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Corporate Finance nach Corona – die Serie, Teil 5

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf den M&A-Sektor?

© Photocreo Bednarek – stock.adobe.com

Spätestens seit März war die deutsche Wirtschaft im Würgegriff der Corona-Pandemie. International vernetzte Firmen spürten die Auswirkungen bereits seit den ersten drastischen Maßnahmen in China zum Jahresbeginn. Seit Mai nun bahnt sich nun eine Lockerung an. Welche Auswirkungen hat die aktuelle Krise auf den M&A-Sektor? Wie haben die Dealmaker die vergangenen Wochen erlebt? Wie blicken sie in die Zukunft? Unternehmeredition befragte einige erfahrene Manager zu ihren Einschätzungen. Im Gespräch mit Klaus Weinmann.

Unternehmeredition: Herr Weinmann, wie bewerten Sie die verschiedenen Hilfspakete der öffentlichen Hand im Zuge der Coronakrise? Sind sie ausreichend – überzogen – zu spät?
Weinmann: 
Der wirtschaftliche Schaden durch den Shutdown ist massiv. Für viele Branchen und Unternehmen sind die Verluste leider nicht oder nur sehr schwer wieder auszugleichen. Die getroffenen kurz- und langfristigen Hilfsmaßnahmen sind wichtig, um die Schlüsselindustrien zu stützen, aber auch für alle anderen Wirtschaftszweige entscheidend. Das schnelle Handeln der Regierung ist hilfreich, Deutschland ist besser aufgestellt als andere Länder. Mehr hilft kurzfristig mehr, führt aber auch zu mehr Schulden, die die Zukunft belasten. Insofern denke ich, das Hilfspaket ist ausreichend, solange die Krise sich nicht durch weitere Shutdowns verschärft.

Wie haben sich die Bedingungen zur Finanzierung von Unternehmen verändert?
Durch die Corona-Krise sind für viele Unternehmen vor allem Überbrückungsfinanzierungen notwendig geworden, bei denen der Verhandlungsspielraum auf Seiten des Unternehmens eher beschränkt ist. Bei Wachstumsfinanzierungen werden Banken und Investoren noch mehr Fokus auf die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells in Bezug auf digitales Wertschöpfungs- und Wachstumspotenzial legen.

Gibt es Krisen-Gewinner-Branchen? Wo wären Investments aus Ihrer Sicht gerade lohnend?
Wir haben unser Beteiligungsportfolio in der PRIMEPULSE Gruppe auf die Bereiche ausgerichtet, von denen wir uns ein langfristiges Wachstumspotenzial versprechen. Das sind zum Beispiel der Bereich Digital Solutions, Electronics und Machine Vision. Die Coronakrise hat uns darin bestärkt. Wir sehen technologieorientierte Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell beispielsweise im Umfeld von Digitalen Plattformen, E-Commerce, Software, IoT oder Industrie 4.0 haben, als zukunftsträchtige Investments. Mit ExactlyIT und glueckkanja-gab bauen wir einen Cloud Application und Cloud Service Provider auf. Die KATEK Gruppe, unsere führende Marke im Unternehmensbereich Electronics, und die STEMMER IMAGING AG, die unseren Bereich Machine Vision bildet, sind unter anderem stark in der Medizintechnik aufgestellt.

Haben Sie sich für Ihre Portfolio-Unternehmen oder Mandanten um KfW-Kredite bemüht? Wie waren hier die Erfahrungen?
Wir haben uns das Thema angesehen und festgestellt, dass wir kein KfW-Kreditkandidat sind. Wir konnten die Krise auch leicht mit eigenen Mitteln stemmen und haben darüber hinaus ausreichend liquide Mittel für mögliche Zukäufe.

Wie wird sich das Preis-Niveau bei M&A-Transaktionen entwickeln?
Das wird sehr stark vom Unternehmen abhängen. Transaktionen im Tech-Umfeld dürften zum Treiber für den M&A-Markt werden. Hier könnte das Preis-Niveau stabil bleiben, wenn nicht sogar steigen. Für alle anderen Unternehmenstransaktionen sehe ich die Bewertungen auf Vor-Corona-Niveau für nicht haltbar, wenn die Wirtschaft wie prognostiziert schrumpfen und die Planungsunsicherheit zunehmen wird.

War das Preisniveau in der Vergangenheit zu hoch?
Wir beobachten die Bewertungen für Unternehmen sehr genau und sahen den Gesamtmarkt schon seit längerem als überhitzt an.

Macht es in diesem Jahr überhaupt noch Sinn, nach Investments zu suchen – da die Unternehmensbewertung sehr schwierig geworden ist?
Wir gehen davon aus, dass wir infolge der Coronakrise attraktive Unternehmen zu vernünftigen Preisen zukaufen und dadurch umso besser performen können. In unserer langjährigen Unternehmerlaufbahn waren wir mit Akquisitionen rückblickend immer dann am erfolgreichsten, wenn wir nicht jede Euphorie mitgemacht und sogar gegen die Marktmeinung agiert haben. Das heißt wir haben bewusst zugekauft, wenn sich keiner mehr getraut hat. Genau diese Unternehmen haben sich als Durchstarter erwiesen, als der Markt wieder gedreht hat.

Was raten Sie Unternehmen/Unternehmern/Anteilseignern, die aktuell über einen Firmenverkauf nachdenken oder die gerade schon in einem Verkaufsprozess stecken?
Wenn die Gründe für einen Unternehmensverkauf schlüssig sind und die Vorstellungen beider Parteien nicht zu weit auseinander gehen, ist das immer eine Basis für ernsthafte Gespräche. Die Coronakrise hat den Digitalisierungsdruck auf die Unternehmen noch weiter erhöht. Unternehmensakquisitionen sollten daher gerade auch für Mittelständler zum Instrumentarium für die Digitale Transformation und beschleunigtes Wachstum gehören. Entscheidend ist, dass die Chemie zwischen dem Verkäufer beziehungsweise dem Unternehmen und dem Käufer stimmt. Unternehmer wollen ihre Firma in guten Händen wissen. Schließlich soll die Fortführung für die Mitarbeiter und die Region Stabilität und Zukunftssicherung bieten. Oft geht es daher neben dem Kaufpreis um Vertrauen und Integrität.

Was sind Ihre „Lessons Learned“ aus der Corona Krise – für Sie subjektiv und für Ihr Unternehmen?
Wir haben mit unseren Unternehmen über Jahrzehnte jeden Geschäftsabschwung überstanden und es dabei niemals bereut, uns schnell und entschlossen an die sich ändernden Umstände angepasst zu haben. Auch diese Krise hat uns wieder deutlich gemacht, dass Agilität, Flexibilität und Schnelligkeit extrem wichtig sind, um unsere Bilanz- und Finanzkraft zu sichern. Wir müssen vor allem die Chancen der Krise sehen. Jetzt ist die Zeit der Macher und Anpacker. Um die Welt nach beziehungsweise mit Corona zu gestalten braucht es konstruktives, innovatives Denken und kollektive Anstrengung.

Welche mittel- bis langfristigen Folgen sehen Sie für die (globale) Wirtschaft aus der aktuellen Krise?
Die jetzige Coronapandemie wird beherrschbar und vorbeigehen. Aber viele Veränderungen, die dadurch entstanden sind, werden bleiben – und das zu Recht. Globale Lieferketten werden überprüft und regionale Anbieter werden wichtiger. Viele Unternehmen integrieren moderne Arbeitsplatzkonzepte und nutzen weiterhin die Vorteile einer flexiblen Business Kommunikation und Zusammenarbeit. Es wäre wünschenswert, dass der Impuls der Digitalisierung, der aktuell durch das Land geht, anhält und unsere Wirtschaft langfristig zukunftsfähig macht.

Wo sehen Sie bei der Coronakrise Parallelen und Unterschiede zur Finanzkrise 2008/2009?
Die Auswirkungen der Coronapandemie sind radikaler und abrupter. Sie hat die Realwirtschaft sofort und im Ganzen getroffen. Herausfordernd ist zudem, den Schutz unserer aller Gesundheit sowie der (Gesundheit) unserer Unternehmen unter einen Hut zu bringen. Nach dem schweren Konjunktureinbruch 2009 bereitet im Rückblick das schnelle Wiederanspringen der deutschen Wirtschaft und ein langanhaltender Aufschwung Hoffnung. Ökonomen rechnen aktuell mit einer ähnlichen Entwicklung: Die deutsche Wirtschaft dürfte schon im kommenden Jahr wieder auf ihren Wachstumskurs zurückkehren. Im Vergleich zur Finanzkrise hat die Wirtschaft kein strukturelles Problem und es wurde sofort mit massiver Liquidität und Hilfsprogrammen gegensteuert. Trotzdem sind die Unternehmen in ihrer Arbeit und Leistungserbringung durch die Pandemie behindert. Entsprechend unterscheiden sich die beiden Krisen deutlich.


ZUR PERSON

Klaus Weinmann ist CEO & Co-Founder der technologieorientierten Beteiligungsholding PRIMEPULSE SE. Zuvor hat er als Mitgründer und langjähriger CEO der CANCOM SE den Auf- und Ausbau der stark wachsenden Unternehmensgruppe und die Transformation zum Digital Transformation Partner maßgeblich vorangetrieben. www.primepulse.de

 


Weitere Beiträge aus der Serie “Corporate Finance nach Corona”:

1. Board Xperts: “Es gibt auch Gewinnerbranchen”
2. Abacus Alpha: „Das Spektrum zu beachtender Risiken hat sich definitiv erweitert“
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