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Besser statt mehr organisieren

 Die Internationalisierung der großen Familienunternehmen Deutschlands in die Emerging Markets und Next Eleven kann nur gelingen, wenn die Unternehmen ihre betriebliche Struktur erneuern.


Ja, Unternehmen sind heute mehr denn je getrieben. Getrieben von der Internationalisierung der Abnehmerbranchen, der abrupten Veränderung von Erfolgsfaktoren im internationalen Wettbewerb, getrieben von der hohen internationalen Arbeitsteilung vor allem in der Produktion. Insbesondere in der Konsumgüterindustrie wurde die Produktion mehr und mehr an Niedriglohnstandorte in den Emerging Markets abgegeben. Doch auch in der Investitionsgüterbranche wurde die Wertschöpfung verflacht, und Zulieferunternehmen müssen heute weltweit auf allen Ebenen koordiniert werden. Die Konsequenz: Unternehmenszentralen verfügen im Vergleich zu früher nur noch über Einkauf, Marketing und Vertrieb, F&E und die sekundäre Wertschöpfung. An die Stelle der Koordination innerbetrieblicher Einheiten ist die Koordination von Wertschöpfungspartnern getreten.

Strukturierung zwischen Zentrale und Peripherie

Ein Blick zurück zeigt: In den letzten Jahrzehnten vor dem Jahrhundertwechsel wurden zunehmend Exportaktivitäten an eigenständige Tochtergesellschaften ausgelagert. Parallel mussten Fertigungsstandorte international aufgestellt und Funktionen wie Einkauf, F&E und Logistik zunehmend global verflochten werden. Durch die zunehmenden Aktivitäten in den Emerging Markets müssen die Tochtergesellschaften heute noch komplexer aufgestellt sein. Vor allem das Top-Management muss heute deutlich mehr koordinieren als früher. Gerade für Familienunternehmen, deren Entscheidungen häufig noch an einen mächtigen Macher geknüpft sind oder durch familiäre Gremien stark beeinflusst werden, ist diese Entwicklung eine besondere Herausforderung.

Spurlos gehen diese Veränderungen an keiner Organisation vorüber – und bringen natürlich Probleme in der Praxis mit sich:

Internationale Reorganisation als Zukunftsaufgabe

Doch was konkret tun – stehen doch bereits die Next Eleven schon in den Startlöchern? Viele Organisationen brauchen ein neues (zusätzliches) Gliederungsprinzip, um Komplexität zu reduzieren. Das Top-Management ist in der Pflicht! Regelmäßig müssen Kostenvorteile (Konzentration) von Aufgaben mit Flexibilitätsvorteilen (Zeit, Umsetzung) gegeneinander abgewogen werden. Hinzu kommen besondere Aufgaben wie die Strategieentwicklung, die Führungskapazitäten des Top-Managements und das Management des Führungspersonals.

 Die Internationalisierung der großen Familienunternehmen Deutschlands in die Emerging Markets und Next Eleven kann nur gelingen, wenn die Unternehmen ihre betriebliche Struktur erneuern.

Regionalisierung und Clusterbildung als wichtige Lösungsoptionen

Die reine Zusammenfassung geografischer Einheiten zu Führungsregionen allein hilft relativ wenig. Zudem sind benachbarte Landesgesellschaften gerade in den Emerging Markets unter der Führung eines Landesfürsten oftmals aufgrund politischer, ethnischer oder religiöser Unterschiede kaum ohne massive Konflikte darstellbar. Die Besetzung der Regionalverantwortung ist daher regelmäßig – oft monatelang – ein Politikum mit viel Sprengstoff für das Top-Management. Jedoch: Eine veränderte Verteilung von funktionalen Aufgaben innerhalb von Regionen kann erheblich zur Effizienzsteigerung und zur Verbesserung des Koordinationsniveaus beitragen!

Internationale Steuerung durch das Top-Management

Dabei ist die Finanzierungsfunktion oftmals zentral. Landesgesellschaften brauchen kaum Finanzierungsinstrumente. Zudem ist die Gewinnsteuerung, also die Beeinflussung der lokalen Umsatzrendite über innerbetriebliche Verrechnungspreise, durch die Manager vor Ort nicht immer möglich. Es mangelt an Initiativen zur Effizienzsteigerung. Auch das Kostenbewusstsein der lokalen Manager ist – wie immer wieder zu hören ist – unterentwickelt. Hier können professionelle Steuerungssysteme helfen. Unabhängig von steuerlicher Optimierung können die Zentraleinheiten Vorgaben über Kostenkennzahlen geben und vor allem dem lokalen Management Verantwortung für die Kapitalseite übertragen. So könnte sich etwa jede Landesgesellschaft in der Zentrale um Kapital bewerben.

Fazit

Es gibt keine Organisation, die für jedes international tätige Familienunternehmen und für jede Situation passt. Die Merkmale der Unternehmens- und Wettbewerbsstrategie müssen sich in der Strukturorganisation und in den Kernprozessen wiederfinden. Das Maß an Radikalität für Organisationsveränderungen steht in enger Beziehung zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens. Der Erfolg einer Neu- und Reorganisation wird dadurch bestimmt, wie professionell und systematisch vorgegangen und wie konsequent die Mitarbeiter in den Prozess einbezogen werden. Nur so kann die organisatorische Integration von Aktivitäten in den Emerging Markets heute und morgen in den Next Eleven zu einem Wettbewerbsvorteil genutzt werden.


 Zur Person

Prof. Dr. Norbert Wieselhuber (© Privat)

Prof. Dr. Norbert Wieselhuber ist Gründer und Managing Partner der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH. Nach einer Lehre zum Industriekaufmann, Doppelstudium und Promotion wechselte er in die Beratung. Der Bundesverdienstkreuzträger ist Mitglied in verschiedenen Aufsichts- und Firmenbeiräten und Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen.

www.wieselhuber.de

 

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