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„Berlin ist noch relativ günstig“

Der Berliner Immobilienmarkt befindet sich auf einem Höhenflug. Nähert er sich nun an das Niveau von süd- und westdeutschen Städten an? So schnell nicht, meint Michael Müller von Deloitte.

Unternehmeredition: 2013 waren in Berlin-Brandenburg mit 7 Mio. qm so viele Immobilienprojekte geplant wie nie zuvor. Der größte Teil entfällt dabei auf Wohnprojekte. Inwieweit ist das charakteristisch für den Immobilienstandort Berlin?

Müller: Generell hat Berlin in den letzten Jahrzehnten deutlich an Attraktivität gewonnen, sowohl national als auch international. Der Standort hat es geschafft, sich in entscheidenden Zukunftsbranchen zu etablieren, gerade in der Wissenschaft und in Spitzentechnologien. Die Medien- und Filmindustrie, aber auch der Gesundheitssektor ist sehr stark, und natürlich bringen die zukunftsgewandten Industriezweige eine große Zahl an Wohnungsinteressenten hervor. Auch die Start-up-Branche lockt viele junge Leute an, so gesehen ist der erneute Anstieg des Projektvolumens um 12,9% seit 2012 nicht verwunderlich. Interessant ist auch, dass immer mehr ausländische Investoren in großem Stil in den dortigen Immobilienmarkt einsteigen, was die Preise natürlich in die Höhe treiben wird. Momentan ist Berlin vom Wohnpreisniveau insbesondere im internationalen Hauptstadtvergleich aber noch relativ günstig.

In Potsdam werden zu 95% Wohnprojekte gebaut, in Berlin machen Büro- und Einzelhandelsprojekte immerhin 21% aus. In Berlin arbeiten, in Potsdam wohnen, ist das die Zukunft des Standorts? 

Ja, dieser Trend ist eindeutig zu beobachten. Potsdam ist heute schon die bevölkerungsreichste Stadt in Brandenburg mit überdurchschnittlichem Wachstum und auch durchaus attraktiv. Das setzt natürlich voraus, dass man auch Engpässe in der Infrastruktur wie Verkehrsanbindung und Fahrtzeiten in den Griff bekommt, damit die Lebensqualität nicht im Zug oder in S-Bahnen verloren geht. Doch generell hat das Thema Wohnen in Potsdam mit Sicherheit Zukunft.Inwieweit könnte Brandenburg insgesamt von der weiteren Entwicklung in Berlin profitieren?

Das Land Brandenburg profitiert mit Sicherheit auch von der wirtschaftlichen Entwicklung Berlins, aber im Moment kann ich keine nachhaltigen Wanderungsbewegungen weit über Potsdam hinaus erkennen.

Ein Potenzial der ehemaligen östlichen Bundesländer ist ja die Tatsache, dass es generell noch viele unterentwickelte Gebiete gibt, die erschlossen werden können. Inwieweit trifft das auch noch für Berlin zu?

Ich bin jedes Mal erstaunt, wie gering die Wohnbaudichte in Berlin ist, auch in der Innenstadt. Andere Städte wie München stehen viel mehr vor dem Problem der Verdichtung, da so gut wie keine freien Flächen mehr vorhanden sind. Das unterscheidet Berlin deutlich von anderen deutschen Großstädten, aber auch international.

Vor welche Herausforderungen stellt die immer noch wachsende Start-up-Landschaft die Immobilienbranche in Berlin?

Die Immobilienwirtschaft muss mutig und kreativ sein, um sich auf die Bedürfnisse der Start-ups einzustellen. Dabei geht es um Grundlegendes wie eine gute Infrastruktur und Nähe zu Forschungseinrichtungen, aber auch um neue, kreative Wohn- und Arbeitsraumkonzepte. Das Thema Start-ups hat weitreichende Folgen für architektonische und gestalterische Immobilienkonzepte. Doch die Berliner Immobilienwirtschaft hat sich darauf schon eingestellt und erfüllt die Ansprüche sehr gut.

Bislang ist der Immobilienmarkt in Berlin auch deshalb so günstig, weil er noch relativ wenig erschlossen ist und die Nachfrage noch dementsprechend gering. Inwieweit wäre es wünschenswert, dass sich der Standort an andere Großstädte wie München oder Hamburg annähert?

In Städten wie München führt die große Nachfrage teilweise zu Preisentwicklungen, die in manchen Stadtteilen auch gesellschaftliche und sozioökonomische Folgen haben. Bei Quadratmeterpreisen von bis zu 10.000 EUR engt sich das Feld der Käufer und Investoren natürlich deutlich ein. Investitionen in dieser Größenordnung haben naturgemäß auch Auswirkungen auf die Mietenentwicklung. Insofern ist zu fragen, ob es überhaupt wünschenswert ist, dass sich das Niveau in Berlin daran annähert. In Großstädten wie London herrscht ja mittlerweile die Situation vor, dass sich Bevölkerungsteile aus mittleren Einkommensschichten das Leben in Innenstadtnähe gar nicht mehr leisten können.Wie steht der Berliner Immobilienmarkt international da?

Auch im Vergleich mit anderen europäischen Hauptstädten ist Berlin noch relativ günstig und liegt auf einem Niveau mit Prag, Linz und Brüssel. In Paris und London liegen die Quadratmeterpreise im Durchschnitt bei 10.000 EUR, in Berlin sind es 3.000 EUR. Wenn man sich aber anschaut, wie schnell sich hier die Immobilienpreise entwickeln, liegt die Stadt nach einer unserer Studien aus dem Jahr 2012 noch vor London und Moskau. Diese Entwicklung ist nicht wegzudiskutieren, und man muss schauen, ob und wie sie sozialpolitisch und gesellschaftlich verkraftbar ist. Andererseits sind Diskussionen wie aktuell um die Mietpreisbremse oder die Erhöhung der Grunderwerbsteuer sicherlich nicht sonderlich hilfreich, um internationale Investoren anzulocken.

Ist das Immobilienmanagement auf internationalem Niveau?   

Zu diesem Thema haben wir 2012 in einer Studie das kommunale Immobilienmanagement innerhalb Europas verglichen. Ergebnis war, dass nicht nur in Deutschland noch deutlicher Nachholbedarf im Bereich des kommunalen Immobilienmanagements besteht. Im Berliner Immobilienmarkt spielen neben den börsennotierten Wohnungsgesellschaften und denstädtischen Wohnungsgesellschaften  die Wohnungsgenossenschaften, aber auch internationale und nationale Investoren eine große Rolle. Diese Player müssen die Nachfrage nach attraktivem Wohnraum für die in die Metropolregion bereits zugezogenen und noch zuziehenden Einwohner unterschiedlicher Altersklassen, Kulturen und Einkommensklassen gemeinsam sicherstellen. Nicht zuletzt muss die Politik die dafür notwendigen Rahmenbedingungen gewährleisten. Insgesamt also genügend Player, die dafür sorgen, dass ausreichend attraktiver Wohnungsraum in Berlin vorhanden ist und geschaffen wird. So gesehen ist Berlin gut aufgestellt.

Herr Müller, vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Verena Wenzelis

wenzelis@unternehmeredition.de

 

Zur Person

Michael Müller ist Leiter des Bereichs Real Estate und Partner der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte. Die Schwerpunkte seiner Tätigkeit bilden die Prüfung und Beratung von Unternehmen der Immobilienbranche. Er ist Dozent für internationale Rechnungslegung und hat ein Standardwerk zur Immobilienwirtschaft verfasst. Außerdem ist er Mitglied des Immobilienwirtschaftlichen Fachausschusses am Institut der Wirtschaftsprüfer. www.deloitte.com

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