Zwischen Wert und Werten

Die Affäre Khashoggi um einen ermordeten saudischen Regimekritiker zeigt: Das Thema Compliance ist aktuell wie nie. Menschenrechte, Korruption und Arbeitsbedingungen in Drittländern finden heute im Mittelstand mehr Beachtung. Dabei wird klar: Nicht jedes Unternehmen kann alle Faktoren beeinflussen.

Start-ups setzen ihre eigenen Standards

Waldemar Zeiler und Philip Siefer vom Start-up Einhorn Products: 50 Prozent des Gewinns gehen in soziale Projekte entlang der Lieferkette © einhorn products GmbH
Waldemar Zeiler und Philip Siefer vom Start-up Einhorn Products: 50 Prozent des Gewinns gehen in soziale Projekte entlang der Lieferkette © einhorn products GmbH

Ethische Ansprüche können auch Spaß machen. Das beobachtet man vor allem bei Start-ups und jungen Unternehmen. Sie versuchen, sich so Vertrauen auf dem Markt zu erarbeiten, definieren über ihre Standards sogar ihre Marke. Einhorn Products etwa, ein Kondomhersteller aus Berlin, setzt sich offen mit den manchmal schwierigen Produktionsbedingungen in Malaysia auseinander – und reinvestiert 50 Prozent des Gewinns in soziale Projekte entlang der Lieferkette. Auch das Ökostrom-Start-up Polarstern spendet einen Teil des Umsatzes an Kambodscha und Mali, um dort eine nachhaltige Energieversorgung mit Biogasanlagen zu unterstützen. Der Taschenhersteller Fond of Bags aus Köln macht alle Beschwerdefälle auf der Firmenwebsite öffentlich, die ihre Fabrikmitarbeiter in Fernost einreichen. So kann jeder selbst nachlesen, wie Missstände aufgearbeitet werden. Fond of Bags ist sogar mit der gesamten Belegschaft nach Vietnam gereist, um sich persönlich mit den Arbeitern zu treffen. Sowohl Einhorn Products als auch Fond of Bags haben ihre Reisen gefilmt und prominent auf die Website gestellt – klassischer Start-up-Spirit eben.

Fairerweise muss man dazu sagen, dass die jungen Wilden in Compliance-Fragen im wahrsten Sinne des Wortes einen Startvorsprung haben. Es gibt weniger tradierte Verpflichtungen, stattdessen viel Spielraum, Neues auszuprobieren. Und natürlich sind Maßnahmen, die sich auf die eigene Firma beziehen, leichter zu gestalten, als einen geschlossenen Boykott gegen Saudi-Arabien zu organisieren. Der Fokus ist verschieden: In dem einen Fall geht es um Menschenrechte im Kleinen, in der eigenen Produktion. Im anderen geht es um Menschenrechte im Großen, in der gesamten Gesellschaft.

Nichtsdestotrotz braucht die Welt mehr erfolgreiche Vorbilder. Nur so wirkt gutes Handeln ansteckend auf Konsumenten, Wettbewerber und Branchen, im besten Fall auf ganze Volkswirtschaften. Ein Kartell der Sittlichen könnte entstehen. Oder, wer es weniger moralisch mag, ein Kartell, das global denkt und lokal handelt. Es ist eine Utopie, die gerade in der heutigen Zeit vom Alternativlosen abweicht.

 

Autorenprofil

Maximilian Gerl ist Absolvent der Deutschen Journalistenschule und schreibt als Autor für die Unternehmeredition.

www.maximilian-gerl.de

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