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Bayernbier aus dem Saarland

Fast nichts ist so umkämpft wie der Biermarkt. Das bekam auch die Brauerei Karlsberg zu spüren. Mit einer klaren Strategie auf die regionale Schlagkraft will Christian Weber sie in die Zukunft führen. 

Als Christian Weber dieses Jahr zum zweiten Mal die Karlsberg Bierkönigin auszeichnete, hätte man meinen können, ein waschechter Bayer stehe vor einem. Lederhose, Holzfällerhemd, Haferlschuhe, die angetretenen Kandidatinnen standen in bunten Dirndl um ihn herum. Die Halle des saarländischen Frühlingsfestes war mit Biertischen vollgestellt, am Fuße der Bühne versammelte sich die Blaskapelle. Langsam und bedächtig hob der Chef der Karlsberg Brauerei und Urenkel des Firmengründers die Maß in Richtung Kamera, die Bierkönigin stieß mit ihm an. Klar, eine Bier-Veranstaltung, könnte man meinen, da muss es ja irgendwie um Bayern gehen. Doch tatsächlich trägt auch die Brauerei Karlsberg bayerisches Blut in sich. Als sie 1878 in Homburg gegründet wurde, gehörte dieser Teil des Saarlandes zu Bayern, eine gewisse Tradition hat sich bewahrt. „Jedes Jahr gibt es hier zwölf bis 13 Oktoberfeste, die Menschen sehen es als Teil ihrer Kultur“, meint Weber. Und darauf sind die Leute im Saarland stolz.

Produktion bei Karlsberg: 300 Biersorten werden am Standort Homburg gebraut, insgesamt 3 Mio. Hektoliter pro Jahr.

120 Jahre später waren die Homburger den Bayern wieder ganz nah, wenn auch nicht im monastischen Sinne. Und dieses Mal hätten sie sich fast verzettelt. Seit Anfang 2003 war die Münchner Schörghuber Gruppe mit 45% am Unternehmen beteiligt. Die Marken UrPils und Mixery waren also verwandt mit Paulaner, Hacker Pschorr und Heineken Deutschland. Entstanden war das Joint Venture aus strategischen Gründen. Denn der deutsche Biermarkt ist umkämpft. Es dominieren Großbrauereien wie Radeberger, Inbev und die Brauerei Holding International (BHI), ein Joint Venture von Schörghuber und dem Heineken-Konzern. Den Rest teilen sich regionale Kleinbrauer auf. Gleichzeitig geht der Bierkonsum in Deutschland seit Jahren zurück, von 120 Mio. Hektoliter im Jahr 1992 auf 94,6 im Jahr 2013. Branchenexperten beschwören viele Heilmittel, neben dem Aufbau einer starken Marke auch der Ausbau des antialkoholischen Geschäfts und der Biermischprodukte.

Schwieriger Markt

Auch Karlsberg wollte weitere Potenziale erschließen. Da man im Bereich der Biermixgetränke mit Mixery bereits sehr gut aufgestellt war, sollte es die antialkoholische Sparte sein. Doch dafür musste Geld her. Anfang der 2000er Jahre entschlossen sich die Saarländer zum Verkauf der Anteile an BHI. Mit dem Erlös kaufte sie 54% der Aktien der Mineralbrunnen AG, Dachmarke von Wassergrößen wie Überkinger, Teinacher und Krumbach. Über die strategische Partnerschaft mit Schörghuber konnte gleichzeitig das Biergeschäft vorangetrieben werden.

Das lief auch einige Jahre gut, bis exogene Schocks das Unternehmen trafen. „Das Einwegpfand hat den Markt verändert“, erinnert sich Christian Weber. Fortan musste auf Bier aus Flaschen oder Dosen Pfand gezahlt werden. Ein Problem für die kleine Brauerei, denn damals kamen 90% der Umsätze durch Glasflaschen-Hits wie Mixery oder Desperados. Preisbewusste Kunden wichen auf Spirituosen aus oder ließen ihr Biergetränk gleich ganz weg. Gleichzeitig nahm der Bierkonsum stetig ab. Einiges musste also umgestellt werden, doch hier gab es das nächste Problem: Durch die starke Beteiligung der Münchner Gruppe saßen zu viele Entscheider mit am Tisch, Lösungen konnten nicht wirklich gefunden werden. „Wir bemerkten, dass wir in der Joint-Venture-Formation nicht vorankamen“, so Weber. Die Familie entschied, die Anteile zurückzukaufen.Nun war der Weg frei für den Junior-Chef – das Ausscheiden der Münchner Brauer war für ihn Bedingung, im Unternehmen seiner Familie einzusteigen. Denn das war immer nur Option, kein Muss. „Ich wurde nie gezwungen, wusste aber, dass mein Vater sich freuen würde.“ Der heute 35-Jährige beendete sein Studium in Schottland und schnupperte Großkonzernluft bei Nestlé und Heineken. 2009, als die strategische Partnerschaft beendet war und die Umsatzrendite teilweise unter 1% lag, sah er seine Chance gekommen. „Da wusste ich, dass es viele Möglichkeiten gab, Dinge zu gestalten und voranzutreiben. Vor allem in schwierigen Situationen ist das wahnsinnig interessant.“ Heute ist er Herrscher über 300 Biermarken, die am Standort Homburg und in Frankreich produziert werden, insgesamt 4 Mio. Hektoliter pro Jahr.

Besinnung auf das Wesentliche

Generation vier und fünf: Christian Webers Vater Dr. Richard Weber übergab den Stab 2010 an seinen Sohn.

Weber will wieder das Kerngeschäft von Karlsberg in den Vordergrund rücken: Bier und Regionalität. Teile des Wassergeschäfts, einzelne Marken und Produktionshallen wurden verkauft. Aber auch Sparten, die mit Bier auf Anhieb wenig zu tun haben: Das Automatengeschäft serviPlus ging an Dallmayr aus München. Auch die Zahlen scheinen wieder zu stimmen: 2013 lag der Umsatz bei 148 Mio. EUR, unterm Strich blieben 2,9 Mio. EUR übrig. Mehr als 2010, als von 162 Mio. EUR Umsatz gerade mal 1,3 Mio. EUR übrig blieben.

Drei starke Marken hat Karlsberg heute: unter dem Firmennamen werden verschiedene Pils- und Weizensorten hergestellt, darunter das Flaggschiff UrPils. Das Cola-Bier-Gemisch Mixery wurde 1993 aus der Taufe gehoben, damals wurden die Saarländer als Bierpanscher verschrien. Heute gibt es wohl keine größere Brauerei mehr, die ohne die süßen Mischungen bestehen kann. Von den Konzernen ganz zu schweigen. Die alkoholfreien Biere der Saarländer sind unter dem Namen Gründel versammelt.

Dass er mit seiner kleinen Marke schlecht neben Größen wie Becks oder Corona bestehen kann, ist Weber bewusst. Das muss auch gar nicht sein, denn Karlsberg wird vor allem in der Heimat getrunken. „Dort ist der Bezug der Menschen zu regionalen Produkten sehr groß“, weiß Weber. Bis in Teile von Rheinland-Pfalz hinein ist er mit seinem Bier Marktführer. Auch im Handelsmarkengeschäft ist die Brauerei vertreten, vor allem in Frankreich, historisch der wichtigste Auslandsmarkt. 1 Mio. Hektoliter werden dort jedes Jahr produziert, vieles von dort aus auch weiterexportiert ins angrenzende Westeuropa.

Überregionale Bekanntheit gelingt Karlsberg nur mit einer Marke: Mixery, Nummer eins der Biermischsorten in Deutschland. „Die Leute in Berlin oder Hamburg wissen nicht, dass dahinter eine kleine Brauerei aus dem Saarland steht“, so Weber. Das ist auch gut so, schließlich soll es eine eigenständige Marke sein.Alternative Finanzierungsformen

Um die Kraft der Marken weiter zu stärken, scheuen die Saarländer auch nicht vor alternativen Finanzierungsformen zurück. 30 Mio. EUR sammelten sie 2012 über eine Mittelstandsanleihe ein. Bei der Mittelverwendung ging es vor allem darum, die regionale Markenbindung zu erhöhen und das Vertrauen der Verbraucher zu stärken. „Wir haben uns wieder mehr um die Händler und die Gastronomie vor Ort gekümmert und die Qualität dort verbessert“, erzählt Weber. Das geht natürlich einfacher, wenn man vor Ort ist. Das spezielle Lebensgefühl vermarktet Karlsberg unter dem Namen „Bier-Gefühl“.

Von der Finanzierungsseite her steht Karlsberg erstmal gut da, die Begebung weiterer Anleihen ist vorerst nicht geplant. Auch ein Börsengang macht derzeit wenig Sinn, schließlich sei das Unternehmen mit der antialkoholischen Sparte, der Mineralbrunnen AG, bereits vertreten. Doch für die Zukunft schließt Weber nichts aus. Auf Investorenkonferenzen kommen die Saarländer mit verschiedensten Akteuren der Finanzszene zusammen. „Der Kapitalmarkt erschließt uns komplett neue Möglichkeiten“, ist er überzeugt.

Der Weg in die Zukunft

Und noch etwas ist Christian Weber wichtig. Für seine Amtszeit hat er sich vorgenommen, die einzelnen Unternehmensteile wieder stärker zusammenzuführen. „Als ich kam, arbeiteten die verschiedenen Unternehmensteile weitgehend getrennt voneinander: Das Deutschland- vom Frankreichgeschäft, das Bier- vom Wassergeschäft.“ Das kann auch operativ zum Problem werden, denn gerade in einem so stark umkämpften Markt wie dem Biergeschäft ist Flexibilität und Kundenfreundlichkeit gefragt. Zudem ähneln sich die Produkte immer mehr. „Es gibt so viele Überschneidungen, etwa im alkoholfreien Bierbereich mit Erfrischungsgetränken, da müssen Vernetzungen stattfinden.“ Einen großen Teil seiner Aufmerksamkeit legte er also darauf, die Mitarbeiter zusammenzuführen und ihre gemeinsame Verantwortung herauszustellen.

Also alles wieder typisch Familienunternehmen, jetzt, wo der Investor weg ist? „Kann sein, aber es ist auch Teil dessen, was ich bei Großkonzernen gelernt habe“, so der Junior. Zudem definiert sich für ihn ein Familienunternehmen nicht unbedingt darüber, ob die Familie noch an Bord ist, sondern ob gewisse Werte und Grundeinstellungen vorhanden sind. Vielleicht die effektivste Möglichkeit, den Spagat zwischen Tradition und Moderne zu schaffen.

 

Zur Person


Christian Weber
ist seit 2012 Generalbevollmächtigter der Karlsberg Brauerei KG Weber. Nach seinem Studium arbeitete er bei
Nestlé und Heineken, ein Einstieg beim Familienunternehmen war ihm stets freigestellt. 2009, in einer Zeit des Umbruchs für Karlsberg, sah er seine Chance gekommen. Seine Familie kaufte die 45%igen Anteile der Schörghuber-Gruppe zurück, eine Restrukturierung musste eingeleitet werden. Heute möchte Weber die Gruppe auf ihre Kernidentität zurückführen und das tun, was Karlsberg am besten kann: Gutes Bier brauen und die Verbundenheit mit der Region betonen. www.karlsberg.de

 

Kurzprofil Karlsberg Brauerei KG Weber

Gründungsjahr: 1878

Branche: Getränke

Unternehmenssitz: Homburg

Umsatz 2013: 148 Mio. EUR

Mitarbeiter: 1.600

www.karlsberg.de 

 

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