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„Der Zwang erhöht den Druck“  

„Die Pensionsrückstellungen in den Bilanzen der meisten Mittelständler sind wie tickende Zeitbomben“ – mit dieser Aussage sorgte Finanzanalyst Antonio Sommese für Aufsehen. Im Interview erklärt er, was das für den laufenden Betrieb von Unternehmen bedeutet und warum Verkaufsoptionen eingeschränkt werden. 

Unternehmeredition: Sie warnen davor, dass mehr als 1,5 Millionen mittelständische Unternehmen Pensionszusagen ihrer leitenden Angestellten künftig nicht bezahlen können. Wie kommen Sie auf diese Zahl?

Sommese: Über zehn Jahre Einbindung in ein bundesweites Beraternetzwerk geben uns Zugang zu Durchschnittszahlen, die Abschätzungen von Größenordnungen erlauben. Ausgehend von rund 3,8 Millionen mittelständischen Unternehmen in Deutschland betrifft die geschilderte Pensionsproblematik schätzungsweise weit über ein Drittel aller Firmen und damit Millionen von Arbeitsplätzen.

Sie gehen davon aus, dass die Lücke 500 Mio. Euro beträgt. Hört sich ziemlich rund an.

Die 500 Mio. Euro sollen die Größenordnung beschreiben. Es handelt sich dabei nicht um eine kommagenau errechnete Zahl, die es bei diesem Thema ohnehin nicht geben kann. Ausgangsbasis sind rund 15 Mio. Beschäftigte in der mittelständischen Wirtschaft, davon etwa 20 Prozent Führungskräfte, als potenziell Betroffene.

Grund dafür sind vor allem die niedrigen Zinsen, die Lebensversicherungsverträge momentan abwerfen. Mit diesen wiederum sind viele Pensionszusagen abgesichert. Sollte in andere Assetklassen investiert werden, damit höhere Renditen erwirtschaftet werden?

Der Ratschlag ist nicht neu, aber dennoch zutreffend: Man sollte in alle Assetklassen investieren. Die richtige Streuung ist das A und O. Eine Fokussierung auf besonders risikoreiche Klassen in der Hoffnung, dass es gut geht, ist sicherlich keine gute Lösung.

Das Risiko würde dadurch extrem steigen.

Im Gegenteil. Durch eine vernünftige Streuung sinkt das Risiko.„Die Pensionsrückstellungen in den Bilanzen der meisten Mittelständler sind wie tickende Zeitbomben“ – mit dieser Aussage sorgte Finanzanalyst Antonio Sommese für Aufsehen. Im Interview erklärt er, was das für den laufenden Betrieb von Unternehmen bedeutet und warum Verkaufsoptionen eingeschränkt werden. 

Welche Auswirkungen hat das auf die Beschäftigten?

Der Zwang, höhere Erträge aus dem laufenden Geschäftsbetrieb zu ziehen, erhöht den Druck auf alle Beteiligten, von den Führungskräften bis zur Belegschaft.

Sie geben auch Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern eine Mitschuld. Sie hätten Unternehmen das Modell vor Jahren empfohlen. Was bringt das dem Unternehmer jetzt?

Eine Schuld kann man den Steuerberatern nicht anlasten. Schließlich war diese Entwicklung damals kaum vorhersehbar. Vielmehr zeigt diese Entwicklung beispielhaft, dass heute mehr denn je agile Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gefragt sind, die sich nicht primär als Buchhalter, sondern als Unternehmensberater verstehen. Ein ständiges Nachjustieren ist unabdingbar.

Wie kommen Unternehmen aus der Bredouille?

Es gibt keine einfache Antwort auf diese Frage. Die Pensionszusagen der Firmen gegenüber ihren leitenden Angestellten gelten losgelöst von der aktuellen Zinslage. Die Unternehmen müssen also aus dem laufenden Betrieb heraus die erforderlichen Mittel erwirtschaften, um die Zusagen einhalten zu können. Es gelten also die klassischen Grundsätze zur Stärkung der Rendite: Umsätze hoch, Kosten runter. Wichtig ist, dass sich die Unternehmer dieser Problematik bewusst werden, um wenigstens die Möglichkeit zu erhalten, ihr entgegenzusteuern.

Sie sagen, dass ein geordneter Unternehmensübergang nicht mehr möglich ist, sobald die „Pensionsbombe“ platzt. Der Verkaufspreis eines Unternehmens hängt jedoch nicht ausschließlich von dieser Deckungslücke ab. Oder?

Natürlich gibt es noch zahlreiche weitere Aspekte bei der Bewertung eines Unternehmens. Ist eine Firma überplanmäßig erfolgreich und erwirtschaftet außergewöhnliche Erträge, kann die Pensionsproblematik ohne weiteres überwunden werden. Wenn das Unternehmen jedoch eher mäßige Wachstumsraten aufweist, die sich im Rahmen der Langfristplanung bei der Zusage der Pensionen bewegen, wird manch ein mittelständischer Unternehmer länger arbeiten müssen als geplant. Und es wird viele Fälle geben, in denen der Verkauf des Unternehmens an der Pensionsproblematik scheitern wird.


Zur Person

(© Finanzstrategie Sommese GmbH & Co. KG)

Antonio Sommese ist Geschäftsführer und Inhaber der Finanzstrategie Sommese GmbH & Co. KG. Als gelernter Bankkaufmann machte er sich 2003 selbstständig. Seitdem arbeitet er als Finanzexperte und ist Autor mehrerer Bücher zu Anlagestrategien. www.sommese.de

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