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„Aus China soll die nächste Wachstumswelle kommen“

Mehr als 70% des Umsatzes erwirtschaftet Deutschlands bekanntester Waagenhersteller bereits im Ausland. Künftig soll es noch mehr werden. Mit welchen Produkten Bizerba wo wachsen will, erläutert der Geschäftsführender Gesellschafter Andreas W. Kraut.

Unternehmeredition: Herr Kraut, vor wenigen Wochen haben Sie 20 Prozent der Firmenanteile von der BWK Unternehmensgruppe zurückgekauft. Was waren die Gründe?

Kraut: Damit wollten wir ein Zeichen setzen und unser Commitment unterstreichen. Das Unternehmen soll langfristig in Familienhand bleiben. Die nächste Generation steht schon bereit. Für uns bedeutet der Rückkauf auch ein Signal an die Mitarbeiter. In den 90er Jahren entschlossen wir uns zur weiteren Internationalisierung. Dafür holten wir uns 1994 die BWK ins Haus. Über die Jahre hat die Zusammenarbeit sehr gut entwickelt. Klar war aber auch, dass die BWK nicht ewig im Unternehmen bleibt.

Wollen Sie die restlichen 10 Prozent auch noch in die Familie zurückholen?

Das halte ich für nicht ausgeschlossen. Momentan ist das jedoch kein Thema.

Warum ist es für Sie so wichtig, das Unternehmen in Familienhand zu halten?

Weil Bizerba schon immer in Familienhand war und es in den Genen steckt, uns als Teil der Firma zu sehen. Unsere Aufgabe ist es, mit unseren Mitarbeitern dieses Unternehmen zu führen. Von einer Trennung sind wir meilenweit entfernt.

Wie wichtig ist das klassische Wiegen für Bizerba und wohin geht die Reise?

Wiegen ist die Basis unserer 1866 gegründeten Firma. Wir kommen sehr stark aus dem Handelsumfeld. Dann kam das industrielle Wägen dazu. Schon vor dem zweiten Weltkrieg haben wir uns zum Marktführer in Deutschland entwickelt. Die Wiegetechnik entwickelte sich schnell weiter: Vom mechanischen Wiegen ging es über das elektronische bis hin zu PC-basierten Wägetechniken. In diesen Innovationsschüben waren wir immer vorne dabei – haben uns auch in Europa und in den USA gut positioniert.

Wohin entwickelt sich die Technologie?

Die Wägetechnik ist immer noch sehr wichtig für uns. Mittlerweile beschäftigen wir allerdings die meisten Ingenieure in der Softwareentwicklung. Unsere neuesten Geräte sind Multimedia Devices mit Wägefunktion. Sie übernehmen die Datenverarbeitung, sie können Videos abspielen, Bilder schießen, ins Internet gehen und sind verbunden mit dem Warenwirtschaftssystem unserer Kunden. Es kann die Werbung darüber laufen, sie können das Personal schulen und viele Dinge mehr. Die Waagen haben große Displays, die Zusatzinformationen bieten. Kauft der Kunde ein Stück Fleisch, wird ihm eine Soße oder der passende Rotwein angeboten.

Ist Deutschland der führende Markt oder sind Sie in anderen Ländern auch schon soweit?

In China haben wir seit 2007 ein eigenes Werk. Dort produzieren wir für die ganze Welt, aber auch für den lokalen Markt dort. Allerdings ist der Markt dort noch nicht so weit entwickelt. Meist kommen noch traditionelle Wiegesysteme zum Einsatz. Die Entwicklung schreitet jedoch schnell voran. Wir sind bereit, beim nächsten Entwicklungsschub vorne dabei zu sein.

Bizerba Gebäude in Balingen: Auf der Schwäbischen Alb entwickelt das Unternehmen seine Hightech-Produkte.

Wie sind Sie bei der Internationalisierung vorgegangen?

Wir haben die Zeit in den 80er und 90er Jahren genutzt, um uns in Europa breit zu machen und zum führenden Unternehmen zu avancieren. In der nächsten Phase, Anfang der 2000er Jahre, sind wir sehr stark in Nordamerika gewachsen. Hinter Deutschland ist das unser zweitstärkster Markt. Derzeit ist er unser Wachstumstreiber. Die europäischen Länder stagnieren eher. Seit 2007 haben wir uns darauf vorbereitet, die nächste Wachstumswelle in Asien einzuleiten.

Wie weit sind Sie dort?

Momentan ist der lokale Absatzmarkt noch nicht so stark. In den kommenden zwei, drei Jahren soll aus China heraus die nächste Wachstumswelle kommen. Schnell sind wir zum Ergebnis gekommen, dass das nur gelingt, wenn wir vor Ort sind und sowohl für den heimischen Markt dort als auch für andere Länder in Europa und Nordamerika produzieren. Mittlerweile arbeiten dort 150 Mitarbeiter. Mit dieser Doppelstrategie fahren wir sehr gut. Der chinesische Markt ist zwar noch nicht der Wachstumstreiber. Er soll es aber werden.

Woran liegt es, dass der chinesische Markt noch nicht richtig läuft?

Zum einen sind wir relativ spät in den Markt eingetreten. Unsere Konkurrenten waren fünf bis zehn Jahre früher am Start. Zum anderen ist der Markt in der Breite immer noch sehr preissensitiv und auf günstigere Produkte ausgelegt. Darauf liegt nicht unser Fokus. Zudem ist in China ein riesiges Land. Es dauert eine Weile, bis man dort eine Infrastruktur aufgebaut hat. Der Service rund um die Produkte ist für uns sehr wichtig. In China bauen wir momentan unser Netz auf. Deswegen ist der Markteintritt nicht ganz einfach.

Müssen die Mitarbeiter in Balingen durch die Internationalisierung um ihren Arbeitsplatz fürchten?

Nein. Durch die Expansion in andere Märkte haben wir in Deutschland sogar Arbeitsplätze geschaffen. Die neuen Geschäftsfelder sorgen für Stabilität. High-End-Produkte kommen auch weiterhin aus Deutschland. Durch die Produktergänzung aus China sind wir breiter und besser aufgestellt.

Auch in Südamerika wollen Sie wachsen. Was macht den Markt dort für Sie so interessant?

Die Kultur und die Essgewohnheiten etwa in Brasilien ähneln unseren doch sehr. Deswegen ist der Markt für uns prädestiniert. Wir haben bereits eine Tochtergesellschaft in Argentinien, allerdings keine Produktionsstätte dort. Die können wir uns mittelfristig in Brasilien vorstellen.

Wie groß ist Ihr Auslandsanteil momentan?

Rechnet man unsere Leasinggesellschaft heraus, liegt der Auslandsumsatz jetzt schon bei 75 Prozent des Gesamtumsatzes. Wir gehen davon aus, dass sich das Verhältnis in den kommenden Jahren auf 80 zu 20 Prozent einpendeln wird. Kurzfristig wird Nordamerika stark wachsen. Mittelfristig soll das Wachstum aus China und Südamerika kommen.

Wie soll sich Ihr Umsatz entwickeln?

Wir hatten im Jahr 2009 eine kleine Delle, ansonsten jedoch ein kontinuierliches Wachstum. 2012 lag der Umsatz bei 450 Mio. EUR. Spätestens im Jahr 2015 soll dieser auf 500 Mio. EUR klettern. Alles was wir tun, ist auf Wachstum ausgerichtet. Wir wollen jedoch nicht sprunghaft, sondern gleichmäßig organisch wachsen.

Hemmt der Rückkauf der BWK-Anteile Ihre Investitionsneigung?

Dieser belastet uns nicht. Hätte uns das gehemmt, wäre die BWK auch nicht ausgestiegen. Nahtlos können wir unsere Strategien fortführen.

Dann kommt eine Anleihe oder ein Börsengang für Sie nicht in Frage?

Wir haben eine solide finanzielle Basis, deswegen kommt die Begebung einer Anleihe oder die Platzierung von Anteilen nicht in Frage. Mit unseren Banklinien können wir das Wachstum stemmen.


Zur Person:

Andreas W. Kraut ist seit Oktober 2009 Geschäftsführender Gesellschafter der Bizerba GmbH & Co. KG. Seit 1866 ist Deutschlands bekanntester Waagenhersteller in Familienhand. Mittlerweile bietet Bizerba für Kunden aus Industrie, Handel, Handwerk und Logistik Hard- und Softwarelösungen rund ums Schneiden, Wiegen, Kassieren, Vermarkten, Informieren und vieles mehr. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen rund 3.200 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von 450 Mio. EUR.

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