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„Deutschland steht an der Spitze“

Industrie 4.0 oder die Digitalisierung der Produktionsabläufe bedeutet nicht weniger als eine technische und kulturelle Revolution für Industrieunternehmen. Das gilt auch für Festo, einen der weltweit führenden Anbieter von Automatisierungslösungen. Am Rande des 7. Deutschen Maschinenbau Gipfels am 21. und 22. Oktober in Berlin hatten wir Gelegenheit, mit dem Entwicklungschef und dem Geschäftsführer Didactic, Prof. Dr. Peter Post und Dr. Theodor Niehaus, zu sprechen.

Herr Prof. Dr. Post, Herr Dr. Niehaus, könnten Sie Industrie 4.0 nochmal für einen mittelständischen Unternehmer definieren?

Niehaus: Im Kern geht es darum, die Digitalisierung in die Produktionsabläufe zu bringen. Mit den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung und dezentralen Intelligenz schaffen wir mehr Flexibilität in der Produktion, individuelle Produkte und Losgrößen bei weniger Wartungsaufwand und geringeren Kosten.

Post: Industrie 4.0 ist im Wesentlichen eine aufeinander abgestimmte Initiative, die diese Notwendigkeiten der Weiterentwicklung der Produktionstechnologie erkennt und diskutiert. Die Ansprüche an eine flexible und adaptive Fertigung werden immer größer. Die Produktion muss auch in Zukunft in der Lage sein, sie abzubilden. Dafür brauchen wir entsprechende Möglichkeiten auf Komponenten- und Anlagenbasis, um sich auf veränderte Losgrößen und Produktvarianten einzustellen. So gesehen muss jedes Unternehmen, das für sich beansprucht, einen aktuellen Stand der Technik in seinem jeweiligen Bereich zu realisieren, an diesen Überlegungen teilnehmen.

Was passiert, wenn Unternehmen das nicht tun?        

Niehaus: Die Wettbewerbsfähigkeit wird dramatisch sinken. Es wird zu einem Ausleseprozess kommen.

Auf welchem Stand befindet sich Deutschland bei diesem Übergang?

Post: Deutschland steht an der Spitze – allen Unkenrufen zum Trotz. Es geht ja nicht allein um den Ausbau von IT. Da sind amerikanische Konzerne wie Google führend. Doch dort, wo es darum geht, den handfesten Maschinenbau zum Beispiel mit Sensor- und Rückmeldefunktionen zu verbinden, sind deutsche Unternehmen nach wie vor Spitze.

Wobei die Umstellung auf Industrie 4.0 auch einen Kulturwandel für die Unternehmen bedeutet, oder?    

Niehaus: Ja. Die Maschinenbauunternehmen entwickeln sich vom reinen Maschinenbau, der vielleicht mit etwas Elektronik angereichert ist, hin zur Produktion mit Mikroelektronik und zur Digitalisierung der Produkte. Sie haben also einen langen Weg vor sich. Die Umstellung ist aber ein kontinuierlicher Prozess. Der Elektronikanteil in den Produkten wird langsam wachsen. Und zwar evolutionär und nicht revolutionär – so, wie es bei Autos war.Industrie 4.0 oder die Digitalisierung der Produktionsabläufe bedeutet nicht weniger als eine technische und kulturelle Revolution für Industrieunternehmen. Das gilt auch für Festo, einen der weltweit führenden Anbieter von Automatisierungslösungen. Am Rande des 7. Deutschen Maschinenbau Gipfels am 21. und 22. Oktober in Berlin hatten wir Gelegenheit, mit dem Entwicklungschef und dem Geschäftsführer Didactic, Prof. Dr. Peter Post und Dr. Theodor Niehaus, zu sprechen.

Ein Thema bei Industrie 4.0 ist auch die offene Kommunikation: Da die Investitionskosten relativ hoch sind, können mehrere Unternehmen Infrastruktur und Plattformen gemeinsam nutzen und etwa gemeinsame Forschungsprojekte starten. Läuten im Mittelstand, der ja eher verschwiegen ist und Angst vor zu viel Preisgabe hat, da nicht die Alarmglocken auf?

Niehaus: Das kann ich mir schon vorstellen, vor allem, wenn es um Unternehmensgrößen um die zehn Mio. Umsatz geht und man sein Wissen ungern teilt. Andererseits sind diese Unternehmen gezwungen, dieses Wissen aufzubauen. Es geht aber schneller, wenn man es mit Partnerschaften macht.

Post: Ich habe aber auch den Eindruck, dass diese Diskussion teilweise an der Realität vorbeigeht. Ein Unternehmen, das in der Lage ist, Teilkomponenten mit hoher Flexibilität herzustellen, kann das, was eigentlich zum Betrieb dieses Systems erforderlich ist, für sich behalten. Es muss allerdings Schnittstellen nach außen haben.

Und ein anderes Unternehmen im weitesten Sinn teilhaben lassen.

Post: Ja, Unternehmen müssen eben kommunizieren. Aber die Kommunikationsinhalte an sich können sie ja nach wie vor selbst bestimmen. Die Kommunikation in einem intelligenten Teilprozess besteht im Grunde darin, ob ein Werkstück angekommen und ob es weiterverarbeitet ist. Alles, was dazwischen passiert, muss nicht kommuniziert werden.

Dann geht es bei Industrie 4.0 auch viel um Aufklärung?   

Niehaus: Genau, deswegen ist Kommunikation und Information im Moment alles. Es handelt sich auch um einen Faktor zum Erhalt des Standorts Deutschland. Die Unternehmen sind aber sehr interessiert am Thema Digitalisierung. In unserer Weiterbildungssparte Didactic beobachten wir einen regelrechten Wissenshunger, über alle Unternehmensgrößen und Branchen hinweg.

Wie sollten Unternehmen bei der Umstellung am besten vorgehen?

Post: Es gibt eine Fülle von Möglichkeiten, sich über das Thema zu informieren. Die wichtigste Voraussetzung ist natürlich eine grundsätzliche Offenheit für das Thema.

Niehaus: Ich fand das Beispiel des Holzmaschinenherstellers Homag ganz positiv. Denn das Unternehmen ging vom Kunden aus und hat sich gefragt, wie es durch Industrie 4.0 den Kundennutzen und die Kundenbindung steigern kann. Durch die Digitalisierung der Produktion ist schließlich beides gelungen.

Post: Homag hat auch wesentlich früher mit Industrie 4.0 beginnen müssen, als das Thema eigentlich diskutiert wurde, nämlich schon 2007.

Seit wann spricht man denn von Industrie 4.0?

Post: Etwa seit 2011.Industrie 4.0 oder die Digitalisierung der Produktionsabläufe bedeutet nicht weniger als eine technische und kulturelle Revolution für Industrieunternehmen. Das gilt auch für Festo, einen der weltweit führenden Anbieter von Automatisierungslösungen. Am Rande des 7. Deutschen Maschinenbau Gipfels am 21. und 22. Oktober in Berlin hatten wir Gelegenheit, mit dem Entwicklungschef und dem Geschäftsführer Didactic, Prof. Dr. Peter Post und Dr. Theodor Niehaus, zu sprechen.

Sie ist auch immer ein politisches Thema: Es geht um IT-Sicherheit, den Ausbau der Infrastruktur, politische Rahmenbedingungen – wie fühlen Sie sich von der Politik vertreten? 

Niehaus: Sie muss flankierend tätig sein, in Form von Information und Bildung zum Thema Digitalisierung. Der Wirtschaftsstandort muss dahingehend gefördert werden, dass wir eine offene Umgebung für das Thema Digitalisierung haben. Auf der anderen Seite kann sie natürlich Investitionshemmnisse abbauen und Forschung unterstützen. Das passiert ja auch vielfach.

Post: Politik kann eine moderierende Rolle übernehmen. Ich bin sehr froh dafür, dass mit dem Thema Industrie 4.0 die Notwendigkeiten der produzierenden Industrie zum ersten Mal seit Jahren wieder auf der politischen Agenda sind.

Also das Thema wird erkannt?  

Niehaus: Ja, es wird erkannt. Die Landesregierung Baden-Württemberg hat erst eine Regierungserklärung zum Thema Digitalisierung vorgelegt, und heute (21.10.2014, Anm. d. Red.) sind Frau Merkel und die Bildungsministerin Wanka in Hamburg beim IT-Gipfel. Wir nehmen wahr, dass die Politik das Thema aufgegriffen hat und unterstützen das sehr.

Wobei viele meinen, die Bemühungen gingen noch nicht weit genug…

Post: Diese Ansicht teile ich nicht. Mit dieser Argumentation wird die Politik immer schnell kritisiert. Man muss an der ein oder anderen Stelle auch mal sagen, was gut ist. Und die Initiative Industrie 4.0 und das Interesse der Politik sind uneingeschränkt gut. Jede Art von Schützenhilfe kann Deutschland helfen, seine Weltmarktstellung zu bewahren.

Was ist das größte Fettnäpfchen, in das Unternehmen treten können, wenn sie sich der Thematik Industrie 4.0 nähern?

Post: Da fällt mir in der Tat wenig ein. Mir liegt am Herzen, dass große proprietäre Player bei der Umstellung auf Industrie 4.0 nicht nur ihre Standards durchsetzen. Unsere Industrie braucht die Freiheit und offene Handhabung der Schnittstellen. Ich hoffe, dass die Lösungen, die Deutschland entwickelt, am Ende einen offenen Standard für alle Unternehmen haben.

Das heißt, die kleineren Unternehmen müssen sich auch fleißig melden?

Post: Ja, genau.

 

Zu den Personen

Prof. Dr. Peter Post ist seit 2008 Leiter Corporate Research and Technology bei der Festo AG & Co. KG. Er ist Mitglied verschiedener Arbeitskreise der Industrieforschung und Honorarprofessor der Hochschule Esslingen. Dr. Theodor Niehaus ist Geschäftsführer der Festo Didactic GmbH & Co. KG. Die Weiterbildungssparte des Anbieters elektrischer und pneumatischer Automatisierungslösungen besteht seit 1965 und versorgt Kunden und Ausbildungsbetriebe mit Lehrmaterialien und Schulungen zu Industrieanwendungen. In diesem Bereich ist Festo weltweit führend. www.festo.com

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