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Corporate Finance nach Corona – die Serie, Teil 7

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf den M&A-Sektor?

© Photocreo Bednarek – stock.adobe.com

Spätestens seit März war die deutsche Wirtschaft im Würgegriff der Corona-Pandemie. International vernetzte Firmen spürten die Auswirkungen bereits seit den ersten drastischen Maßnahmen in China zum Jahresbeginn. Seit Mai nun bahnt sich eine Lockerung an. Welche Auswirkungen hat die aktuelle Krise auf den M&A-Sektor? Wie haben die Dealmaker die vergangenen Monate erlebt? Wie blicken sie in die Zukunft? Unternehmeredition befragte einige erfahrene Manager zu ihren Einschätzungen. Im Gespräch mit Philipp Haindl und Dr. Dominik Socher.

„Wir sehen die Finanzierungs- und Hilfspakete der Bundesregierung nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie durchaus positiv. Alle Beteiligten haben schnell reagiert und sich um eine zügige Umsetzung bemüht. Auch das Volumen der Maßnahmen war gut kalkuliert. Es bleiben sicher noch Details zu klären, aber wir ziehen ein positives Fazit“, sagt Dr. Dominik Socher zu Beginn des Gespräches. Bei der Beantragung der KfW-Kredite habe es anfangs einige offene Fragen gegeben. Zudem wurden die Kriterien für die Beantragung im Laufe der Zeit immer wieder geändert. Die Beteiligten seien aber mit einer lösungsorientierten Einstellung an die offenen Themen herangegangen.

Hohes Tempo hat sich ausgezahlt

Zahlreiche Portfolio-Unternehmen der Serafin-Gruppe bemühten sich sehr frühzeitig um die KfW-Kredite. Es habe sich herausgestellt, dass die Kriterien für die Vergabe im Laufe der Zeit restriktiver gehandhabt wurden. „Wer früh dran war, der hatte es leichter. Hier hat sich unser hohes Tempo bei der Beantragung der Mittel ausgezahlt“, fügt Philipp Haindl an. Eine Basis für die hohe Geschwindigkeit der Serafin-Portfolio-Unternehmen waren Krisenpläne, die Mitte 2019 ausgearbeitet wurden. Zu dieser Zeit konnte niemand ahnen, was das Corona-Virus wenige Monate später für die Weltwirtschaft bedeuten könnte.

Wie eine Feuerwehr-Übung

„Wir haben von unseren Betrieben ein Konzept gefordert, wie sie auf einen 20%igen Umsatzrückgang reagieren würden. Und dieses Papier haben wir dann besprochen und anschließend in die Schublade gelegt – für den Fall der Fälle“, erklärt Haindl weiter. Nach zehn Jahren Aufschwung sei zu erwarten gewesen, dass irgendwann eine Krise das Geschäft beeinträchtigt. „Eine Krise kommt immer dann, wenn man nicht damit rechnet“, fährt Haindl fort. Für die Holding sei es eine wichtige Aufgabe gewesen, dass man vorbereitet ist: „Das war wie eine Feuerwehrübung“.

„Das muss man erst einmal können“

Der Vorteil bei der Beantragung der KfW-Kredite sei sicher gewesen, dass die eigenen Unternehmen solide finanziert waren. Je nach individuellem Bedarf steuerte die Holding als Gesellschafter auch eigene Mittel bei durch Eigenkapital oder Kredite. „Das muss man aber erst mal können“, fügt Haindl an: „Wir kennen viele vormals erfolgreiche Betriebe, bei denen nun durch die plötzlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie schon Privatvermögen oder Altersvorsorge als Finanzierungsmittel herangezogen werden müssen“. In diesen Fällen sei zu befürchten, dass die Zeit für eine Rettung langsam knapp wird.

Staat könnte ein gutes Geschäft machen

Haindl legt auch Wert auf die Feststellung, dass die Kredite kein Geschenk der Regierung an die Wirtschaft seien: „Kredite müssen erst einmal zurückgezahlt werden. Und wenn die Unternehmen überleben werden, dann macht der Staat aufgrund der Zinsen vielleicht sogar noch ein gutes Geschäft. Der Steuerzahler wird nur bei Unternehmen zu Kasse gebeten, die in die Pleite rutschen und die Kredite nicht zurückzahlen können“. Die Refinanzierung der Kredite sei eine Bürde für die Unternehmen in den kommenden Jahren – das habe langfristige Auswirkungen auf Investitionen und Unternehmensplanung. Die Vorgaben der KfW-Kredite sehen zudem vor, dass während der Laufzeit keine Ausschüttung an Gesellschafter möglich ist. Natürlich müssen Darlehen vom Staat vorrangig bedient werden, aber für einige Familienunternehmen kann diese Restriktion zu Problemen führen.

Diversifiziert aufgestellte Unternehmensgruppe

Im Portfolio der Serafin-Gruppe sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie unterschiedlich. Die BHS tabletop AG stellt Porzellan für das Hotel- und Gastronomiegewerbe her und leidet gerade stark unter dem Einbruch des Tourismus. Bei anderen Gesellschaften gab es nach Aussage von Socher auch negative Effekte, aber nicht in diesem Umfang. So erlebte beispielsweise das Unternehmen suki.international, als Systemlieferant für Bau- und Heimwerkermärkte, nach der Wiedereröffnung sogar sehr starke Nachholeffekte, die inzwischen aber wieder abgeflacht sind. Mit einer nachhaltig positiven Entwicklung durch die Auswirkungen der Pandemie rechnen die Serafin-Chefs bei der Exolon Group, die unter anderem Kunststoff-Platten herstellt. „Wir liegen bis November bei einer 100%igen Auslastung und rechnen uns für die Zukunft weiter gute Chancen aus“, sagt Socher. Der Bedarf an Schutzscheiben in Geschäften, Restaurants und anderen Stellen im öffentlichen Raum dürfte weiter anhalten. Zudem müssten diese Scheiben nach einer gewissen Zeit erneuert werden. Und für die Zukunft sieht man bei Exolon auch zusätzlichen Bedarf in Sportstadien oder Museen.

M&A-Preisniveau dürfte sinken

Haindl und Socher rechnen zumindest mittelfristig mit einem sinkenden Preisniveau bei M&A-Transaktionen und auch mit einer Abnahme der Deals. Als Gewinnerbranchen der Pandemie sehen sie unter anderem Unternehmen der Medizintechnik. „Aber viele Investoren haben immer noch volle Taschen, auch wenn das nicht mit der gesamtwirtschaftlichen Lage korrespondiert“, sagt Socher. Eine der Auswirkungen der Krise sieht Socher in einer restriktiveren Haltung der Banken bei der Finanzierung von Akquisitionen. Bei der Abwicklung von Transaktionen werde sich das stark auswirken.

„Wir suchen weiter und sind am Markt aktiv“

Die vermeintlich schlechten Voraussetzungen halten die Serafin Holding aber nicht davon ab, weiter die Augen offen zu halten: „Wir suchen weiter und sind am Markt aktiv – in erster Linie schauen wir uns nach Add-On-Chancen um“, erklärt Haindl. Die Phase der Liquiditätssicherung sei schon ein Weilchen vorbei und nun gehe es um die Perspektive für die Zukunft. In keinem der Portfolio-Unternehmen gibt es einen Investitionsstop. In der aktuellen Lage seien aber wenige spannende Deals auf dem Markt. „Wir sind jedoch zuversichtlich, dass sich zeitnah erneut interessante M&A-Projekte ergeben werden “, erklärt Socher.

Der optimale Kandidat für ein Investment ist aus Sicht von Socher ein Unternehmen, das nicht zum Kerngeschäft von Konzernen gehört und an einen langfristig orientierten Käufer veräußert werden soll. Interessant könnten zudem Nachfolgesituationen sein, die bis zur Krise gut gelaufen sind und nun aufgrund der Sondersituation frisches Eigenkapital sowie operative Unterstützung benötigen. Aufgrund der Corona-Pandemie werde man sich bei Serafin aber die Unternehmen noch intensiver anschauen, als dies vorher schon geschehen sei.

„Als Kapitän muss man auf der Brücke bleiben“

Die ersten Wochen der Pandemie erlebt das Serafin-Team im Home-Office. Die entsprechenden Maßnahmen wurden schnell eingeleitet. Eine Kerntruppe blieb aber im Büro, denn – so Haindl: „Als Kapitän muss man auf der Brücke bleiben“. Es habe immer wieder den Bedarf an schnellen Entscheidungen gegeben – gerade in der Anfangsphase der Pandemie. Da müsse man „die Nerven behalten“ das sei „nicht die Zeit für Kurzschlussreaktionen“.

Bereits vor der Corona-Pandemie gab es verstärkte Tendenzen zu Remote-Work und zur Einsparung von Geschäftsreisen. „Wir haben die Status-Meetings mit den Portfolios bereits 2019 reduziert und damit gute Erfahrungen gemacht“, sagt Socher. Dennoch werde es weiter persönliche Treffen geben müssen, denn der menschliche Kontakt sei nicht zu ersetzen. In der Gruppe habe es auch während der Krise einen regen Austausch gegeben, wenn es um Best-Practice-Beispiele ging. Das galt beispielsweise für die möglichst optimale Beantragung der KfW-Kredite.

Erholung der Wirtschaft wohl erst 2023

Haindl und Socher rechnen mit einer nachhaltigen Erholung der Wirtschaft erst im Jahr 2023. Man habe schon in der Vergangenheit eher konservativ geplant und werde das gerade in diesen Zeiten nicht ändern. In jedem Falle werde die Krise länger dauern, als die Finanzkrise vor zehn Jahren und die Folgen seien in vielen Branchen tiefgreifender. Eine Lehre aus der Krise sei für die Serafin-Gruppe, dass man bei der Gestaltung des Portfolios weiter auf Diversifizierung achtet.


ZU DEN PERSONEN

Philipp Haindl begann berufliche Laufbahn bei KPMG als Assistent in der Wirtschaftsprüfung, bevor er in den Bereich Corporate Finance mit Schwerpunkt Unternehmensbewertung wechselte. Darüber hinaus war er vor Gründung der Serafin Unternehmensgruppe in der familieneigenen Vermögensverwaltung tätig und arbeitete im Bereich Unternehmensanalyse und -erwerb bei einer Beteiligungsgesellschaft. www.serafin-gruppe.de

Dr. Dominik Socher begann seine berufliche Laufbahn hat er bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG im Bereich Corporate Finance begonnen. Anschließend wechselte er zu Duff & Phelps und unterstützte beim Aufbau des deutschen Standortes in München. Seit Anfang 2011 ist er bei der Serafin Unternehmensgruppe tätig und war wesentlich an der bisherigen erfolgreichen Entwicklung der Unternehmensgruppe beteiligt. In diesem Zusammenhang war er unter anderem als Projektleiter für zahlreiche Transaktionen verantwortlich. Seit 2018 leitet er als Geschäftsführer der Serafin Unternehmensgruppe die Bereiche Unternehmenserwerb sowie Finanzierung. www.serafin-gruppe.de


Weitere Beiträge aus der Serie “Corporate Finance nach Corona”:

1. Board Xperts: “Es gibt auch Gewinnerbranchen”
2. Abacus Alpha: „Das Spektrum zu beachtender Risiken hat sich definitiv erweitert“
3. Oaklins: „Die Globalisierung ist nicht am Ende“
4. Gimv: „Wir sind im Deal-Mode“
5. Primepulse: „Jetzt ist die Zeit der Macher und Anpacker“
6. Ebner Stolz: „Wir bemerken in unseren Gesprächen ein hohes Maß an Kreativität bei den Unternehmen“
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10. SGP Schneider Geiwitz Corporate Finance: „Man kann immer noch sehr gut Unternehmen verkaufen“
11. Finanzierung.com: “Viele klassische Finanzierer sind vorsichtig geworden”
12. Warth & Klein: “Der Hunger am Markt ist groß”
13. SNP Schneider-Neureither & Partner: “Es wird zu einem deutlichen Anstieg der M&A-Aktivitäten kommen”
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