.

Auch hat der Unternehmer das maximale Mitbestimmungsrecht bei der Auswahl des Sachverwalters. Hier geht es nicht nur um zwischenmenschliche Chemie. Beim Schutzschirmverfahren kommt es in hohem Maße darauf an, dass der vorgesehene Sachverwalter eine dem Unternehmen angepasste, eigene Verwalterorganisation hat.

Der richtige Sachwalter

Ein Schutzschirmverfahren stellt immer eine außergewöhnliche Situation für alle Mitarbeiter des Schuldner-Unternehmens dar. Diese benötigen Hilfe von Menschen, die sich mit solchen „Sondersituationen“ auskennen. Hier ist der Sachwalter zugleich Lotse, Navigator, Funker, Kontrolleur und Schiffsarzt. Neben seinen persönlichen fachlichen und sozialen Kompetenzen muss hinter ihm zum einen eine große Verwalterorganisation stehen – mit aller für das Schutzschirmverfahren notwendigen Infrastruktur. Zum anderen ein eigenes, eingespieltes Team.

Für das bessere Zusammenspiel mit den bisherigen Beratern, Gesellschaftern und dem Management sollte der Sachverwalter Erfahrung in der Beratung von Unternehmen haben – schon allein, um die Sicht durch die Brille der anderen Beteiligten zu kennen. Die Beratungserfahrung aus anderen betriebswirtschaftlichen Bereichen, etwa als Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Rechtsanwalt, ist sehr hilfreich. Der Verwalter versteht die Situation der normalen Berater und des Managements auf diese Weise besser, als wenn er ausschließlich über insolvenzrechtliche Erfahrung verfügt.Mit Unternehmen ist es wie mit Schiffen im Polarmeer: Um Katastrophen abzuwenden, muss rechtzeitig und mit der richtigen Crew gesteuert werden. Das erhöht die Sanierungschancen um ein Vielfaches, der Unternehmer behält das Ruder in der Hand.

Missverständnis CRO

Seit einiger Zeit streben einige Insolvenzverwalter die Rolle des „Chief Restructuring Officer“ (CRO), eines Sanierungsgeschäftsführers, im Kontext gerichtlicher Sanierungsverfahren an – eine Unsitte!

Ein CRO begleitet ein Unternehmen über drei bis vier Jahre während der gesamten Restrukturierung. Diese beginnt in der Regel mindestens ein Jahr vor einem eventuellen Schutzschirmverfahren. Zu diesem Zeitpunkt ist für gewöhnlich noch nicht einmal bekannt, ob es überhaupt zu einem solchen Verfahren kommen wird. Es geht zu diesem Zeitpunkt darum, alle Sanierungsmöglichkeiten zu prüfen. Schon hier muss der CRO an Bord sein. Kommt es dann zu einem Schutzschirmverfahren, dauert die Sanierung von da an mindestens 24 Monate. Denn die Maßnahmen, die durch das Insolvenzrecht implementiert wurden, müssen nach dem Schutzschirmverfahren ins Tagesgeschäft überführt werden. Diesen gesamten Prozess sollte der CRO begleiten.

Wenn ein Insolvenzspezialist überhaupt in ein Unternehmensorgan gehen muss, ist dies in der Regel auf drei bis sechs Monate begrenzt. Er wäre eher als „Chief Insolvency Officer“ (CInsO) oder „Vorstand für Insolvenzangelegenheiten“ zu bezeichnen. Denn die Aufgaben eines CRO beginnen – wie beschrieben – deutlich früher und gehen weit über das Schutzschirmverfahren hinaus.


Zur Person

(© Privat)

Als Wirtschaftsprüfer ist Arndt Geiwitz einer der wenigen Betriebswirte, die als Insolvenzverwalter und Sachwalter zugelassen sind. Gemeinsam mit seinen rund 270 Mitarbeitern leitete er zahlreiche namhafte Verfahren, darunter Weltbild, Kunert, Leiser, Schlecker, Alpine Bau Deutschland, SHW-CT und Walter Services. www.schneidergeiwitz.de

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