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Banken wandten sich in der Krise ab

Entscheidungsstau und die Krise der Druckindustrie stürzten Planatol fast in die Insolvenz. Frisches Kapital und eine neue Führung brachten die Rettung.

„Viele Köche verderben den Brei“, heißt ein Sprichwort. Oder abgewandelt auf ein Familienunternehmen: Zu viele Anteilseigner können die Fortentwicklung lähmen. Ende 2008 stand die Planatol Holding GmbH aus dem bayerischen Rohrdorf kurz vor der Insolvenz. Eine Ursache für ihre Krise lag in Größe und Struktur des Gesellschafterkreises. Die zwölf Gesellschafter – Erben des Gründers in zweiter und dritter Generation – hatten strategische Entscheidungen verschleppt, und dies über einen längeren Zeitraum. Schließlich war es eine Beteiligungsgesellschaft, die Blue Cap AG aus München, die das Heft des Handelns übernahm.

Krise der Druckindustrie
„Notwendige Entscheidungen waren nicht oder zu spät getroffen worden“, wie Blue Cap-Vorstandschef Dr. Hannspeter Schubert heute erklärt. „Es gab quasi eine strategische Lähmung aufgrund der zwölf Familiengesellschafter, deren Nähe zum Unternehmen und deren Interessen sehr unterschiedlich waren.“ Hinzu kam eine operative Krise in der Druckindustrie, die sich im Laufe der Jahre 2008 und 2009 verstärkte. Die Unternehmensgruppe produziert Klebstoffe, Klebstoffapplikationen und -beschichtungen, sowie lösungsmittelfreie Klebebänder für die grafische und andere Industrien. Zudem entwickelt und fertigt sie Zusatzaggregate für Druckmaschinen. Zum Jahreswechsel 2008/09 stand Planatol vor erheblichen Ertrags- und akuten Liquiditätsproblemen. Die Banken drohten mit der Streichung der Kreditlinien und verlangten eine Aufstockung des Eigenkapitals.

Neun Banken sprangen ab
Kennengelernt hatte man sich anlässlich einer Veranstaltung der örtlichen IHK. „Der damalige Geschäftsführer von Planatol sprach mich an; daraufhin machte ich einen Sanierungsvorschlag inklusive einer finanziellen Beteiligung durch Blue Cap“, so Schubert. Die Insolvenzgefahr konnte nur mit neuem Eigenkapital abgewendet werden, und als Blue Cap mit frischem Geld und seiner Erfahrung bei Unternehmenssanierungen zur Seite sprang, leisteten auch die Banken einen finanziellen Sanierungsbeitrag. Insgesamt waren allerdings zehn Banken an den Gesprächen beteiligt. Die Vielzahl der Kreditgeber erschwerte die Situation. „Grund für die Schieflage war neben den Managementfehlern auch die Finanzierungsstruktur“, erklärt Schubert. „Die involvierten Banken und die Altgesellschafter stimmten dem Sanierungskonzept dann aber zu.“

Altgesellschafter ausbezahlt
Nur eine der „Alt-“Banken blieb bei der Stange, und eine kam neu hinzu. Alle anderen wurden ausbezahlt. Die zur Sanierung erforderlichen Finanzmittel in Höhe von 2,5 Mio. EUR wurden sowohl von den Geldinstituten als auch von Blue Cap als neuem Gesellschafter zur Verfügung gestellt. Schubert übernahm im ersten Quartal 2009 das Management. Ein weiterer Schritt zur Bewältigung der Krise und zur Wiederherstellung der strategischen Entscheidungsfähigkeit war ein Angebot an die Altgesellschafter. „Wir bekamen neben der Handlungshoheit auch eine Option von den Altgesellschaftern auf den Erwerb ihrer Anteile – und zwar zeitlich gestaffelt“, so Schubert. Je später der Erwerb, umso teurer wurden sie. Auf diesem Weg wurden zwischen 2009 und 2012 nach und nach alle zwölf Altgesellschafter ausbezahlt. Angefangen mit einer Beteiligungshöhe von 18% wurde diese sukzessive aufgestockt; heute hält Blue Cap 96% der Anteile.

Umsatzplus auch durch Akquisition
Ab 2010 schrieb Planatol wieder schwarze Zahlen. Robert Alber, den Schubert früher bereits bei einem Chemie-Unternehmen kennengelernt und als strategischen Berater bei der Sanierung hinzuzog, wurde Anfang 2011 Geschäftsführer von Planatol Adhesive, dem Kernunternehmen der Gruppe. Kostensenkungen einerseits und Investitionen in das Labor und die Produktion andererseits standen an. Mit der Übernahme des Maschinenbauers Gämmerler im Dezember 2011 hat Planatol sein Kerngeschäft im Bereich der Druckweiterverarbeitung ausgebaut. Die Mitarbeiterzahl stieg von 160 (Anfang 2009) auf heute rund 350. Der Umsatz belief sich 2012 auf 63 (Vorjahr 35) Mio. EUR. Für 2013 werden 72 Mio. EUR erwartet. „Planatol ist eine Kernbeteiligung von Blue Cap; wir sind an einer langfristigen Weiterentwicklung des Unternehmens interessiert und nicht auf einen schnellen Exit aus“, sagt Schubert. „Wir sehen noch einiges Wachstum im Segment Klebstoffe, weil in der Industrie immer mehr geklebt wird.“

Kurzprofil: Planatol Holding GmbH
Gründungsjahr: 1932
Branche: Druck, Grafik, Klebstoffe
Unternehmenssitz: Rohrdorf (Bayern)
Mitarbeiterzahl: ca. 350
Umsatz 2012: ca. 63 Mio. EUR
Internet: www.planatol.de

„Internationalität ist unerlässlich“

Interview mit Robert Alber, Geschäftsführer Planatol Adhesive

Unternehmeredition: Welches waren die operativen Hauptmaßnahmen zur Sanierung?

Alber: Zunächst waren durch Blue Cap bereits die Grobsanierung und der Turnaround vollzogen. Um das Unternehmen wieder in die Erfolgsspur zurückzuführen, wurde ein rigides Kostensenkungsprogramm umgesetzt. Andererseits investierten wir in ein neues Labor sowie in eine neue, sehr effiziente Dispersionsanlage, zudem auch in eine jüngere Mannschaft und entsprechend neues Know-how. Um die Funktionsfähigkeit der Abteilungen an den neuen Gegebenheiten auszurichten, war auch die Anpassung der Firmenkultur wichtig, um für neue Mitarbeiter attraktiv zu sein und qualifiziertes Personal zu erhalten. Dies ist uns in den wichtigsten Funktionen des Unternehmens gelungen.

Unternehmeredition: Wie wurde die Abhängigkeit von der Druckindustrie aufgebrochen?

Alber: Wir bauen konsequent das Marktsegment Verpackung aus, das zum einen ein wachsender Markt ist und uns auch fachlich entgegenkommt. Verpackungen werden aufwendiger und damit klassischen Druckerzeugnissen immer ähnlicher. Wir müssen also „nur“ unsere 80-jährige Erfahrung auf dieses Feld bringen. Zur Reduzierung des Umsatzanteils Druckindustrie hat auch die Akquisition von Wetzel adhesive solutions beigetragen, einem deutschen Traditionsunternehmen mit hochwertigen Klebstoffen im Bereich Holz und Verpackung. Ferner haben wir uns durch den Kauf strategische Vorteile auf mehreren Feldern geschaffen.

Unternehmeredition: Welche Pläne haben Sie und wie sehen Sie die Entwicklung im Kernbereich Klebstoffe?

Alber: Nachdem die vorgeschalteten Abläufe, also Forschung, Einkauf und Produktion, durch bisherige Maßnahmen gut aufgestellt sind, gilt der Fokus nun dem Vertrieb. Hier haben wir organisatorisch und strategisch einige Schritte getan. Bei Klebstoffen sehen wir viel Potenzial. Klebeverbindungen sind leichter und schneller anzubringen und beschädigen Stoffe und Materialien weniger als Schraub- oder Schweißverbindungen. Sie sind überall dort gefragt, wo es mechanische Verbindungen gibt, z.B. in der Autoindustrie oder im Bau. Klebstoffe werden zunehmend auch im Flugzeug- und Schiffbau sowie in der Medizintechnik verwendet.

Unternehmeredition: Wollen Sie weiter expandieren?

Alber: Der Exportanteil der Planatol Adhesive liegt schon heute bei über 50%. Internationalität ist unerlässlich, da auch unsere Kunden überregional agieren und wir nur dann als strategischer Partner ernst genommen werden, wenn wir mitziehen. In Europa sprechen wir vor allem über die Optimierung und Anpassung bestehender Vertriebswege; außerhalb Europas geht es darum, alleine oder mit strategischen Partnern Neues aufzubauen. Hier stehen BR
IC-Staaten und andere Wachstumsregionen im Vordergrund.

Unternehmeredition: Vielen Dank für das Gespräch.

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