Aus Rosenheim in die ganze Welt

Wie ein Signalturm ragt der rotweiße Sendemast auf dem 1.838 Meter hohen Gipfel des Wendelstein in den Himmel. Als Deutschlands höchstgelegener Grundnetzsender versorgte er erstmals Mitte der 1950er Jahre ganz Oberbayern mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen.

Ein halbes Jahrhundert später war die Zeit reif für die Umrüstung auf das digitale terrestrische Fernsehen (DVB-T). In fliegerischer Maßarbeit setzte ein Spezialhubschrauber die neue Antenne in den 55 Meter hohen Sendemasten ein. Der gilt heute, weit sichtbar, fast schon als Wahrzeichen der Region. Er ist aber auch ein Symbol für die Innovationskraft des Antennenherstellers Kathrein.

Senden und Empfangen rund um den Globus

Der Name Kathrein steht nicht nur in den luftigen Höhen des Mangfallgebirges für Spitzenwerte. Am Heimatstandort ist das Unternehmen der größte Arbeitgeber der Region, und längst liefert es seine hochmoderne Sendetechnik weit über Deutschland hinaus in alle Welt. Insgesamt sind es sechs Geschäftsbereiche, mit denen die aus 58 Tochtergesellschaften bestehende Firmengruppe rund 1,3 Mrd. EUR Umsatz im Jahr erwirtschaftet. Der größte Teil davon kommt von den Basisantennen und Filtern für den Mobilfunk.
Zum breiten Leistungsspektrum gehören darüber hinaus aber auch Produkte für das Senden und Empfangen via Satellit und DVB-T, Autoantennen sowie Übertragungsverstärker für Kabelnetze.

Überraschender Generationswechsel

Als Anton Kathrein, der „König der Antennen“, im vergangenen Jahr urplötzlich mit 61 Jahren stirbt, trifft es die Wirtschaft in der Region und weit darüber hinaus wie ein Schock. Der Träger des Bundesverdienstkreuzes war in seiner Heimatstadt dritter Bürgermeister gewesen, Hochschulprofessor mit eigenen Vorlesungen und bayernweit ein gefragtes Präsidiumsmitglied von Kammern und Wirtschaftsverbänden.

Für das Unternehmen hatte er die Nachfolge zwar frühzeitig geregelt. Doch Sohn Anton Klaus, der gerade erst im technischen Bereich der Antennenentwicklung angefangen hatte, wollte eigentlich langsam in das Unternehmen hineinwachsen. Zweifel daran, dass er übernimmt, hatte er allerdings nie. „Weil ich an das Unternehmen mit all seinem hier gebundenen Wissen und seiner einzigartigen Stärke glaube“, sagt er beim Besuch in der Rosenheimer Zentrale.

Mit geballtem Know-how weiter wachsen

Der neue Firmenchef sieht gute Chancen dafür, dass Kathrein Werke künftig sogar wieder stärker wachsen kann als in den vergangenen Jahren. Geografisch gehört China weiterhin zu den Zukunftsmärkten, aber ebenso sieht er in Nordamerika und auch in Brasilien ein riesiges Potenzial. Vor allem aber soll das noch engere Zusammenspiel der in den einzelnen Geschäftsfeldern vorhandenen Technologien für dynamisches Wachstum sorgen. „Damit wollen wir alle Geschäftsbereiche dahin bringen, wo wir im Mobilfunk jetzt schon sind“, sagt Kathrein. An Innovationskraft wird es zudem auch künftig nicht fehlen. So fließt ein Zehntel aller Ausgaben in die Forschung und Entwicklung und das Familienunternehmen gilt darüber hinaus als attraktiver Arbeitgeber für hochqualifiziertes Personal.„Wir spüren nichts vom viel zitierten Mangel an Ingenieuren. Wer sich bei uns bewährt, kann in kürzester Zeit sehr viel Verantwortung übernehmen“, sagt Kathrein. Die Rosenheimer sind zudem in der Lage, sowohl Produkte für den Weltmarkt zu entwickeln wie auch den besonderen Bedürfnissen einzelner Regionen gerecht zu werden. „Wir waren schon bisher auch deshalb erfolgreich, weil wir an unsere lokalen Partner und damit an das Unternehmertum vor Ort geglaubt haben“, sagt Kathrein. Das jedoch soll – nicht zuletzt mit Blick auf die immer globaler agierenden Kunden – noch besser koordiniert werden. So wurde in einem ersten Schritt dafür gesorgt, dass es bei jeder Tochtergesellschaft einen von der Mutter entsandten Mitgeschäftsführer gibt.

Das Zusammenführen der Gruppe betrachtet der neue Firmenchef auch weiterhin als die Herausforderung schlechthin. Darüber hinaus strebt er eine noch offenere Kommunikation und mehr Verantwortung für jeden Einzelnen an. Den Vertrieb will er noch mehr auf den wachsenden Bedarf an Systemlösungen ausrichten und das in den Köpfen der Mitarbeiter vorhandene Wissen so organisieren, dass auch andere im Unternehmen darauf Zugriff haben.

Fest verwurzelt in der Heimat

Kathrein sieht die Nachfolge in der Unternehmensführung auch als Chance. Die Bereitschaft zu Veränderungen will er wecken und zugleich die Identifikation aller mit dem gemeinsamen Projekt noch weiter stärken. Da passt es gut, dass er selbst in der Heimat fest verwurzelt ist. Der 28-jährige Diplom-Ingenieur, der neben Englisch und Französisch während seiner Zeit in Asien auch Chinesisch sehr gut sprechen gelernt hat, wohnt 18 Kilometer südlich von Rosenheim und damit immer noch nahe dem Ort, wo einst der Großvater das Unternehmen gegründet hat. Es ist nach wie vor der größte Standort, rund 1.800 der insgesamt fast 6.900 Mitarbeiter sind hier beschäftigt.„Der Erfolg unserer Firma liegt auch darin begründet, dass wir hier in Deutschland sind. Wir werden weiterhin in den Standort Rosenheim, seine Köpfe und seine Entwicklungskapazitäten investieren“, sagt Kathrein.

Gründung mit Blitz und Donner

Begonnen hat alles ganz klein vor fast einem Jahrhundert. Der junge Ingenieur Anton Kathrein sen. wurde damals bei seiner Tätigkeit für einen regionalen Stromversorger immer wieder mit Blitzeinschlägen in den elektrischen Leitungen konfrontiert. Seine revolutionäre Idee, dem Problem mit einem Überspannungsschutz beizukommen, führte im Jahr 1919 zur Gründung der Firma. Schon wenig später stellte der Jungunternehmer seinen Erfindergeist erneut unter Beweis. Als in den 20er Jahren der Siegeszug des Radios begann, lieferte er den damals etwas mehr als eine Million Hörern die ersten Mittelwellen-Drahtantennen. Der Grundstein für das Antennenimperium war gelegt.

Gigantisches Wachstum in der zweiten Generation

Die Unternehmensgeschichte bleibt auch nach dem zweiten Weltkrieg eine Geschichte der Innovationen. Aus den Kathrein-Werken kommen die ersten Gemeinschaftsantennen in Europa, die Produkte aus Rosenheim werden auf Fernseher und Autos gebaut. Doch auch Umbrüche prägen die Firmenhistorie. Als der Gründer im Jahr 1972 stirbt, muss der junge BWL-Student Anton jr. von heute auf morgen die Geschicke der Firma leiten.

Doch der Nachfolger startet in einer Phase der Stagnation. Die Banken sind skeptisch, die Zukunft der Antennen überhaupt wird in Frage gestellt. Kathrein aber hält nicht nur durch. Ende der 70er Jahre setzt er zu einem gigantischen Wachstumssprung an, bei dem er neue Geschäftsfelder entdeckt, den Auslandsanteil auf rund 60% hochfährt und die Umsätze bis zum Jahr 2005 um gut das 40-Fache auf über 1,1 Mrd. EUR steigert. „Mein Vater war ein Chancennutzer, er hat an alle Produktbereiche geglaubt und überall die Möglichkeiten gesehen“, erinnert sich sein Sohn Anton Klaus Kathrein.

Frühzeitig Marktchancen genutzt

Eine dieser Chancen kommt mit den Satellitenfernsehen. Kathrein fertigt Parabolspiegel und Receiver für den Direktempfang von Satelliten und ist mit seinen terrestrischen Antennen bestens im Geschäft. Heute ist dieses Potenzial zumindest in Deutschland weitgehend ausgereizt. Doch Kathrein ist ja breit aufgestellt und reagiert auf Marktentwicklungen. Im Geschäftsbereich „Cars“ etwa, wo er schon frühzeitig im Taxifunk erfolgreich war, geht der Trend auch insgesamt hin zu intelligenten Systemen, für die das Rosenheimer Unternehmen Signalantennen, Verstärkertechnologien und vieles mehr entwickelt.
Kunden sind die großen Automobilhersteller – von BMW bis Mercedes und von GM bis VW. Noch ist Kathrein im Weltmarkt die Nummer zwei hinter dem Wettbewerber Delphi. „In spätestens zwei Jahren aber wollen wir ganz vorne sein“, sagt der heutige Firmenchef.

Weltmarktführer bei Mobilfunkantennen

Im Mobilfunkgeschäft, das für mehr als die Hälfte der Gesamtumsätze steht, sind die Kathrein Werke das schon jetzt. Und das Zukunftspotenzial ist noch immer immens. Vom Smartphone bis zum Tablet sind die mobilen Endgeräte im Markt angekommen und sorgen weltweit für steigende Nachfrage. Gleichzeitig wächst mit den Anforderungen an die Übertragungsraten wie etwa beim Ausbau der LTE-Standards der Bedarf an immer leistungsfähigeren Antennen.

Das Rosenheimer Unternehmen ist dabei der Konkurrenz in Sachen Wissen und Fertigungskompetenz auch deshalb immer wieder ein gutes Stück voraus, weil es schon immer ein hohes Augenmerk auf die – für die hochkomplexen Antennen von heute so wichtigen – mechanischen Faktoren gelegt hat. Dieser Grundlagenvorsprung hat nicht nur zu einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Mobilfunkanbieter Ericsson geführt. Die Rosenheimer achten auch generell auf intensive Kontakte zu den Netzwerkbetreibern und versuchen so, stets am Entstehen neuer Technologien frühzeitig beteiligt zu sein.

Norbert Hofman

Kurzprofil Kathrein Werke KG
Gründungsjahr: 1919
Branche: Kommunikationstechnik
Unternehmenssitz: Rosenheim
Umsatz 2012: 1,3 Mrd. EUR
Mitarbeiter 2013: 6.886
www.kathrein.de

Zur Person:
Anton Klaus Kathrein leitet seit November 2012 als geschäftsführender und persönlich haftender Gesellschafter die Kathrein-Werke KG. Der Diplom-Ingenieur ist Jahrgang 1984 und hat am Karlsruher Institut für Technologie Elektrotechnik studiert. Er trat im September 2012 in das vom Großvater gegründete Unternehmen ein. Kathrein ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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