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Kult ersetzt Zinsen

Liebe Leser, in der Weihnachtszeit und an den Feiertagen danach bis zum 7. Januar stellen wir Ihnen unsere Höhepunkte aus dem vergangenen Jahr vor. In zehn Teilen lesen Sie unser persönliches Best-of an Porträts, Interviews und Features aus dem Redaktionsjahr 2017. Wir hoffen, dass Sie die ein oder andere Geschichte auch nochmal gerne lesen oder neu entdecken.

Das Team der Unternehmeredition wünscht Ihnen besinnliche Feiertage und einen guten Start ins Jahr 2018.

 

Immer mehr Anleger stecken ihr Geld in Dinge, die als krisenfest gelten. Nicht nur Oldtimer und Diamanten werden immer begehrter. Daneben entstehen auch neue Vermögenstitel wie Whisky oder Geigen. Je länger die Zinsen im Keller bleiben, desto mehr Blüten treibt das Geschäft mit dem guten Geschmack.

Thomas Krüger liebt Whisky. Er liebt seine Farben, seine Aromen, die unterschiedlichen Geschmacksnuancen – und er könnte stundenlang darüber reden. Er ist Experte und Sammler. Über 8.000 Flaschen fasst sein Museum, das direkt neben seinem Laden Whisky Krüger liegt.

Krüger ist auch Geschäftsmann, den Laden führt er im schleswig-holsteinischen Holzbunge. Als Händler möchte er seine edlen Tropfen möglichst gewinnbringend verkaufen. Das dürfte ihm leicht gelingen. Whisky hat in den vergangenen Jahren exorbitante Preissteigerungen erlebt. Der Apex 100-Index des britischen Whisky-Informationsdienstes Rare Whisky 101 verzeichnet von 2010 bis 2017 bei der Sorte Single Malt Scotch eine Wertsteigerung um mehr als 400 Prozentpunkte (Stand August 2017). Der Apex 1000, der neben Raritäten auch andere Whiskymarken auflistet, verzeichnete eine ähnliche Preisdynamik. Die teuerste Flasche Scotch, die im ersten Halbjahr dieses Jahres verkauft wurde, kostete umgerechnet mehr als 74.000 Euro. Im Jahr 2015 kostete die teuerste Flasche noch 19.200 Euro.

© Rare Whisky 101 Ltd.

Auch wenn Whisky-Liebhaber Krüger als Händler von der gesteigerten Zahlungsbereitschaft profitiert, sieht er sie als Privatmann kritisch. Leidenschaftliche Sammler können bei den exorbitanten Preissprüngen oft nicht mehr mithalten. Umgekehrt wollen sie eigene Raritäten nicht verkaufen, sondern behalten. Dies kann allerdings unfreiwillig zu weiteren Preissprüngen führen, weil die Nachfrage höher ist als das Angebot. Ein Dilemma für Sammler.

Whisky in Fässern statt in Flaschen

Andreas Thümmler ist einer der neuen Akteure auf dem wachsenden Whisky-Markt. Er ist eigentlich selbstständiger M&A-Berater. Vor fünf Jahren gründete Thümmler in seinem Heimatort Rüdenau am Bayerischen Untermain eine eigene Destillerie: die St. Kilian Distillers. Die Produktion ist in einer kleinen, ländlichen Gemeinde eine Autostunde südöstlich von Frankfurt angesiedelt. St. Kilian stellt seine eigene Marke nach schottischem Vorbild her, die Reifung findet traditionell in Holzfässern statt. Die Verdunstung von Alkohol, der sogenannte Angels´ Share, ist in den Lageräumen deutlich zu riechen.

Immer mehr Anleger stecken ihr Geld in Dinge, die als krisenfest gelten. Nicht nur Oldtimer und Diamanten werden immer begehrter. Daneben entstehen auch neue Vermögenstitel wie Whisky oder Geigen. Je länger die Zinsen im Keller bleiben, desto mehr Blüten treibt das Geschäft mit dem guten Geschmack.

Seit 2016 ist die Destillerie in Betrieb. St. Kilian setzt auf Direktvertrieb, man kann sich ein eigenes 30-Liter-Fass kaufen. Darin reift der Whisky dann mindestens drei Jahre und wird anschließend in Flaschen zu je einem halben Liter abgefüllt. Mit ein paar Jahren Geduld kann der Kunde seine eigene Rendite erwirtschaften: „Je länger der Whisky lagert, desto höher steigt er im Wert“, ist Gründer Thümmler überzeugt.

Fässer von St. Kilian: Der Angel´s Share ist in den Lageräumen deutich zu spüren (© St. Kilians Destillers GmbH)

Szenekenner werden zu Renditeexperten

Whisky steht beispielhaft für eine ganze Reihe von Sachwerten, die in den vergangenen Jahren im Preis gestiegen sind. Egal, ob man Wein sammelt oder Oldtimer, Uhren oder neuerdings auch die Apple-Macs der ersten Stunde – die Preise für Liebhaber-Objekte gehen nach oben.

„Es ist viel Geld in den vergangenen Jahren in andere Anlagesegmente geflossen, in Aktien, Edelmetalle, Rohstoffe, Private Equity, aber eben auch in andere Sachwerte wie Kunst oder Classic Cars“, sagt Oliver Postler, Chefanlagestratege im Private Banking der Hypo-Vereinsbank. Im Laufe der Zeit hat sich die Bank ein Netzwerk an Experten vor allem für Kunst und Oldtimer aufgebaut, das sie ihren vermögenden Kunden zur Verfügung stellt.

Auch Kai Neugebauer, der das Team Family Office und Vermögenscontrolling der Spudy Family Office GmbH leitet, stellt deutlich mehr Nachfrage nach Sachwerten infolge der EZB-Politik bei seinen vermögenden Kunden fest: „Wohlhabende Anleger ziehen Teile ihrer Vermögen aus herkömmlichen Geldanlagen ab und fragen vermehrt Luxusgüter nach. Auch Inflationsängste lassen zusätzlich das Interesse an Sachwerten steigen.“

Gerade wegen teils überhitzter Preise kann es deshalb passieren, dass man auf das falsche Pferd setzt und nicht die erhoffte Rendite erwirtschaftet. „Sachwerte ersetzen nicht das risikofreie Sparbuch. Solche Anlagen bringen weder Dividenden noch Zinsen und bergen gerade für Nichtkenner signifikante Risiken, da die Märkte in der Regel wenig transparent und relativ illiquide sind“, sagt Neugebauer. Der Liebhaber ist deshalb klar im Vorteil. Institutionelle Anleger suchen deshalb gezielt nach Szenekennern.

Immer mehr Anleger stecken ihr Geld in Dinge, die als krisenfest gelten. Nicht nur Oldtimer und Diamanten werden immer begehrter. Daneben entstehen auch neue Vermögenstitel wie Whisky oder Geigen. Je länger die Zinsen im Keller bleiben, desto mehr Blüten treibt das Geschäft mit dem guten Geschmack.

Knappheit und Nostalgie bestimmen den Wert

Der Hype um Kultobjekte hat mittlerweile eine Eigendynamik entwickelt, die sich in den nächsten Jahren fortsetzen sollte. „Ich halte das für ein Wachstumsthema. Die Menschen werden weiter in Dinge investieren, die Nachfrage steigt“, sagt Michael Carl, Geschäftsführer vom Trendforschungsinstitut 2b Ahead. Dabei geht es nicht primär um edle Produkte oder Luxusgüter. Vielmehr bestimmt die natürliche Knappheit die Preisentwicklung. Dazu kommt eine Prise Nostalgie: „Wir beobachten neuerdings auch, dass alte Technik den Eindruck von Langlebigkeit macht. Ich würde mir überlegen, welche Technologie vor ihrer Ablösung steht“, rät Trendforscher Carl. Ein Beispiel ist die Schallplatte. Vor ein paar Jahren noch totgesagt, erlebt sie seit geraumer Zeit eine Renaissance. Gerade seltene Exemplare werden fanatisch begehrt. „In solche Dinge würde ich heute investieren und sie dann für 20 Jahre in den Schrank legen.“

Begehrte Violinen: Mäzene bezahlen hohe Summen für die Streichinstrumente (© ballabeyla – stock.adobe.com)

Zu den langlebigsten gehören seit eh und je Diamanten. Ein Diamant ist unvergänglich – dieser alte Werbespruch des weltgrößten Produzenten De Beers kann heute um den Beisatz und extrem wertbeständig ergänzt werden. Das findet jedenfalls Dr. Ulrich Freiesleben. Die meisten, mittelständische Unternehmer, Anwälte und andere Freiberufler, wählten Diamanten als langfristige Geldanlage von zehn bis 20 Jahren. Die gängigste Größe bei Diamondas sind Einkaräter. In bester Qualität kostet ein solches Stück bei Diamondas 2.000 Euro. Und die Wertsteigerung? Die ist nicht so hoch, wie sie beispielsweise bei Whisky oder Kunstwerken sein kann. Aber eine moderate Steigerung ist immer drin. Aktuell treiben zwei Faktoren den Preis: Erstens wurden lange keine neuen Vorkommen mehr entdeckt und zweitens nimmt die Nachfrage vieler reicher Asiaten seit Jahren stetig zu.

Kaufen und Spielen ergibt Wertsteigerung

Liebhaber sind auch gerne Mäzene. Der Münchener IT-Fachmann Jürgen Arnold investiert deshalb in Streichinstrumente. Drei hat er schon gekauft, eine Violine, eine Bratsche und ein historisches Cello. Seine Schätze – allein die Violine hat ihn 40.000 Euro gekostet – lagern nicht bei ihm zu Hause. Er verleiht sie dauerhaft an junge Künstler. Das Matching zwischen Mäzen und Künstler läuft über die Firma Violin Assets aus dem rheinischen Bedburg. Violin Assets verkauft die teuren Streichinstrumente als Geldanlage und vermittelt Künstler, die die Instrumente spielen. Klein-Mäzen Arnold stellt deshalb zwei jungen Musikerinnen ein Instrument zur Verfügung, die sich ohne das Instrument künstlerisch nicht weiterentwickeln könnten. Neben der musischen Rendite wird auch eine monetäre erwirtschaftet. Der Geschäftsführer von Violin Assets, Christian Reister, bewirbt sein Angebot auch als Geldanalge: „Die Fuchs-Taxe zeigt, dass der Wert von historischen Streichinstrumenten seit Jahren zwischen fünf und acht Prozent jährlich steigt.“ Die Fuchs-Taxe ist ein international gültiges Referenzwerk zur Preisbestimmung von Streichinstrumenten.

Ob kulinarischer Genuss, Luxus-Accessoires oder Musikkultur – der Wert von edlen Gegenständen steigt. Exklusivität und besondere Momente sind in Zeiten, in denen Geld seine Knappheit verliert, eine immer härtere Währung.

 

 

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