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Auf die richtige Auswahl kommt es an

Negativfälle gibt es genug, ebenso die Angst vor Fusionierung und Stellenabbau sowie vor dem Verlust des eigenständigen Firmenprofils. Viele Beispiele belegen aber, dass der Mittelstand von Private Equity profitieren kann.

Die Cloppenburger Derby Cycle Holding hat vom Umwelt- und Gesundheitstrend ebenso profitiert wie von gestiegenen Spritpreisen. Sie ist zu Deutschlands umsatzstärkstem Fahrrad-Hersteller avanciert und ist Marktführer bei E-Bikes (Elektrofahrrädern). Profitiert hat das frühere Familienunternehmen aber auch von der Beteiligungsgesellschaft Finatem, an die es 2005 verkauft wurde. Man investierte gezielt in die E-Bike-Serienproduktion und in die Internationalisierung mit europaweitem Radvertrieb. „Das Unternehmen konnte sich unter Private Equity (PE) bis zum erfolgreichen Börsengang 2011 massiv entwickeln“, sagt Geschäftsführer Mathias Seidler im Rückblick. Mit der Übernahme seien strategische Restriktionen gelöst worden. „Finatem hatte zudem einen sehr integrativen und vertrauensvollen Ansatz in der Zusammenarbeit, der auch durch die Ergebnisse gerechtfertigt wurde.“

Spezifische Situation betrachten

„Viele PE-Häuser stellen heute stärker als noch vor ein paar Jahren an sich den Anspruch, neben Kapital auch Expertise in die Unternehmen einzubringen“, sagt Dr. Ulrich Störk, PE-Experte bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Dieses von PE-Gesellschaften aktiv kommunizierte Bild habe auch an der Einstellung mancher Mittelständler etwas geändert. Laut einer PwC-Studie aus 2011 war damals die generelle Sorge vor dem Verlust der Eigenständigkeit tendenziell noch ausgeprägter und Private Equity die „Ultima Ratio“, so Störk. Es komme aber immer auch auf die spezifische Situation des Unternehmens an. „Ein Unternehmen in der Krise, die es als vorübergehend betrachtet, besorgt sich eher eine Zwischenfinanzierung“, sagt Störk. „Beim Thema Wachstumsfinanzierung ist das anders, da ist die Offenheit gegenüber PE größer, um das Unternehmen – insbesondere international – weiterzubringen.“

Kapital für Wachstum und Nachfolge

Die vor rund 20 Jahren gegründete eyevis GmbH in Reutlingen ist einer der führenden Hersteller von Großbildsystemen für Kontrollräume und Leitwarten (z.B. in Kraftwerken, Kläranlagen, Wasserwerken, Verkehrsleitzentralen) sowie zur Präsentation und Information (Multimediawände in Foyers und Showrooms). Die Technik wird aber auch zur Simulation u.a. für das Training von Piloten eingesetzt. So steht zum Beispiel ein Flugsimulator mit der Technik von eyevis im Institut für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig.

Der Bedarf an den komplexen Großdisplays ist im vergangenen Jahrzehnt ständig gewachsen. In den vergangenen Jahren beschleunigte sich das Wachstum, der Umsatz stieg im Durchschnitt um 15% jährlich auf ca. 40 Mio. EUR im Jahr 2012. Um das Wachstum zu finanzieren und eine Lösung für die bis dato ungeregelte Nachfolge an der Firmenspitze zu finden, hat sich eyevis-Gründer Michael Schuster im Herbst 2012 für einen Mehrheitsverkauf an die Beteiligungsgesellschaft Brockhaus Private Equity entschieden. Mit Michael W. Nagel wurde im Zuge eines Management Buy-in (MBI) ein neuer Geschäftsführer eingesetzt. Michael Schuster hält zwar keine Unternehmensanteile mehr, ist aber als Berater an Bord geblieben.

Internationale Erfahrungen gefragt

„Brockhaus ist damals auf seiner Suche nach geeigneten Technologie-Unternehmen auf eyevis gestoßen und hat mit den Altgesellschaftern gesprochen“, erzählt Nagel. „Mittelständler stehen häufig vor der Herausforderung, dem Umsatzwachstum nachgeordnete Prozesse und Strukturen anzupassen und zu verbessern – z.B. in Management und Organisation, im Controlling, in der Finanzierung.“ Dem früheren Geschäftsführer Schuster sei es bei der Lösung der Nachfolgefrage wichtig gewesen, dass der neue Gesellschafter weiter auf Wachstum, Innovationen und neue Produkte setzt. „Strategisch geht es uns darum, Marktanteile am Weltmarkt hinzuzugewinnen und insbesondere in Märkten wie Indien, China und Südamerika stärker zu werden“, so Nagel. Er bringt internationale Erfahrungen mit den Schwerpunkten Strategie, Vertrieb und Marketing mit.

„Die Bereitschaft, sich mit dem Thema Private Equity als Option auseinanderzusetzen, ist gestiegen“, sagt Christian Niederle, Managing Director bei der M&A-Beratungsgesellschaft Network Corporate Finance. „Der Trend der letzten Jahre ist, dass Unternehmen sich von den Banken unabhängiger machen und insbesondere für Minderheitsbeteiligungen offener geworden sind.“ Eine Schwerpunktbildung, dass in einigen Branchen diese Offenheit größer ist als in anderen, kann Niederle nicht feststellen. Aber bei der jüngeren Geschäftsführer-Generation sei die Bereitschaft eventuell ein wenig stärker ausgeprägt als bei der älteren.

Spitze in der innovativen Nische

Die EZU-Metallwaren GmbH & Co. KG im baden-württembergischen Königsheim ist ein kleines Mittelstandsunternehmen. Seine Präzisionsdrehteile sorgen für Beweglichkeit: Sie stecken in Lenkungen und Airbags, insofern ist die Autobranche ein wichtiger Kunde. Zudem werden die Drehteile im Maschinenbau und der Luftfahrt verwendet. Im Jahr 2000 hatte EZU nur ca. 20 Mitarbeiter, bis 2008 wuchs die Belegschaft dann auf 65 – zudem stand die Unternehmensnachfolge an: Gründer Eberhard Zumkeller verkaufte das Unternehmen an seine Kinder Claudia Mauch und Andreas Zumkeller. Der Wirtschaftskrise begegnete man mit der Einführung eines neuen Drehverfahrens – weg von den Massenteilen, hin zu innovativen Nischenprodukten, so das Motto. Zunächst schrumpfte die Mitarbeiterzahl krisenbedingt auf knapp 40, um danach aber wieder deutlich zu steigen – auf heute rund 120.

„Ende 2009 und 2010 tätigten wir umfangreiche Investitionen in Bauten sowie in zukunftsweisende, aber auch teure Technologien“, erzählt Andreas Zumkeller. Bereits diese Phase finanzierte man mit Hilfe der MBG Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg. „Den Bedürfnissen der Automobilbranche und deren Verhandlungsmacht mussten wir mit neuen Technologien entgegentreten“, so Zumkeller. Im Jahr 2012 gab es eine zweite Finanzierung durch die MBG – auch dieses Mal eine stille Minderheitsbeteiligung mit zehn Jahren Laufzeit.

EK-Quote und Rating verbessert

Ziel war 2010 insbesondere die Verbesserung der Eigenkapitalquote. „Wir hatten uns auch klassische PE-Gesellschaften angehört – aber wir hatten dabei kein gutes Gefühl, ich habe mich mit diesen Leuten nicht wohlgefühlt“, erinnert sich Zumkeller. „Unser Wirtschaftsprüfer hat uns dann die MBG vorgeschlagen – und hier waren mir die Gesprächspartner von Anfang an sympathisch.“ Dies kostete zwar einiges mehr als ein Bankdarlehen – aber man wollte eine höhere EK-Quote und ein besseres Rating, und heute sagt Zumkeller: „Wir fühlen uns durch die MBG bei unserem Wachstum besser begleitet, haben eine gute Kommunikation und Partnerschaft.“

Zudem rede die MBG nicht in die Geschäftspolitik rein. Zumkeller will flexibel sein und schnelle Entscheidungen treffen können, ohne auf die Zustimmung anderer angewiesen zu sein. Er sei nicht generell ablehnend gegenüber klassischen PE-Häusern, und eventuell gebe es künftig auch nochmal Gespräche, denn weiteres Wachstum ist geplant. „Aber wir sehen uns mit unserer Entscheidungsgeschwindigkeit nicht in der Lage, mit ei
nem Partner zusammenzugehen, der stets noch genauer prüft und wägt.“

Die PE-Gesellschaft muss passen

„Ich bin überzeugt, dass eine wachsende Zahl von Mittelständlern ihre Vorurteile gegenüber Finanzinvestoren bzw. externen Beteiligungen begraben hat“, sagt Guy Selbherr, Geschäftsführer der MBG Baden-Württemberg. Der allmähliche Sinneswandel sei von den Erfahrungen aus der Krise geprägt. „Viele Unternehmen haben erlebt, wie die Verluste an der Kaptalbasis gezehrt haben.“ Seit Jahren seien Unternehmen nun dabei, sich einen größeren Kapitalpuffer aufzubauen. Gerade im Bereich der Innovationsfinanzierungen sowie bei Nachfolgeregelungen hätten Bedarf und Nachfrage nach Private Equity zugenommen. „Wichtig bei alldem ist für einen Mittelständler allerdings, dass er sich eine PE-Gesellschaft aussucht, die auch gut zu ihm passt – denn sonst kann es leicht zu Misserfolgen kommen, wie die Realität immer wieder gezeigt hat.“ Nach Selbherrs Erfahrungen sind Unternehmer, die mezzanine Finanzierungsbausteine wählten, auch für sonstige Beteiligungen z.B. durch klassische PE-Gesellschaften offener.

Gemischte Bilanz
Dr. Ralf Enderle, CEO der Goebel Schneid- und Wickelsysteme GmbH in Darmstadt, blickt auf rund zehn Jahre Erfahrung mit einer PE-Gesellschaft zurück. Das Unternehmen wurde kürzlich von der Nord Holding als Mehrheitsgesellschafterin verkauft – an die italienische Maschinenbaugruppe IMS Deltamatic. Goebel stellt Rollenschneidmaschinen zur Verarbeitung von Papier und Folien her; der Jahresumsatz von ca. 25 Mio. EUR wird zu gut 90% im weltweiten Export erzielt. „Finanzierungsanlass war 2003 die Trennung von der Muttergesellschaft im Rahmen eines Insolvenzverfahrens“, erzählt Enderle. Die profitable Sparte wurde vom Insolvenzverwalter in eine neue Gesellschaft ausgegründet – bei der Suche nach einem Investor fiel die Wahl auf die Nord Holding in Hannover. Mit ihr gemeinsam wurden neue, auf die Eigenständigkeit gerichtete Unternehmensstrukturen aufgebaut.

Enderle, seit fast 13 Jahren Gesellschafter-Geschäftsführer bei Goebel, war an allen Prozessen beteiligt. „Alles in allem war die Zusammenarbeit recht positiv, dem Unternehmen und mir als Geschäftsführer blieb eine relativ große Eigenständigkeit, es gab kaum Einfluss auf die operative Seite“, sagt er heute. Organisch sei das Unternehmen gut gewachsen, allerdings hätte er sich eine weniger zögerliche Haltung des Finanzinvestors bei Akquisitionen gewünscht. „Wir haben unsere Kooperation nicht bereut, aber insgesamt sehe ich Private Equity auch heute noch differenziert hinsichtlich unterschiedlicher Strategien der Unternehmensbegleitung. Mit dem Verkaufsprozess war ich nicht so glücklich, ich hätte mir weniger Zeitdruck für den richtigen Zeitpunkt gewünscht.“

Bernd Frank
redaktion@unternehmeredition.de

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