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Die Politik ist jetzt gefordert

Das Thema soziale Gerechtigkeit hat im Wahlkampf eine bedeutende Rolle gespielt. Nun muss sich zeigen, auf welche Lösungen sich die künftigen Regierungsparteien einigen können. Die stärkere Beteiligung der Mitarbeiter am Produktivkapital ihrer Unternehmen ist ein wichtiger Ansatzpunkt.

Ein Aspekt der Gerechtigkeitsdebatte ist der Befund, dass die Arbeitseinkommen, mit denen die meisten Haushalte den wesentlichen Teil ihrer Ausgaben bestreiten, zunehmend hinter den Einkünften aus Vermögen wie Aktien und anderen Kapitalbeteiligungen zurückbleiben. Seit 1991 hat sich in Deutschland das Kapitaleinkommen verdoppelt. Die Einkünfte aus Arbeit sind hingegen – bei deutlich geringeren Zuwächsen in den unteren und mittleren Einkommensklassen – nur um rund 80 Prozent gestiegen. Diesen Vorteil der Kapitalanlage gilt es zu nutzen, damit die Vermögensbildung gelingt. Dabei kommt es darauf an, mit Wertpapieren wie Aktien zu sparen, wie eine Statistik der Deutschen Bundesbank zeigt. Demnach hat die Hälfte der deutschen Haushalte, die mit Wertpapieren wie Aktien spart, das gesamte Nettovermögen von 2010 bis 2014 um mehr als 38.000 Euro vermehrt. Wer ohne Aktien oder andere Wertpapiere spart, hat sein Nettovermögen in den letzten Jahren dagegen nur gering erhöht oder sogar verringert.
Welche Schlüsse muss die kommende Bundesregierung aus diesem Befund ziehen? Die Antwort auf diese Frage liegt auf der Hand: Machen wir die Arbeitnehmer zu Aktionären, damit sie angemessen an den Zuwächsen aus Kapitaleinkünften beteiligt werden. Hierfür sind vernünftige vermögenspolitische Maßnahmen notwendig, die den Aktienbesitz attraktiver machen.


“Der Anteil deutscher Privatanleger an den DAX-Unternehmen ist verschwindend gering.”


Am Erfolg der deutschen Wirtschaft teilhaben

Wie dringend diese notwendig sind, zeigt eindrucksvoll folgendes Rechenbeispiel von Allianz Global Investors: Wenn alle Erwerbstätigen in Deutschland in den letzten zwanzig Jahren mit vertretbaren monatlichen Sparraten in einen DAX-Sparplan investiert hätten, würde ihnen rein rechnerisch jetzt 40 Prozent der DAX-Unternehmen gehören. Die Arbeitnehmer in Deutschland könnten also einen wesentlichen Anteil am Kapital der deutschen börsennotierten Unternehmen besitzen. Leider aber steht diese Vision eben nur auf dem Papier. Tatsächlich ist der Anteil deutscher Privatanleger an den DAX-Unternehmen verschwindend gering. Die Mehrheit dieser Gesellschaften ist im Besitz ausländischer Investoren. Von dem Erfolg der deutschen Wirtschaft profitiert also der US-Rentner, der über seine Anteile an den Pensionskassen Miteigentümer der Unternehmen hierzulande ist. Hingegen muss sich die Politik in Deutschland mehr und mehr den Kopf darüber zerbrechen, ob die gesetzliche Rente auch künftigen Rentnergenerationen den Lebensstandard im Alter sichert.Das Thema soziale Gerechtigkeit hat im Wahlkampf eine bedeutende Rolle gespielt. Nun muss sich zeigen, auf welche Lösungen sich die künftigen Regierungsparteien einigen können. Die stärkere Beteiligung der Mitarbeiter am Produktivkapital ihrer Unternehmen ist ein wichtiger Ansatzpunkt.

Die Parteien äußern sich zurückhaltend

Vor diesem Hintergrund ist es sehr überraschend, dass das Thema „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand“ in der Politik über alle Parteien hinweg bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielt. Begriffe wie Aktien- und Beteiligungskultur sind in den Wahlprogrammen nicht gefallen. Das Thema Mitarbeiterkapitalbeteiligung als elementar wichtiges Instrument, um eine fest verwurzelte Aktien- und Beteiligungskultur in Deutschland zu etablieren, wird nur im Programm der CDU/CSU erwähnt. Im Rahmen der Wahlprüfsteine, die das Deutsche Aktieninstitut den Parteien vorgelegt hat, äußern sich insbesondere die FDP, aber auch die Volksparteien wohlwollend gegenüber dem Vorhaben, mehr Mitarbeiter am Kapital ihres eigenen Unternehmens zu beteiligen. Die Grünen hingegen, Partner in einer potentiellen Jamaika-Koalition, sehen keine Notwendigkeit, aktiv zu werden.

Staatliche Förderung an das EU-weite Niveau anpassen

Sollte es also zu einer Jamaika-Koalition kommen, bleibt zu hoffen, dass sich in puncto Mitarbeiterkapitalbeteiligung CDU/CSU und FDP durchsetzen. Dreh- und Angelpunkt für eine Reform der gesetzlichen Vorgaben sind die steuerlichen Rahmenbedingungen. Sie müssen dringend verbessert werden, um die Verbreitung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Deutschland zu forcieren. Dazu gehört eine deutliche Anhebung des steuer- und abgabenfreien Betrags von derzeit 360 Euro pro Jahr. Kein Argument ist in diesem Zusammenhang, dass die Erhöhung im Jahr 2009 von 135 Euro auf 360 Euro keinen Effekt gezeigt habe. Sie war mit gerade einmal etwas mehr als 200 Euro marginal und konnte deshalb den gewünschten Effekt gar nicht erzielen. Dies hat das Deutsche Aktieninstitut 2011 gemeinsam mit Ernst & Young in einer Studie nachgewiesen. Die Anhebung der staatlichen Förderung hatte für die überwältigende Mehrheit von drei Vierteln der Umfrageteilnehmer keinerlei Auswirkungen auf die Motivation, ihre Mitarbeiter am Aktienkapital zu beteiligen. Umso wichtiger ist es, die Förderbeträge an das EU-weite Niveau anzupassen. In Österreich liegen sie mittlerweile bei 3.000 Euro jährlich.Das Thema soziale Gerechtigkeit hat im Wahlkampf eine bedeutende Rolle gespielt. Nun muss sich zeigen, auf welche Lösungen sich die künftigen Regierungsparteien einigen können. Die stärkere Beteiligung der Mitarbeiter am Produktivkapital ihrer Unternehmen ist ein wichtiger Ansatzpunkt.

Aktienbesitz steuerlich attraktiver machen

Flankierend hierzu sind weitere Maßnahmen notwendig. Statt über die Abschaffung der Abgeltungsteuer zu diskutieren, müssen geeignete steuerliche Instrumente den langfristigen Aktienbesitz attraktiver machen. Dazu gehört die Wiedereinführung einer Spekulationsfrist, die 2009 mit der Abgeltungsteuer abgeschafft wurde. Danach wären Veräußerungsgewinne ab einer bestimmten Haltefrist wieder steuerfrei. Gleiches muss für Dividenden gelten, wenn diese nicht konsumiert, sondern wieder in Aktien des eigenen oder eines anderen Unternehmens angelegt werden.


“Das Thema Aktien- und Beteiligungskultur muss dringend auf die Agenda der neuen Bundesregierung.”


Fazit

Das Thema Aktien- und Beteiligungskultur muss dringend auf die Agenda der neuen Bundesregierung. Wenn sich die Schere zwischen Arbeits- und Kapitaleinkommen weiter öffnet, ist es unabdingbar, die Arbeitnehmer zu Kapitaleignern zu machen. Was wir brauchen, ist eine Neuauflage des Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetzes von 2009, mit dem die Politik aufgrund einer wenig beherzten Erhöhung des steuer- und abgabenfreien Betrags damals deutlich zu kurz gesprungen ist. Hierfür müssen schnell die Weichen in die richtige Richtung gestellt werden.


Zur Person

Dr. Norbert Kuhn, Diplom-Volkswirt und Diplom-Politologe, ist Leiter Unternehmensfinanzierung beim Deutschen Aktieninstitut.

www.dai.de

 

 

 

 

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