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Der Ritt auf dem Teufelsrad

Stehen sich die Unternehmenslenker in einer herausfordernden Situation gegenüber, kommt es nicht selten zum offenen Bruch. Existieren in solchen Situationen keine Mechanismen zum Erhalt der Handlungsfähigkeit, entsteht für Unternehmen, Mitarbeiter und Firmenlenker ein „Teufelsrad“, das sich immer schneller dreht. 

Insbesondere bei mittelständischen Familien- oder inhabergeführten Unternehmen ist das Zusammenwirken der Unternehmer die unverzichtbare Basis für eine Fortentwicklung des Unternehmens. Liegen Positionen oder Charaktere zu weit auseinander, ist es schwierig, einen gemeinsamen Weg zu finden. Gründe für Gesellschafterstreitigkeiten gibt es viele: unterschiedliche Vorstellungen über die strategische oder operative Ausrichtung des Unternehmens, Unzufriedenheit mit einzelnen Entscheidungen des Mitgesellschafters/-geschäftsführers, Haftungsthemen, Unstimmigkeiten über das Ausschüttverhalten oder schlichtweg menschliche Zerwürfnisse. In Familien- oder inhabergeführten Unternehmen sind deren Gesellschafter zumeist auch die unabkömmlichen „Unternehmenslenker“. Herrscht tiefer gehender Streit zwischen den Gesellschaftern, führt dies oft zum Verlust der Entscheidungsfähigkeit (einem „Deadlock“), folglich zum Stillstand der Fortentwicklung und Handlungsunfähigkeit des Unternehmens.

Das „Teufelsrad“ der Handlungsunfähigkeit

Steht ein Unternehmen vor neuen Herausforderungen wie einer strategischen Neuausrichtung oder gerät es gar in eine wirtschaftliche Krise, werden konsequente und teils „schmerzhafte“ Entscheidungen der Geschäftsführung und der Gesellschafter erforderlich. Der Erfolg einer Restrukturierung liegt in der umfassenden Analyse der Situation, der richtigen Planung und der konsequenten und einheitlichen Umsetzung gemeinsam beschlossener Maßnahmen. Die oben beschriebene Blockade und Handlungsunfähigkeit aber versperrt den Weg des Unternehmens aus der Krise. Dieses sieht sich vielmehr immer größer werdenden Herausforderungen gegenüber, die immer tiefgreifendere Maßnahmen erfordern. Die Restrukturierung kann zusätzliche finanzielle Beiträge der Gesellschafter fordern und teils sehr tiefgreifende strukturelle und gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, die den Verlust von Pfründen Einzelner, wie etwa Mehrheitsrechten oder sonstigen Bevorzugungen, mit sich bringen. Jede dieser zu treffenden Entscheidungen birgt neues Konfliktpotenzial. Von dem so einmal in Gang gebrachten „Teufelsrad“ können nur die Wenigsten noch ohne größere Blessuren absteigen.Suhrkamp & Co.

Erst kürzlich hat ein Mannheimer Gericht bestätigt, dass ein Unternehmen für eine Sanierung im Wege der Eigenverwaltung ungeeignet ist, wenn hinsichtlich des weiteren Weges des Unternehmens Uneinigkeiten zwischen den zwei Gesellschafter-Geschäftsführern bestehen. Der Antrag auf Eigenverwaltung unter der Insolvenzordnung sei unbegründet und das Unternehmen muss folglich den Weg eines herkömmlichen Insolvenzverfahrens gehen, gegebenenfalls abgewickelt werden.

Auch die aktuelle Auseinandersetzung der Gesellschafter des Suhrkamp-Verlages zeigt, zu welchen Folgen ein Gesellschafterzwist inmitten einer Restrukturierung führen kann: nicht zuletzt zu einer vor den Gerichten bis in die letzte Instanz aufbereiteten „Spielwiese“ für Juristen bei gleichzeitiger Blockade der Sanierung des Unternehmens.

Der Verlag Suhrkamp soll nach Willen der Mehrheitsgesellschafterin in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. In dieser hätte der aktuell mit umfangreichen Mitspracherechten ausgestattete Minderheitsgesellschafter erheblich weniger Einfluss. Dieser wehrt sich vehement gegen die mit verschiedenen Sanierungswerkzeugen der Insolvenzordnung angestrengte Restrukturierung. Zuletzt hatte er jedoch vor dem Oberlandesgericht Frankfurt wie dem Bundesverfassungsgericht nach zunächst ersten Erfolgen „Zwischenniederlagen“ einstecken müssen. Eine das Unternehmen erlösende Entscheidung durch den Bundesgerichtshof wird frühestens für den Spätsommer 2014 erwartet. Die Eskalation des Gesellschafterstreits und die daraus folgende Blockade des Suhrkamp-Verlages dauert nun bereits mehrere Jahre und schädigt diesen in noch nicht absehbarem Ausmaß.

Fazit

Insbesondere in von einzelnen Entscheidungsträgern geprägten Unternehmen liegt es in deren Interesse und Verantwortung, die Entscheidungs- und damit die Handlungsfähigkeit in allen Situationen sicherzustellen. Die Gesellschaftsstrukturen sollten mit Mechanismen versehen werden, die auch im Falle von Gesellschafterstreitigkeiten Blockaden des Unternehmens vermeiden helfen. In der Ausgestaltung solcher Mechanismen sind der Phantasie faktisch kaum Grenzen gesetzt: von der Einräumung von Mehrstimmen oder Stimmpflichten in festgelegten Fällen, einem „schwachen“ bis „starken“ Beirat, außergerichtlichen Streitvermeidungs- oder Streitbeilegungsmechanismen bis hin zu Ausscheidensregelungen im Falle eines Deadlock mit so klingenden Namen wie „Texan Shoot Out“ oder „Russian Roulette“ ist vieles denkbar. Die grundsätzliche Entscheidung zum Erhalt der eigenen Entscheidungsfähigkeit und der Akzeptanz der Folgen allerdings nimmt einem Unternehmer niemand ab.


Zur Person
Dr. Florian Herrmann ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Partner der Langwieser Rechtsanwälte. Zu seinen fachlichen Schwerpunkten gehört die Beratung von mittelständischen (oft familien- und inhabergeführten) Unternehmen in strukturellen wie laufenden Rechtsfragen. Langwieser Rechtsanwälte ist eine national wie international tätige Wirtschaftskanzlei mit Standorten in München und in Berlin. www.langwieser.de

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