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Arbeitssicherheit in China: ein Weckruf!

Seit einer schweren Fabrikexplosion in Kunshan mit 75 Toten und 180 teils schwerstverletzen Arbeitern im August 2014 steht die Arbeitssicherheit neben der Korruptionsbekämpfung ganz oben auf der Agenda der chinesischen Zentralregierung. Im Rahmen dieser Arbeitssicherheitskampagne geraten auch ausländisch-investierte Unternehmen in das Visier der Aufsichtsbehörden.

Die Volksrepublik China ist mit ca. 700 Mio. Arbeitnehmern der größte Arbeitsmarkt der Welt. Die Masse an größtenteils immer noch billigen Arbeitskräften hat China seit dessen (Wieder-)Öffnung gen Westen 1979 einen weltweit einmaligen Wirtschaftsboom beschert.

Die Kehrseite dieser Entwicklung sind oft harte und unsichere Arbeitsbedingungen. 2013 gab es 2500 Arbeitsunfalltote. Der folgenschwere Unfall in Kunshan, der starke Aufmerksamkeit in der Bevölkerung erfahren hat, zwingt den Staat nunmehr zum Handeln: Eine seit einem Jahr diskutierte Verschärfung des seit Januar 2002 geltenden Arbeitsschutzgesetzes wurde innerhalb weniger Wochen nach dem Unfall verabschiedet und ist am 1. Dezember 2014 in Kraft getreten. Grund genug, sich Arbeitssicherheitsgesetze, deren Anforderungen und Strafen genauer anzusehen.

Grundlagen und Verantwortlichkeiten

Nicht nur den ausländischen Investoren fällt es schwer, die gesetzlichen Anforderungen an die Arbeitssicherheit für ihren speziellen Tätigkeitsbereich an ihrem jeweiligen Standort zu identifizieren: Neben den landesweit geltenden Arbeitssicherheitsgesetzen sind insbesondere industriespezifische Regelungen in einer Unzahl voneinander abweichenden lokalen Verordnungen verteilt. Diese Zersplitterung der gesetzlichen Grundlagen macht es ohne professionelle Unterstützung für den Unternehmer fast unmöglich, alle ihn betreffenden Regelungen zu berücksichtigen. Eine individuelle Analyse der fϋr das jeweilige Unternehmen gelten Arbeitsschutzpflichten ist daher angeraten.

Seit einer schweren Fabrikexplosion in Kunshan mit 75 Toten und 180 teils schwerstverletzen Arbeitern im August 2014 steht die Arbeitssicherheit neben der Korruptionsbekämpfung ganz oben auf der Agenda der chinesischen Zentralregierung. Im Rahmen dieser Arbeitssicherheitskampagne geraten auch ausländisch-investierte Unternehmen in das Visier der Aufsichtsbehörden.

Die Verantwortlichkeiten für Arbeitsschutz und für die Folgen von Arbeitsunfällen ist in den Arbeitssicherheitsgesetzen bewusst vage gehalten, da es sich der chinesische Gesetzgeber offen halten möchte, alle „Schuldigen“ zur Verantwortung zu ziehen. Generell werden zunächst die Führungskräfte („主要负责人“) für die Einhaltung der Arbeitssicherheit und für die Folgen von Arbeitsunfällen zur Verantwortung herangezogen. Verantwortlich ist damit zuvorderst der Entscheidungsträger im Tagesgeschäft – der Geschäftsführer (GF). Der GF hat für eine sichere Arbeitsumgebung zu sorgen. Der in der chinesischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung („GmbH“) über dem GF stehende Vorstand („董事会“) trägt die Verantwortung, die Geschäftspläne der Gesellschaft so zu formulieren und die vorhandenen Mittel so zu verteilen, dass ausreichend Raum für den Arbeitsschutz gelassen wird. Im gleichen Maße muss der Aufsichtsrat („监事“) überwachen, dass der Vorstand diesen Pflichten nachkommt. Die Gesellschafter („股东“) müssen die hierfür notwendigen Gelder zur Verfügung stellen. Dabei schützt die Haftungsbeschränkung der GmbH die Gesellschafter bzw. deren Entscheidungsträger im Fall von Verstößen nicht vor strafrechtlichen Konsequenzen.

Neben dem GF, dem Vorstand, dem Aufsichtsrat und den Gesellschaftern tragen aber auch die Arbeitnehmer selbst die Verantwortung für die Sicherheit ihrer Unterstellten und Kollegen. Seit 1. Dezember 2014 muss ab einer Anzahl von 100 Arbeitern eine ausschließlich für die Arbeitssicherheit zuständige Vollzeitkraft eingestellt werden. Bei weniger Mitarbeitern muss zumindest Teilzeitpersonal damit beauftragt werden. Der Sicherheitsbeauftragte soll den GF bei seinen Aufgaben in der täglichen Überwachung von Schutzmaßnahmen entlasten. Der GF und der Vorstand tragen jedoch weiterhin eine Überwachungs- und Aufsichtspflicht.

Seit einer schweren Fabrikexplosion in Kunshan mit 75 Toten und 180 teils schwerstverletzen Arbeitern im August 2014 steht die Arbeitssicherheit neben der Korruptionsbekämpfung ganz oben auf der Agenda der chinesischen Zentralregierung. Im Rahmen dieser Arbeitssicherheitskampagne geraten auch ausländisch-investierte Unternehmen in das Visier der Aufsichtsbehörden.

Sicherheitsmaßnahmen

Die zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen hängen von den betrieblichen Tätigkeiten, der Industriezugehörigkeit sowie von der Art der möglichen Gefahrenquellen ab. Problematisch ist, dass es in vielen Tätigkeits- und Industriebereichen derzeit noch keine genauen Sicherheitsvorschriften gibt. Die zuständigen Behörden vertreten in diesen Fällen oft den Standpunkt, dass die Arbeitssicherheit so zu organisieren sei, dass keine Arbeitsunfälle entstehen können.

Neben der Verifizierung und Implementierung der gesetzlich vorgeschriebenen  Sicherheitsmaßnahmen ist es für die Unternehmensführung wichtig, dass die Verantwortlichkeiten für die Einhaltung derselben klar verteilt und geregelt sind. Maßnahmen zur Arbeitssicherheit, identifizierte Gefahrenquellen sowie deren Meldung müssen sorgfältig dokumentiert werden. Die Dokumentierungspflicht ist gesetzlich normiert und im Falle eines Verstoßes für das Unternehmen mit bis zu 6.500 € Strafe belegt. Wenn ein Unternehmen einen Verstoß auch nach einer Verwarnung nicht abstellt, können die Behörden für das Unternehmen die doppelte Strafe und für den Verantwortlichen eine Strafe von bis zu € 2.500 verhängt werden. Eine umfangreiche Dokumentation durch den Verantwortlichen, entlastet diesen soweit er seinen Pflichten nachgekommen ist.

Im Rahmen der Implementierung müssen alle Arbeiter in Arbeitssicherheit geschult werden und einen Test bestehen, bevor sie mit der Arbeit beginnen dürfen. Dies umfasst neben praktischen auch theoretische Kenntnisse, einschließlich der Kenntnisse der einschlägigen Vorschriften. In einigen Industrien und Tätigkeitsfeldern müssen die Verantwortlichen und die Arbeitssicherheitsbeauftragten einen speziellen Test der zuständigen Behörden bestehen, bevor die Arbeit aufgenommen oder die Produktion beginnen darf.

Seit einer schweren Fabrikexplosion in Kunshan mit 75 Toten und 180 teils schwerstverletzen Arbeitern im August 2014 steht die Arbeitssicherheit neben der Korruptionsbekämpfung ganz oben auf der Agenda der chinesischen Zentralregierung. Im Rahmen dieser Arbeitssicherheitskampagne geraten auch ausländisch-investierte Unternehmen in das Visier der Aufsichtsbehörden.

Doppelte Sicherheitsstandards sollten vermieden werden. Für einen ausländischen Investor kann es teuer werden, in seiner chinesischen Tochtergesellschaft niedrigere Sicherheitsmaßnahmen einzuführen als im deutschen Stammhaus, denn in der lokalen Presse werden schnell Stimmen laut, die dem Investor Diskriminierung und Nachlässigkeit vorwerfen. Dies kann zu einem erheblichen Imageschaden führen, dessen finanzielle Auswirkungen mögliche „Einsparungen“ bei Sicherheitsmaßnahmen bei weitem überwiegen.

Konsequente Umsetzung notwendig

Jedes Produktionsunternehmen muss neben den vorbeugenden Schutzmaßnahmen auch Pläne für den Not- bzw. Unfall entwerfen. Dazu gehört u.a. die unverzügliche Benachrichtigung der Feuerwehr und der Arbeitsschutzbehörden. Um der chinesischen „Strategie des Abwartens“ entgegenzuwirken, nehmen die Behörden schon bei einer Stunde Meldungsverzug einen Verschleierungsversuch an. Die Behörden können in diesem Fall die Unternehmensführung zum Rϋcktritt zwingen und mit einer Strafe zwischen 60% und 100% deren Jahresgehaltes belegen.

Auch wenn eine umfangreiche Dokumentation hilft, so ist es für die Unternehmensführung ebenso wichtig wie schwierig, darauf zu achten, dass die entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch um- und durchgesetzt werden. Dies gilt auch für die Bestrafung bei Verstößen gegen Sicherheitsvorschriften. Auch wenn ein Arbeiter eigenverantwortlich zu Schaden kommt, kann die Unternehmensführung belangt werden, wenn diese kein Umfeld schafft, in dem die Arbeitssicherheit zur Pflicht wird.

Um der Haftung zu entgehen, muss der GF den Vorstand und den Aufsichtsrat auf eventuelle Mängel bei der Umsetzung der erforderlichen Sicherheitsstandards hinweisen und dies dokumentieren. Sieht der GF die Arbeitssicherheit gefährdet, muss er notfalls sogar die Produktion stoppen oder seine Arbeit niederlegen, ohne dass dieses Verhalten als Kündigungsgrund gegen ihn verwendet werden darf.

Seit einer schweren Fabrikexplosion in Kunshan mit 75 Toten und 180 teils schwerstverletzen Arbeitern im August 2014 steht die Arbeitssicherheit neben der Korruptionsbekämpfung ganz oben auf der Agenda der chinesischen Zentralregierung. Im Rahmen dieser Arbeitssicherheitskampagne geraten auch ausländisch-investierte Unternehmen in das Visier der Aufsichtsbehörden.

Rechtsfolgen von Verstößen

Die Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Arbeitssicherheit treffen nicht nur den Handelnden selbst, sondern auch die Unternehmensführung, das Unternehmen und die Gesellschafter. Die administrativen, zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen hängen von der Art des Verstoßes, dessen Folgen und dem Handelnden sowie dem Verantwortlichen  ab. Bei „schweren Folgen“, die teilweise schon ab drei Schwerverletzten oder einem Toten angenommen werden, kann der Verantwortliche mit bis zu drei Jahren und bei „besonders schweren Folgen“ mit bis zu sieben Jahren Haft bestraft werden.

Zusätzlich oder alternativ  können Geldstrafen im Ermessen des Richters  verhängt werden.

Dem Unternehmen droht zusätzlich ein Produktionsstop oder eine dauerhafte Stillegung. Dem Gesellschafter kann verboten werden, in Zukunft in China zu investieren.

Der Verantwortliche selbst kann mit hohen Strafen belangt werden. Seit November 2014 haben die Gerichte bei einigen Tatbeständen die Möglichkeit „flexible“ Geldstrafen zu verhängen; diese können bis zu 80% des Jahresgehaltes betragen. Der GF, Vorstände und Aufsichtsräte können zusätzlich lebenslang gesperrt werden, eine Führungsposition in der entsprechenden Industrie in einem Unternehmen in China zu begleiten.

Fazit

Für in China tätige Unternehmen, die aufgrund der anderen sich in China täglich stellenden Herausforderungen bislang der Arbeitssicherheit noch nicht die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet haben, ist jetzt ein guter Zeitpunkt, die Versäumnisse der Vergangenheit nachzuholen. Es ist zu erwarten, dass die angestoßene Arbeitssicherheitskampagne – wie auch die Anti-Korruptionskampgane – keine kurzzeitige Erscheinung (mehr) sein wird, sondern der Anfang einer langfristigen Entwicklung ist. Eine verschärfte Strafgesetzgebung wird möglicherweise folgen. Neben die verschärften gesetzlichen Grundlagen und der erhöhten Aufmerksamkeit der Aufsichtsbehörden tritt eine verstärkte Medienaufmerksamkeit und ein wachsendes Sicherheitsbewusstsein in der Bevölkerung. Diese fϋr China neue Konstellation macht es notwendig, die Arbeitssicherheit zukϋnftig auch in China als integralen Bestandteil der innerbetrieblichen Compliance zu betrachten und auch als solchen zu behandeln.


Zur Person

Rainer Burkardt ist deutscher Rechtsanwalt, lebt und abrietet seit über 17 Jahren in China. Er ist Vertrauensanwalt des Österreichischen Generalkonsulats in Shanghai, Schiedsrichter bei der Shanghai International Arbitration Commission und Berater der Stadt QiDong. Burkardt & Partner Rechtsanwälte ist eine in China zugelassene Kanzlei, die vorwiegend mittelständische Unternehmen, aber auch Unternehmensgruppen und internationale Industriekonzerne aus Deutschland, der Schweiz und Österreich bei deren Investitionen in China praxisnah und umfassend berät. www.bktlegal.com

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