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Baldessarini will Entschleunigung

Im hart umkämpften Markt für Männermode will Baldessarini mit klaren Linien, hochwertigen Materialien und einer gewissen Entschleunigung punkten. Dafür sollen die neue Geschäftsführerin Christine Jonski und Chefdesigner Lasse Holger Mitterhusen sorgen. 

Ein gutes Gefühl hatte Lasse Holger Mitterhusen, als er seine erste Baldessarini-Kollektion auf der Berliner Fashion Week Anfang des Jahres vorstellte. Einzig die Musik, die zunächst nicht so richtig zur Show passen wollte, machte den Design-Verantwortlichen etwas nervös. Doch letztlich löste sich auch dieses Problem. 60 Looks präsentierten seine Models in 20 Minuten. Die Kritiken waren außerordentlich gut. Ob die Herbst/Winter-Kollektion 2016/17 bei den Kunden ankommt, wird sich erst in den kommenden Monaten herausstellen. Noch befinden sich sämtliche Teile bei den Händlern. Nach und nach kommen sie dann in die Läden.

Zurück zum Wertesystem

Ursprüngliche Materialien: Baldessarini orientierte sich unter anderem an der Mongolei. (© Baldessarini GmbH)

Vieles ist neu bei Baldessarini: Seit Oktober 2014 hat Mitterhusen beim Münchner Luxus-Herrenausstatter die Kreativleitung inne. Noch ein paar Monate später kam Geschäftsführerin Christine Jonski ins Unternehmen. Seit Juli 2015 ist sie im Haus. Sie kam von der Ferd. Hauber GmbH in Nürtingen. Zusammen sollen sie das Profil der Marke schärfen.

Klare Linien, nachhaltige Materialien und nachwachsende Rohstoffe, die fast ausschließlich in Europa produziert werden, sollen die Kleidung prägen und Baldessarini im hart umkämpften Markt für Männermode in der Spur halten. Vor allem von den Naturvölkern in der Mongolei hat sich Mitterhusen inspirieren lassen. Erdige Töne in braun-rot und dunkelbraun sowie Graukombinationen prägen die Kollektion für den kommenden Winter.

Mit der Neuausrichtung will das Führungsteam der Marke neues Leben einhauchen. „Wir wollen zurück zum Wertesystem von Baldessarini und jedes einzelne Teil auf den Prüfstand stellen“, sagt Christine Jonski. Die Stringenz in der Marke hätte zuletzt etwas gefehlt. Beliebigkeit soll es künftig nicht mehr geben. Um diese zu vermeiden, wollen sich die Münchner mehr Zeit geben. Dem Kollektionswahnsinn anderer Label wollen sie sich enthalten. Pro Jahr soll es, wie früher in der Branche üblich, zwei Kollektionen geben. Eine im Sommer, eine im Winter. Mitterhusen ist sich durchaus bewusst, dass es mit der geringeren Anzahl auch schwieriger wird, den Wandel im Hause Baldessarini sichtbar zu machen.

Gegen die Beliebigkeit

Für ihn ist es ein Stück Entschleunigung in einer Welt, die sich immer schneller dreht. Eine Kollektion jagt die nächste, Mode wird immer beliebiger. „Digital Detox“ heißt das neue Zauberwort. Es beschreibt den Zeitraum, in dem vor allem gut vernetzte Personen auf ihr Smartphone oder andere elektronischen Geräte verzichten. Auch Mitterhusen versucht dies während seiner Arbeitszeit zu tun. In seiner aktuellen Kollektion spiegelt sich das wider: beständig, aber alles andere als langweilig.Im hart umkämpften Markt für Männermode will Baldessarini mit klaren Linien, hochwertigen Materialien und einer gewissen Entschleunigung punkten. Dafür sollen die neue Geschäftsführerin Christine Jonski und Chefdesigner Lasse Holger Mitterhusen sorgen. 

Beliebigkeit mochte schon Werner Baldessarini nicht. Er gründete das Luxuslabel im Jahr 1993. Damals war er Designer bei Hugo Boss und führte die Marke im Konzern ein. Qualitativ und preislich hob sie sich vom Rest des Boss-Sortiments ab. Als absoluten Charaktermenschen beschreiben ihn Leute, die in gut kennen. „Der Mensch steht für ihn im Vordergrund, in der Modebranche ist das nicht immer üblich“, sagt Jonski, die ihn noch von Boss-Zeiten kennt. Von der Pike auf, ohne jemals studiert zu haben, arbeitete sich Baldessarini vom Textilkaufmann beim Münchner Modehaus Hirmer bis zum Vorstandsvorsitzenden bei Hugo Boss nach oben. Nach seinem Ausscheiden dort suchte er Investoren, die seine Marke weiterführen sollten. Für Boss war die damals auch unter Umsatzrückgängen leidende Marke zu klein geworden.

Fündig wurde Baldessarini beim börsennotierten Familienunternehmen Ahlers aus Herford. Zu Ahlers gehören Marken wie Pionier, Pioneer oder Jupiter. Im Premium-Segment fährt Ahlers neben Baldessarini mit Otto Kern und Pierre Cardin eine Dreimarkenstrategie.

Baldessarini in hart umkämpfter Branche

Wie so viele deutsche Modeunternehmen hat auch Ahlers zuletzt etwas gelitten: Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2014/15 musste der Konzern einen

Neue Horizonte: Zuletzt vermisste die Verantwortlichen Stringenz in der Marke Baldessarini. (© Baldessarini GmbH)

Gewinneinbruch von 77 Prozent auf 1,4 Mio. Euro hinnehmen. Im laufenden Jahr 2015/16 soll dieser wieder zulegen.

Andere Modekonzerne traf es noch härter: Vor Ostern musste die erst im November an die Börse gegangene Steilmann-Gruppe Insolvenz anmelden. Wegen des Konzernumbaus ist Tom Tailor 2015 nur knapp einem Verlust entgangen. Für das Jahr 2016 ist keine große Besserung in Sicht. Und auch beim westfälischen Familienunternehmen Gerry Weber sieht es nicht gerade rosig aus: Der Aktienkurs des Unternehmens ist innerhalb der letzten zwölf Monate von 32 auf zwölf Euro abgestürzt. Gerry Weber und Tom Tailor legten mit der Eröffnung eigener Läden ein rasantes Tempo vor, das sich letztlich nicht ausgezahlt hat.

Bei Baldessarini geht man zumindest in Deutschland einen anderen Weg: Anstatt eigener Stores sollen das Wholesale-Geschäft gestärkt und noch mehr Flächen im gehobenen Einzelhandel genutzt werden. Anders gestaltet sich die Expansion im Ausland. Hier will man auch mit eigenen Stores punkten. Erst vor Kurzem eröffnete Baldessarini ein Geschäft in Kairo. Konsequent, aber gezielt soll die internationale Expansion forciert werden. In sämtlichen Ländern will sich Baldessarini qualitativ abheben: „Das Besondere an unseren Materialien ist, dass man sie spürt“, sagt Design-Chef Mitterhusen. Glänzen will Baldessarini mit der Ware und weniger mit Werbung. „Die beste Kampagne bringt nichts, wenn das Produkt nicht stimmt.“


Zum Unternehmen

1993 gründete Werner Baldessarini das gleichnamige Unternehmen. Im August 2006 kaufte das Modeunternehmen Ahlers dann sämtliche Anteile. Neben Baldessarini gehören Pierre Cardin und Otto Kern zum Premium-Segment der Ahlers-Gruppe. Zusammen erwirtschaften die Marken rund zwei Drittel des Umsatzes von rund 240 Mio. Euro. Mit dem Ausbau der Läden im Ausland, einem präzisen Großhandelsgeschäft in Deutschland und vor allem mit der neuen Herbst/Winter-Kollektion wollen sich die Münchner im Markt für gehobene Männermode behaupten. www.baldessarini.com

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