Bitcoin-Boom

Die virtuelle Währung Bitcoin erhitzt die Gemüter. Für die einen ist sie lediglich als Lotterieersatz geeignet. Andere sehen in ihr das Gold der digitalen Welt. Voraussetzung dafür ist jedoch die Wertstabilität.

 

Prof. Dr. Philipp Sandner, Leiter Frankfurt School Blockchain Center

Glaubhaft knapp

Bitcoin ist derzeit in aller Munde. Es handelt sich um eine sogenannte Kryptowährung, die seit 2008 existiert. Sie ist die erste Anwendung der Blockchain-Technologie. Die Marktkapitalisierung von Bitcoin beträgt derzeit über 50 Mrd. Euro. Gemessen an Währungen natürlich ein Tropfen auf den heißen Stein, als Konstrukt ohne zentrale Governance und Firmenstruktur allerdings eine beachtliche Leistung. Der Grund dafür ist, dass Bitcoin glaubwürdig knapp ist. Es wird nie mehr als 21 Mio. Bitcoin-Münzen geben, dies ist softwaretechnisch gesichert, und hierfür sorgt ein Netzwerk von mehr als 6.000 Rechenknoten. Diese Knappheit ist ein wichtiges Charakteristikum, denn nur wenn ein Gut glaubwürdig knapp ist, kann es einen Wert entfalten. Dies gilt für Gold ebenso wie für Zigaretten im Gefängnis. Man könnte behaupten, Bitcoins bestehen nur aus Nullen und Einsen und können damit nichts wert sein. Wer so etwas sagt, muss aber auch fragen, ob Gold nicht einfach nur ein glänzender Stein ist. Natürlich ist es weitaus mehr. Aber kann nicht auch etwas Immaterielles Wert entfalten, wenn es glaubhaft knapp ist?

 

Manfred Hübner, Geschäftsführer sentix Asset Management

Preis wird einbrechen

Aus Sicht der verhaltensorientierten Kapitalmarktanalyse (Behavioral Finance) weist die Marktentwicklung rund um die Kryptowährungen alle Anzeichen einer spekulativen, sich selbst verstärkenden Blasenentwicklung auf. Nur als Lotterieersatz geeignet. Neben den erratischen Preissprüngen, die vielen Menschen als alleiniges Kaufargument ausreichen, ist es vor allem die Weigerung der Bitcoin-Fans, fundamentale Schwächen des Konzeptes als solche anzuerkennen. Die Hoffnung, dass hier das Geld der Zukunft entsteht, dürfte sich für die bestehenden Kryptowährungen jedoch nicht erfüllen, da kein Staat der Welt ein bestehendes Krypto-Geld als Ersatz seiner Währung akzeptieren wird. Sehr wohl können Staaten durch Gesetze deren Verwendung aber entscheidend einschränken. Hinzu kommt, dass speziell bei Bitcoin schon mehr als 60 Prozent aller Bitcoins zu einer Zeit entstanden sind, als kaum einer das Projekt kannte. Hier schlummert künftiges Angebot, das den Preis früher oder später einbrechen lassen wird.

 

Marco Liesenjohann, Experte Blockchain Bitkom

Investition noch hochspekulativ

Seit 2009 ermöglicht der Bitcoin dezentrale Zahlungstransaktionen ohne klassische Banken. Mit steigender Bekanntheit hat die Spekulation mit Bitcoins zugenommen. Die Folge waren rasante Kurssprünge. Gut möglich, dass der Bitcoin als erste Währung seiner Art auf unbestimmte Zeit Spekulationsobjekt bleibt. Je flächendeckender er allerdings als Zahlungsmittel genutzt wird, desto unwahrscheinlicher ist das. Die Historie des Geldes lehrt: Voraussetzung für den Gebrauch ist Wertstabilität. Ein zweites Szenario ist, dass Bitcoin zum Gold einer neuen digitalen Wertewelt wird. In Analogie zur physischen Seltenheit von Gold sieht die ursprüngliche Bitcoin-Implementierung eine Obergrenze an Geldeinheiten vor. Noch ist die Investition in Bitcoin hochspekulativ. Allerdings ist es gut möglich, dass Kryptowährungen und darauf aufbauende Anwendungen Bestandteile einer neuen digitalen Werteökonomie werden – dann dürfte es sich lohnen, diese Entwicklung schon heute aufmerksam zu verfolgen.

 

Georg Kaaserer, Finanzanalyst Merck Finck

Mehr Spekulation als Anlagevehikel

2009 investierte der junge Norweger Kristoffer Koch 27 US-Dollar und kaufte 5.000 Bitcoins. Diese sind heute unfassbare 13,5 Mio. US-Dollar wert. Bitcoin ist ein digitales Peer-to-Peer-Zahlungssystem, bei dem jede Transaktion in einem öffentlichen, dezentralen Register aufgezeichnet wird, der sogenannten Blockchain. Die Währung ist durch niemanden reguliert oder garantiert. Die digitalen Münzen entstehen im laufenden Betrieb des Netzwerkes, ihre Zahl ist auf maximal 16 Mio. begrenzt. Deren Wert, ermittelt durch Angebot und Nachfrage, schwankt stark: knapp 3.000 US-Dollar pro Münze Mitte Juni 2017 und unter 1.900 US-Dollar nur ein paar Wochen später. Wirklich kaufen aber lassen sich bislang nur wenige Produkte oder Dienstleistungen damit. Offiziell als Zahlungsmittel anerkannt ist es nur in Japan. Bitcoins sind mehr als Spekulationsobjekt denn als Anlagevehikel zu betrachten. Gefahren lauern in der extremen Volatilität, der ständigen Weiterentwicklung, technischen Umbrüchen und einer möglichen Regulierung.

 

Autorenprofil

Tobias Schorr war von März 2013 bis Januar 2018 Chefredakteur der "Unternehmeredition". Davor war er für die Gruner + Jahr Wirtschaftsmedien im Ressort Geld als Redakteur tätig. Von 2003 bis 2007 arbeitete er zunächst als Redakteur, dann als Ressortleiter beim Mittelstandsmagazin "Markt und Mittelstand". Sein Handwerk lernte er an der Axel Springer Journalistenschule.

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