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„Ich konnte meine Fehler machen“

Dagmar Fritz-Kramer hat 2004 als Familiennachfolge die Leitung des Fertighaus-Anbieters Baufritz übernommen. Im Interview resümiert sie den schrittweisen Übergang von einer auf die nächste Generation, spricht über ökologische Alternativen zu Industrieklebern und zeigt sich überzeugt, dass Deutschland beim Bauen anderen Ländern einen Schritt voraus ist.

Unternehmeredition: Frau Fritz-Kramer, Sie sind seit 2004 Geschäftsführerin und haben das Unternehmen von Ihrem Vater Hubert Fritz übernommen. Ihr Bruder hat auf die Nachfolge verzichtet. Wie haben Sie sich damals geeinigt?

Fritz-Kramer: Mein Bruder wollte sich auf die Familie konzentrieren. Er ist von uns beiden auch der sensiblere und wollte lieber eine Bereichsleitung übernehmen. Ich hatte, als mein Vater 1999 die Nachfolge eingeleitet hat, gerade mein Studium der Innenarchitektur abgeschlossen. Wir haben dann eine Doppelspitze gebildet – mit mir als kaufmännischem und Helmut Holl als technischem Geschäftsführer. 2015 ging Helmut Holl in den Ruhestand und übergab seinerseits an einen Nachfolger, sodass es in der Geschäftsleitung immer eine Konstante gab.

Wie haben Sie die Übergabe der Gesellschafteranteile geregelt?

Auch hier hat mein Vater weitsichtig gehandelt. Mit der Einleitung der Nachfolge habe ich die ersten Anteile bekommen. Als klar war, dass ich die Geschäftsführung übernehme, wurde mir die Mehrheit der restlichen Anteile übertragen, wobei mein Vater bis 2011 noch 25 Prozent am Unternehmen gehalten hat. Seitdem habe ich 72,5 Prozent, mein Bruder hat den Rest. Bei der Erbschaftsteuer konnten wir durch die stabile Personalsituation von Freibeträgen profitieren, sodass uns die Übergabe auch steuerlich gelungen ist.

Hat Ihr Vater wirklich loslassen können, schließlich war er bis 2011 noch Miteigentümer?

Mein Vater hat alles geplant und sich an seinem 65. Geburtstag in den Ruhestand verabschiedet. Wichtig war sicherlich eine räumliche Trennung, er lebt seitdem in Österreich. Seitdem hat er nicht mehr ins Geschäft eingegriffen, sich nur hin und wieder über die finanzielle Lage informieren lassen. Mein Vater hat mir jederzeit sein volles Vertrauen geschenkt. Ich konnte meine Fehler machen. Ich denke, falls wir nach seinem Rückzug in eine Krise geschlittert wären, hätte er bestimmt eingegriffen und mich unterstützt. Das ist zum Glück nicht passiert. Heute ist die Firma für meinen Vater nicht mehr der Lebensinhalt.

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Dagmar Fritz-Kramer hat 2004 als Familiennachfolge die Leitung des Fertighaus-Anbieters Baufritz übernommen. Im Interview resümiert sie den schrittweisen Übergang von einer auf die nächste Generation, spricht über ökologische Alternativen zu Industrieklebern und zeigt sich überzeugt, dass Deutschland beim Bauen anderen Ländern einen Schritt voraus ist.

Wenn man bei Ihnen auf die Website schaut, fällt auf, dass Ihnen ein eigenes Profil wichtig ist. Wie würden Sie Ihr Unternehmen beschreiben?

Wir sind kein klassischer Fertigbauer mit einem Hauskatalog „Hannelore“, in dem man irgendwelche Modellhäuser aussuchen kann. Wir produzieren die einzelnen Bestandteile in unserem Werk vor, richten uns aber dabei nach den persönlichen Wünschen der Bauherren. Im Prinzip sind wir eine industrielle Groß-Zimmerei. Daneben bieten wir das gesamte Dienstleistungsspektrum an, von der Grundstücksanalyse bis hin zu Wartungsarbeiten.

Die Fertighaus-Branche schreibt sich auf die Fahnen, nachhaltiger zu wirtschaften als die klassische Immobilienwirtschaft. Ihnen scheint das aber zu wenig zu sein…

Wir sind die Hardcore-Ökos im Bauen. Wir haben Ende der 70er-Jahre angefangen, die gesamte Firma sowie unsere Produkt komplett ökologisch auszurichten. Seitdem haben wir stetig an Verbesserungen gearbeitet und konventionelle Materialien durch nachhaltige ersetzt. Viele klassische Stoffe im Hausbau wie Kleber oder PU-Bauschäume gibt es bei uns nicht. Dafür hat jedes unserer Häuser eine integrierte Elektrosmog-Schutzebene. Gerade zur Anfangszeit gab es auf dem breiten Markt keine ökologischen Alternativen. Deswegen haben wir im Laufe der Jahre einige Patente entwickelt. Heute sind es ca. 40 bis 50 Stück. Beispielhaft dafür steht unsere Bio-Späne-Dämmung, die mit Soda und Molke imprägniert ist. Die klassischen Dämmstoffe hatten für uns einen zu großen ökologischen Fußabdruck.

Fertighäuser von Baufritz: Viele von ihnen sind aus Holz.

Die Innovationen entstehen bei Ihnen im „Holzkopf“, einem Holzhaus für die F&E-Abteilung. Wie viel Umsatz investieren Sie in die Forschung?

Wir haben eigene Ingenieure, die unser Produkt weiterentwickeln. Schätzungsweise investieren wir fünf bis zehn Prozent unseres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Viele neue Ideen entstehen aber auch aus der täglichen Arbeit. Beispielsweise wird bei uns vor jeder Hausübergabe standardmäßig eine Luftschadstoffmessung durchgeführt. Wenn wir da eine Emission feststellen, schauen wir, auf was sie zurückzuführen ist und überlegen uns eine Lösung. Daneben arbeiten wir eng mit Hochschulen und Universitäten zusammen.

Heute, wo selbstverständlich über Nachhaltigkeit und Klimaschutz gesprochen wird, scheint Ihr Geschäftsmodell mehr als plausibel zu sein. Vor dreißig Jahren war dem noch nicht so. Wie haben Sie Kunden von Ihren Innovationen und den damit höheren Kundenpreisen überzeugen können?

In den frühen 80er-Jahren gab es schon eine erste Öko-Welle mit Pionieren wie Rapunzel oder Weleda. Wir hatten damals eine kleine, feine Kundschaft, die mit viel Eigenantrieb die Häuser ausgebaut hat. Aber als diese Welle abebbte, gab es auch sehr schwierige Zeiten für unsere Firma. Bis heute ist das Thema ja nicht komplett in der Breite angekommen. Uns ist klar, dass wir uns in einem Nischenmarkt befinden.

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Dagmar Fritz-Kramer hat 2004 als Familiennachfolge die Leitung des Fertighaus-Anbieters Baufritz übernommen. Im Interview resümiert sie den schrittweisen Übergang von einer auf die nächste Generation, spricht über ökologische Alternativen zu Industrieklebern und zeigt sich überzeugt, dass Deutschland beim Bauen anderen Ländern einen Schritt voraus ist.

Wie haben Sie während der Krisenjahre gegengesteuert?

Entscheidend war, dass wir die Assoziation von „Öko“ verändert haben: weg von Rückschritt und Verzicht, hin zu Gesundheitsgenuss. Da spielt gerade auch das Design eine große Rolle. Zum Beispiel haben wir uns auf die tolle Haptik von Holz fokussiert. Außerdem ist uns wichtig, auch bei wohnlichen Details mit Komfort zu punkten. Nehmen Sie als Beispiel einen Apfel: der aus ökologischer Landwirtschaft wird immer teurer sein. Also muss man den Kunden den Nutzen vermitteln, den sie durch den höheren Preis dazugewinnen.

Der Branchenanteil hat sich in den vergangenen Jahren bei um die 15 Prozent eingependelt. Glauben Sie denn an ein Wachstum oder geht es darum, sich innerhalb des Marktvolumens gegen Konkurrenten durchzusetzen?

Ich glaube, dass noch Luft nach oben ist, weil Holz als nachwachsender Rohstoff viel Potenzial hat, sowohl bei der Gewinnung als auch der Nutzung und dem Recycling. Ich denke, dass die Bauwirtschaft einen großen Wandel vor sich hat und wir als Fertigbau-/Holzbaubranche den konventionellen Anbietern einen großen Schritt voraus sind. Für die mittel- bis langfristige Zukunft mache ich mir deshalb keine Sorgen.

In welchen Geschäftsbereichen sehen Sie für Baufritz die größten Wachstumsmöglichkeiten?

Das größte Potenzial liegt derzeit im verdichteten Bau in urbanisierten Regionen. Gerade bei der Nachverdichtung, zum Beispiel durch Aufstockungen, sind wir als Fertigbauer wettbewerbsfähig, weil wir schnelle und leichte Lösungen anbieten. Ansonsten setzen wir auf Auslandsmärkte, wie Schottland, Irland, die Schweiz oder die Beneluxländer. Gerade im energetischen Bauen haben wir gegenüber anderen Ländern deutlich mehr Know-how, teilweise sind wir da Lichtjahre voraus. Deshalb sehe ich hier großes Exportpotenzial. Wir bauen beispielsweise gerade in England für Andrew Lloyd Webber (bekannter britischer Musical-Komponist, Anmerkung der Redaktion) ein Haus.


Zur Person

Dagmar Fritz-Kramer führt in vierter Generation den Familienbetrieb Baufritz, den sie von ihrem Vater Hubert Fritz übernommen hat. Die Nachfolge erfolgte stufenweise. Nach ihrem Studium der Innenarchitektur erhielt Fritz-Kramer im Jahr 1999 die ersten Anteile von ihrer Mutter und arbeitete fortan mit im Betrieb. Im Jahr 2004 übernahm sie die operative Leitung der Firma zusammen mit einem Co-Geschäftsführer. Baufritz beschäftigt derzeit am Standort Erkheim im Allgäu 300 Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz bei rund 78 Mio. Euro.

www.baufritz.com

 

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