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Brexit – wie geht es weiter?

Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis die vollen Auswirkungen des Brexit zu spüren sind. Die KfW senkt schon mal ihre Wachstumsprognose.  

Der Brexit ist ein Schock, dessen wahre Auswirkungen sich erst im Lauf der Zeit zeigen werden. Die Märkte reagierten jedoch sofort: Am Tag nach dem Referendum brachen DAX und FTSE so stark ein wie seit der Finanzkrise nicht mehr, das Pfund verlor dramatisch an Wert. Als eines der ersten Top-Institute hat die KfW nun ihre Konjunkturerwartung für Deutschland und die Eurozone gesenkt. Wegen des Brexit soll die Wirtschaft in Deutschland in diesem Jahr nur um 1,5 statt um 1,7 Prozent wachsen. Im nächsten Jahr sollen es gar nur mehr 1,2 Prozent statt 1,8 Prozent sein – ein deutlicher Abschlag. Noch düsterer sieht es für die Eurozone aus: Nach langem wirtschaftlichem Stillstand hätte die Wirtschaft dort endlich mal wieder kräftig zulegen sollen, um 1,6 Prozent in diesem und 1,8 Prozent im nächsten Jahr. Stattdessen wird der Zuwachs laut KfW nun bei 1,3 bzw. 1,1 Prozent liegen. „Das Brexit-Votum ist ein Eigentor für das Vereinigte Königreich, doch auch in der Eurozone und in Deutschland wird die Entscheidung konjunkturelle Bremsspuren hinterlassen“, ist Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW, überzeugt. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer rechnet frühestens für das vierte Quartal 2016 mit Auswirkungen des Brexit.

Der Strauß an Unsicherheiten ist ja auch groß genug: „Parteien müssen sich teilweise neu aufstellen, nicht einmal der Fortbestand des Vereinigten Königreichs in seiner jetzigen Form ist sicher“, so Zeuner weiter. Banken machen sich schon auf die Suche nach neuen Standorten. Auch die Abwertung des britischen Pfund bringt nicht viel: Dafür ist die Exportwirtschaft Großbritanniens zu klein.Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis die vollen Auswirkungen des Brexit zu spüren sind. Die KfW senkt schon mal ihre Wachstumsprognose.  

Das Münchner ifo Institut geht davon aus, dass die vollen Auswirkungen des Brexit ab 2030 zu spüren sein werden. Je nachdem, wie stark die handelspolitische Abschottung Großbritanniens ausfällt, dürfte das britische BIP je Einwohner zwischen 0,3 und 0,6 Prozent geringer ausfallen als heute. Drei mögliche Szenarien projiziert das ifo Institut für die Verhandlungen: Im besten Fall bleibt Großbritannien trotz Brexit in den europäischen Binnenmarkt integriert, ähnlich wie Norwegen. Dafür müsste das Inselvolk aber weiterhin in die Gemeinschaft einzahlen – einer der Kernkritikpunkte der Brexit-Befürworter. Mit fast zehn Mrd. Euro war Großbritannien 2014 der drittgrößte Bruttozahler der EU, nach Deutschland und Frankreich.

Im zweiten Fall wäre das Königreich zwar nicht mehr Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums, hätte durch Freihandelsabkommen aber weiterhin Zugang dazu – ähnlich wie die Schweiz. Unternehmen beklagen allerdings schon heute die hohe Bürokratiebelastung bei Exporten in die Schweiz. Die Wirtschaftsbeziehungen mit den Eidgenossen werden in 120 Einzelabkommen geregelt – ein Aufsetzen der Verträge mit Großbritannien nach diesem Schema dürfte Jahre dauern.

Im schlimmsten Fall könnten sich EU und Großbritannien auf gar kein Freihandelsabkommen einigen. Mit den regulären Zöllen dürfte der Handel dann richtig teuer werden – vor allem für Großbritannien, denn der Inselstaat ist mehr auf den Handel mit dem europäischen Festland angewiesen als andersherum. Doch auch hierzulande wären die Folgen schmerzhaft – allein für Unternehmen in Bayern ist Großbritannien der zweitwichtigste Exportmarkt. Laut Bayerischem Wirtschaftsministerium exportierten sie 2015 Waren im Wert von 15,5 Mrd. Euro auf die Insel – 8,7 Prozent aller Gesamtausfuhren. „Die bayerische Wirtschaft braucht Planungssicherheit. Es darf keine langwierigen Verhandlungen geben“, so Wirtschaftsministerin Ilse Aigner.

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