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Cash is King

Das Zusammentreffen von Finanzkrise und Wirtschaftsflaute droht viele Unternehmen in eine gefährliche Pattsituation zu bringen: Während durch rückläufige Absatz- und Ertragszahlen Covenant-Brüche bei den existierenden Krediten drohen, werden Refinanzierungen und die Beschaffung frischen Kapitals deutlich schwieriger.

Von Dr. Axel Schulte und Michael Baur, AlixPartners

Das Zusammentreffen von Finanzkrise und Wirtschaftsflaute droht viele Unternehmen in eine gefährliche Pattsituation zu bringen: Während durch rückläufige Absatz- und Ertragszahlen Covenant-Brüche bei den existierenden Krediten drohen, werden Refinanzierungen und die Beschaffung frischen Kapitals deutlich schwieriger. Der weggebrochene Markt für Kreditverkäufe sorgt dafür, dass Altgläubiger nicht mehr so schnell wechseln können. In dieser Situation lassen sich Banken wie Investoren nur von verbesserten Basiszahlen überzeugen. Im Rahmen der Rückbesinnung des Finanzmarkts auf fundamentale Werte wird die Optimierung von Ertragskraft und Liquidität zur entscheidenden Aufgabe von Unternehmen aller Branchen.

Frisches Kapital wird schwerer erhältlich

In den nächsten Jahren wird die Wirtschaft in eine neue Finanzierungssituation geraten, die mittelfristig alle Unternehmen treffen wird: Während die weltweite Finanzkrise in eine neue Runde geht, naht eine nachhaltige Wirtschaftsflaute. Letztere führt dazu, dass zahlreiche Unternehmen ihre Umsatz- und Ergebnisplanungen teilweise deutlich nach unten korrigieren müssen und mit mehr oder weniger Verzögerung Covenant-Brüche erleiden. Dennoch verspricht eine Neuverhandlung der Covenants mehr Erfolg als eine Refinanzierung. Künftig wird es deutlich schwerer, neues Fremdkapital aufzunehmen oder Refinanzierungen auf die Beine zu stellen. Finanzierer ziehen angesichts der eigenen und der konjunkturellen Lage die Zügel bei der Mittelvergabe an: Genügte in den letzten Jahren häufig bereits ein optimistischer Businessplan, um eine Finanzierung zu erhalten, so stehen jetzt wieder verstärkt die fundamentalen Daten des Kreditnehmers im Vordergrund. Künftig wird es wieder weniger um den wohlklingenden Namen eines Passivpostens gehen. Ob Super Senior, Second Lien, Subordinated Debt oder Mezzanine-Kapital – ein Kredit ist ein Kredit, und der kann nur aus dem Cashflow bedient werden, den das Unternehmen erwirtschaftet.

Markt für “Distressed Debts” weggebrochen

Auch die Banken sehen sich einer neuen Situation gegenüber. Sie haben nun keinen Markt mehr, um “Distressed Debts” vergleichsweise einfach verkaufen zu können. Stattdessen müssen sie die von ihnen vergebenen Kredite dauerhaft betreuen, egal wie sie sich entwickeln. Die Banken werden dadurch wieder stärker auf eigene “Workout”-Abteilungen zurückgreifen – diejenigen von ihnen, die diesen Bereich über die letzten Jahre erhalten haben, werden voraussichtlich erfolgreicher am Markt agieren können. Gefahr besteht für Banken vor allem bei den sogenannten “Covenant Light”-Finanzierungen, bei denen die Gläubiger erst sehr spät einschreiten können. Bei einem zusätzlichen Finanzierungsbedarf aufgrund einer vom ursprünglichen Businessplan negativ abweichenden Liquiditätsentwicklung werden aber auch “Covenant-Light”-finanzierte Unternehmen den Gang zu ihren Finanzierern antreten müssen, auch wenn es nicht zu einem Covenant-Bruch gekommen ist. Das ist dann die Chance der Finanzierer, alle Covenants “marktgerecht” neu zu verhandeln.

Anteilseigner künftig stärker gefordert

Eine der größten aktuellen Gefahren für Unternehmen ist das Austrocknen jeglicher Liquidität, wenn die Fremdfinanzierung unmöglich wird. Ein akuter Mangel an Cash führt zu komplett gelähmten Unternehmen, die nicht über die notwendigen Mittel für neue Investitionen oder für erforderliche Restrukturierungen verfügen. Um solche Situationen zu überwinden, werden die Anteilseigner in Zukunft häufiger zur Intervention gezwungen sein. Aktionäre und institutionelle Investoren wie etwa Private Equity-Unternehmen werden in einigen Fällen eine Entscheidung zwischen dem Totalverlust ihrer Anteile und dem Nachschießen frischer Gelder zu treffen haben. Die professionellen Investoren werden weniger neue Engagements eingehen und sich auf die Optimierung ihrer bestehenden Beteiligungen konzentrieren. Auch Schuldenrückkäufe zum Erhalt von Aktienmehrheiten werden zunehmen.

Renaissance der einfachen Wahrheiten

Die Finanzkrise ist der Auslöser einer Rückbesinnung des Kapitalmarkts auf alte Werte. Viele der in den letzten Jahren hochgejubelten Finanzierungen werden die aktuelle Bereinigung des Markts nicht überleben. Ebenso müssen viele – vermeintliche – Assets in den Bilanzen bald wertberichtigt werden. Businessmodelle und Unternehmensplanungen werden künftig wieder stärker auf ihre Wert- und Nachhaltigkeit hinterfragt, was in vielen Fällen zu einer vollständigen Neubewertung führen wird. Refinanzierungs- und Restrukturierungs-Verhandlungen werden sich auf Gespräche mit jenen Parteien konzentrieren, die im Falle einer Insolvenz alles verlieren. Neben dem reinen Cashbedarf wird in vielen Fällen auch ein hoher Eigenkapitalbedarf entstehen. Vor allem das Zuführen von Eigenkapital wird helfen, mithilfe konservativerer Bilanzrelationen wieder mehr Stabilität in die Unternehmen zu bringen.

Selbstfinanzierung als Königsweg

Die gesamte geschilderte Entwicklung wird den Druck auf die Unternehmen erhöhen, sich wo immer möglich durch einen starken eigenen Cashflow selbst zu finanzieren. Entscheidend hierfür ist die konsequente Nutzung aller Möglichkeiten zur Verbesserung von Ertragskraft und Liquidität. Vielfach bewährte und sicher wirkende Instrumente sind die Optimierung des Working Capital und ein verbessertes Cash Management. Sie kombinieren sofortige Cash-Effekte mit einer mittel- bis langfristigen Optimierung der fundamentalen Ertragskraft. So können etwa Inventar-Bereinigungen und Lager-Abverkäufe sehr kurzfristig Liquidität zuführen. Häufig generieren auch eine stärkere Nachverfolgung überfälliger Forderungen, die Abkehr von der Skonto-Mentalität oder die Straffung des Mahnwesens schnell Cash.
Mittelfristig erlaubt die Optimierung der Supply Chain unter anderem Bestandsreduzierungen und Durchsatz-Beschleunigungen. Finanzierungsalternativen wie Factoring oder das Leasing von Patenten und anderer selbst erstellter Wirtschaftsgüter sollten ebenfalls geprüft werden. Die Optimierung des Cash-Managements im Unternehmen betrifft das gesamte Finanzierungssystem. Die hier mögliche Bandbreite an Maßnahmen reicht von einem konzerninternen Liquiditätsausgleich (“Cash Pooling”) über die Freisetzung blockierter Gelder (“Trapped Cash”) bis hin zur Einführung einer rollierenden Cashplanung, mit der die Planungsqualität erhöht und damit die Steuerbarkeit der Zahlungsströme im Unternehmen vereinfacht werden können. Auch Neuverhandlungen der Zahlungsziele gehören auf die Liste der zu prüfenden Maßnahmen zur Verbesserung des Cashflows.

Fazit:
In einer solchen Finanzierungskrise gilt der Grundsatz “Liquidität vor Ertrag”, und somit ist auch der Verkauf von profitablen Unternehmenseinheiten manchmal unvermeidlich. Es ist ein altes Sprichwort, das die notwendigen Prioritätensetzung gerade in einer Krisensituation auf den Punkt bringt: Revenue is vanity, profit is sanity, but cash is king.


Zu den Personen: Dr. Axel Schulte und Michael Baur
Dr. Axel Schulte und Michael Baur (theiliger@alixpartners.com) sind als Managing Directors bei AlixPartners tätig. Das 1981 in Detroit gegründete Beratungsunternehmen ist auf Turnaroundmanagement und Ertragssteigerungsprogramme spezialisiert. AlixPartners beschäftigt weltweit in dreizehn Büros 800 Mitarbeiter.
www.alixpartners.com

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