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Börse als Finanzierungsinstrument

Rund ein Viertel der mittelständischen Unternehmen strebt hierzulande einen Börsengang an oder zieht diesen zumindest grundsätzlich in Erwägung.

Rund ein Viertel der mittelständischen Unternehmen strebt hierzulande einen Börsengang an oder zieht diesen zumindest grundsätzlich in Erwägung. So lautet das zentrale Ergebnis einer Untersuchung des Deutschen Aktieninstituts in Zusammenarbeit mit der Deutschen Börse AG[1], deren Ergebnisse Ende vergangenen Jahres veröffentlicht wurden. Damit hat sich die Kapitalmarktorientierung im Mittelstand im Vergleich zu einer ähnlichen Befragung aus dem Jahr 2003 zwar deutlich verfestigt, insgesamt bestehen aber immer noch erhebliche Ressentiments gegenüber einem entsprechenden Schritt.

Open Market als Listingplattform

Den einfachsten und kostengünstigsten Weg an die Börse stellt eine Zulassung der Aktien im “allgemeinen Bereich” des Open Markets dar. Für den Emittenten ist dieser Schritt mit äußerst geringen formalen Einbeziehungsvoraussetzungen und keinerlei Folgepflichten verbunden. Aufgrund der geringen Transparenzanforderungen ist die Akzeptanz dieses Marktsegments bei Anlegern jedoch gering. Gerald Diezel von der equinet AG hält einen Börsengang mit Kapitalerhöhung hier im Normalfall deshalb auch für wenig sinnvoll. Geht es nur darum, den bereits beteiligten Aktionären eine Handelsplattform zu bieten, reiche ein reines Listing ohne Kapitalerhöhung aus. “Die Gesellschaft hat davon jedoch insofern nichts, als dem Unternehmen keine Mittel zufließen und es in der Regel auch nicht zu einer erhöhten Publizität kommt”, sagt Diezel. “Soll die Börse auch als Kapitalbeschaffungsinstrument genutzt werden, empfiehlt sich deshalb der Gang an den Entry Standard, einen Teilbereich des Open Markets mit zusätzlichen Transparenzanforderungen.”

Kapitalmarktzugänge- und Transparenzlevels der Deutschen Börse

Quelle: Deutsche Börse AG.

Für den Mittelstand geschaffen

Neben testierten Jahresabschlüssen müssen Emittenten, die den Entry Standard als ihre Börsenheimat wählen, unter anderem Zwischenberichte sowie ein Unternehmensportrait und einen Unternehmenskalender auf ihren Webseiten abbilden. Zudem sind dort auch solche Unternehmensnachrichten und Tatsachen unverzüglich zu veröffentlichen, die den Börsenpreis beeinflussen könnten. Zwar fallen die Zulassungs- und Folgepflichten im Vergleich zu den EU-regulierten Märkten mit ihren Transparenzlevels General- und Prime Standard auch hier noch recht überschaubar aus, die erhöhten Anforderungen ermöglichen es den Emittenten jedoch, sich aus der Masse der übrigen Werte des Open Markets hervorzuheben. Dabei zeigen die Zulassungszahlen, dass das Konzept des im Oktober 2005 ins Leben gerufenen Teilsegments bisher durchaus aufgegangen ist. So verzeichnete der Entry Standard allein im vergangenen Jahr 35 Zugänge. Prominente Beispiele waren hier etwa die Steico AG, Vectron Systems und Altira. Insgesamt umfasst das Segment derzeit 108 Mitgliedsunternehmen.

Regionalbörsen von untergeordneter Bedeutung

Spezielle Plattformen und Initiativen für kleine und mittlere Unternehmen, die ihren Aktionären ein gewisses Maß an Transparenz bieten wollen, finden sich auch an verschiedenen Regionalbörsen. Zumindest quantitativ konnten diese die in sie gesetzten Erwartungen bisher allerdings nicht erfüllen. So beläuft sich die Anzahl der an M:Access, dem Mitte 2005 gegründeten Mittelstandssegment der Börse München notierten Gesellschaften auf lediglich 22. Gate-M, das Anfang 2004 ins Leben gerufene Pendant der Stuttgarter Börse, wurde inzwischen sogar wieder eingestellt und die zuletzt noch 15 Teilnehmer in die Initiative “Fokus Baden-Württemberg” überführt. “So stellen die Regionalbörsen trotz aller Bemühungen dann letztendlich auch nur für Emittenten mit starkem regionalen Bezug eine echte Alternative zu Frankfurt dar”, wie Jens Hecht von Kirchhoff Consult sagt.

Frühzeitige Vorbereitung ist alles

Trotz durchaus vorhandener Zugangswege sind Börsengänge mit Kapitalaufnahme für mittelständische Unternehmen derzeit allerdings kaum realisierbar. So lassen sich neue Unternehmensanteile aufgrund der Verunsicherung an den Kapitalmärkten – wenn überhaupt – momentan nur mit erheblichen Preisabschlägen platzieren. Sofern bis zur Jahresmitte Anzeichen der Beruhigung der Märkte zu erkennen sind, sollten im zweiten Halbjahr allerdings wieder IPOs aus Wachstumsbranchen möglich sein, so Diezel. Hecht sieht dies ähnlich und gibt gleichzeitig zu bedenken, dass Zeitfenster mit optimalen Bedingungen in den vergangenen Jahren immer kürzer geworden sind. “Da ist es natürlich von ganz entscheidender Bedeutung, bei entsprechender Gelegenheit auch tatsächlich gerüstet zu sein. Und mindestens sechs, eher neun Monate sollten für eine vernünftige Vorbereitung schon einkalkuliert werden.” Es spricht somit nichts dagegen, etwaige Börsenpläne bereits heute in Angriff zu nehmen.

Weiter Weg zur Börsenreife

Dazu gehört zunächst einmal die Abwägung der Vor- und Nachteile eines Going Publics. Anschließend sind die rechtlichen, organisatorischen und strukturellen Grundvoraussetzungen zu schaffen. Dies beinhaltet neben der möglicherweise erforderlichen Umwandlung in eine Aktiengesellschaft sowie die Ordnung der Gesellschafterstruktur auch die Installation eines leistungsfähigen Controllings und die Anpassung der Rechnungslegung. Hohen Aufwand verursachen oft auch die Ausrichtung des Berichtswesens auf die börsensegmentspezifischen Transparenzanforderungen sowie die erforderliche Professionalisierung der Investorrelationsarbeit, wie Andreas John von der DZ Bank sagt. All diese Punkte können bzw. müssen bereits weit vor dem geplanten Börsenstart in Angriff genommen werden. “Dabei ist gerade bei kleinen Mittelständlern bisweilen erheblich mehr zu tun, als diese vor dem ersten Sondierungsgespräch vermuten”, so John.

Mindestplatzierungsvolumen von 5 bis 10 Mio. Euro

Oftmals überschätzt wird dagegen die für einen Börsengang erforderliche Unternehmensgröße. So befürchten mehr als 60% der vom DAI befragten Gesellschaften, für ein IPO zu klein zu sein. Dabei liegen die Umsatzerlöse nach Angaben der Deutschen Börse bei der Hälfte aller Neulinge im Entry Standard unterhalb von 8 Mio. Euro. Ähnliches gilt auch für die Bilanzsumme. Als mindestens erforderliches Platzierungsvolumen nennt Hecht eine Größenordnung von 5-10 Mio. Euro. Bei einer Zulassung im General- oder Prime Standard sollten es mindesten 15 Mio. Euro sein.

Fazit:
Mangels geeigneter Segmente war es vor wenigen Jahren für kleine und mittlere Unternehmen bei angemessenem Aufwand und sehr begrenzten Kosten noch äußerst schwer, sich aus der Masse der übrigen notierten Firmen hervorzuheben. Mit der Errichtung des Entry Standards in Frankfurt sowie dem Start entsprechender Mittelstandsaktivitäten in München und Stuttgart hat die Börse für diese Gesellschaften jedoch deutlich an Anziehungskraft gewonnen. Da die Anforderungen bei der Beschaffung von Fremdkapital auf der anderen Seite kontinuierlich steigen, ist davon auszugehen, dass sich die Kapitalmarktorientierung vieler Mittelständler zukünftig weiter erhöhen wird.


[1] Mittelstand und Börse 2007 – Ergebnisse einer Umfrage, DAI und Deutsche Börse AG (www.dai.de). Angeschrieben wurden 6.738 Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 5 Mio. Euro und mit mehr als 20 Mitarbeitern, von denen 337 geantwortet haben.

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