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Cash für leere Kassen

Nach dem Rückzug von Paragon steigt Droege bei Weltbild ein. OpCapita ist neuer Gesellschafter bei NKD und Karstadt hat mit René Benko und Nicolas Berggruen jetzt zwei schillernde Privatinvestoren. Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Der klassische Handel durchlebt einen grundlegenden Veränderungsprozess mit steigender Beteiligung von Private Equity (PE).

Traditionelle Geschäftsmodelle unter Druck

Der Handel wurde in den letzten Jahren durch den Einzug disruptiver Geschäftsmodelle geprägt, die insbesondere auf der digitalen Transformation und dem aggressiven Markteintritt neuer Wettbewerber beruhen. Kundenbedürfnisse und -kaufverhalten haben sich rapide geändert, Strategien und Strukturen wurden hingegen vielfach nicht schnell genug angepasst.

Als Folge leiden Handelsunternehmen einerseits unter akuten Margenproblemen getrieben durch steigende Kosten bei Energie, Miete und Personal sowie Preisdruck. Dieser ist insbesondere auf Überkapazitäten (z.B. bei Warenhäusern und Baumärkten) und schlanker aufgestellte Wettbewerber zurückzuführen. Trotzdem muss dringend investiert werden, um etwa erforderliche Multichannel-Strategien umzusetzen oder operative Effizienzpotenziale zu heben.

Strategische und strukturelle Ansatzpunkte

Zwingende Voraussetzung für den dauerhaften Erfolg ist ein robustes Geschäftsmodell mit einer für das Unternehmen sinnvollen Verzahnung von stationärem und Online-Handel. Ohne signifikante Investitionen in die IT-Landschaft wird vor allem bei digitalisierten Geschäftsmodellen die erforderliche Transformation nicht zum Erfolg führen, da die operative Leistungsfähigkeit sonst kein wettbewerbsfähiges Niveau erreicht.

In einem weiteren Schritt sind Aufbau- und Ablauforganisation sowie die Fixkostenstruktur nachhaltig auf die Geschäftsmechanik auszurichten. Aus unserer Erfahrung schlummern hier Effizienzpotenziale von mehr als 10 Prozent. Durch konsequentes Kostenmanagement kann der Break-Even-Punkt deutlich gesenkt werden, so dass er bereits bei ca. 70 Prozent Kapazitätsauslastung des Unternehmens erreicht wird. Ansatzpunkt ist neben nachhaltiger Kostenreduzierung vor allem auch Outsourcing von Funktionen, die nicht zur Kernkompetenz gehören. Für eine erfolgreiche Restrukturierung des Retailers sollte die gesamte Wertschöpfungskette angegangen und an allen relevanten Stellschrauben gedreht werden.

Operative Stellhebel

Beim Sortiment sind schnelle Optimierungen möglich, indem Verlustbringer konsequent gestrichen und Komplexitäten reduziert werden. Die Erfahrung zeigt, dass häufig eine geringe Anzahl der Artikel den Großteil des Umsatzes und des Deckungsbeitrags erwirtschaftet. Die „Stock Keeping Units“ müssen abgebaut sowie durch ein ausuferndes Größen- und Farbangebot entstandene „Tail Ends“ eliminiert werden. Dies ermöglicht auch für Einkauf und Beschaffung eine genauere Planung und verhindert somit den Aufbau von unnötigen Beständen. Zusätzlich empfiehlt sich eine Optimierung des Lieferantenportfolios. Hierbei sollten Mengen gebündelt werden, ohne den Aufbau eines starken B-Lieferanten-Portfolios zu vernachlässigen. Wichtiger Einflussfaktor ist neben der Spanne und den Mindestmengen die Beschaffungszeit der Artikel.

Auch im Vertrieb müssen die Verlustbringer angegangen werden. Je nach Geschäftsmodell handelt es sich hierbei um Werbemittel (z.B. Kataloge) bzw. Stores und sie können ganze Kundengruppen umfassen. Ferner müssen die Vertriebskosten analysiert und mit der Vertriebsstrategie in Einklang gebracht werden. Im Bereich Logistik treffen wir immer wieder auf Investitionsstau verbunden mit Ineffizienzen bei der Personaldimensionierung. Durch Harmonisierung von Distributionsmodell und Warenlager sind spürbare Verbesserungen erzielbar.

Der PE-Investor als Kapital- und Ideengeber

Meist verursachen Umstrukturierungen aber zunächst Kosten, bevor die Einsparungseffekte greifen. Aber die Handelsunternehmen und deren Altgesellschafter können oftmals die für den Umbau benötigte Liquidität nicht mehr aus eigener Kraft aufbringen. Vor allem wenn die Unternehmen bereits als Sanierungsfälle eingestuft sind, wird zusätzliches Kapital von Bankenseite nur in absoluten Ausnahmefällen bereitgestellt und die Zufuhr der erforderlichen Finanzmittel meist nur noch von Risikokapitalgebern geleistet.

Die PE-Häuser als reine Kapitalgeber zu klassifizieren, greift aber deutlich zu kurz. Gerade beim Umbau des Retail-Sektors verfolgen die Investoren oftmals Buy & Build-Ansätze und gestalten so aktiv die Marktkonsolidierung mit. In diesen Fällen realisieren PE-Investoren nicht selten auch wichtige Kostenvorteile, indem sie über ihre Portfoliofirmen Einkaufskonditionen bündeln, etwa bei Logistikdienstleistungen.

Beschleunigte Umsetzung

Ein zentraler Wettbewerbsvorteil von PE-geführten Unternehmen ist in der Regel, dass notwendige Transformationsprozesse deutlich schneller umgesetzt werden. Bei Bedarf können Industrieexperten, Berater oder Interim-Manager aus dem Netzwerk vermittelt werden, die mit ihren Erfahrungen wertvolle Impulse geben. Ferner begleiten PE-Investoren meist pro-aktiv den Change-Prozess durch ein konsequentes Umsetzungsmanagement. Hierzu gehören vor allem ein 100-Tage-Plan und das Aufsetzen eines professionellen PMO (Project Management Office) für die definierten Maßnahmen, inklusive klarer Verantwortlichkeiten, fester Reporting-Zyklen und standardisierter Berichte. Schließlich wird gemeinsam mit dem Portfoliounternehmen ein Businessplan als Zielvorgabe aufgestellt, der alle definierten Verbesserungsmaßnahmen beinhaltet. Durch monatliche Soll-Ist-Analysen können Abweichungen zeitnah festgestellt und umgehend geeignete Gegensteuerungsmaßnahmen ergriffen werden.

Fazit

Der Handel bleibt im Umbruch und Restrukturierungen an der Tagesordnung. Bei der anstehenden Marktkonsolidierung werden PE-Investoren mit ihren finanziellen Ressourcen und teilweise langjähriger operativer Branchenerfahrung als aktiver Treiber von Veränderungen eine entscheidende Rolle spielen.


Zu den Personen

Johann Stohner ist Managing Director und Michael Wechsler ist Director bei Alvarez & Marsal (A&M) Deutschland GmbH. Seit Gründung im Jahre 1983 zählt A&M zu den international führenden Anbietern von Programmen zur ganzheitlichen Wertsteigerung von Unternehmen, von Sanierungsberatung, Interim-Management, Transaktionsberatung sowie Programmen zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität. www.alvarezandmarsal.com

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