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“Das ist der Perfektionsdrang der Deutschen”

Anne Koark bezeichnet sich selbst als Pleitier. Im Jahr 2003 ging Ihr Unternehmen insolvent, mit Ihrem Wirtschaftsbestseller „Insolvent und trotzdem erfolgreich“ hat sie Unternehmern Mut gemacht, offen mit dem Scheitern umzugehen.

Frau Koark, bei den Olympischen Spielen in Rio wurde vor allem über Sieger und Medaillengewinner gesprochen. Sie haben da wahrscheinlich einen anderen Blick drauf…

Ich verfolge so etwas intensiv. Für mich ist das ein Kleinkosmos des Lebens. Man arbeitet so lange auf etwas hin und hat das Gefühl, unschlagbar zu sein. Nur wenn der entscheidende Tag dann kommt, kann es sein, dass es nicht läuft. Dann muss man sich damit auseinandersetzen, etwas nicht geschafft zu haben und ein Mensch zu sein. Ein Beispiel ist für mich Fabian Hambüchen, der über Jahre hinweg damit leben musste, sein Ziel nicht zu erreichen und trotzdem nicht zu verkrampfen. Jetzt hat er es dann doch geschafft mit seiner Goldmedaille.


“Ohne Scheitern gibt es keine Innovation.”

Anne Koark, Ex-Pleitier und Unternehmensberaterin


Kommen wir zum wirtschaftlichen Scheitern, das für Sie eine positive Bedeutung hat. Wieso?

Ich denke, dass wir eine Begriffsrevolution beim Wort Scheitern brauchen. Denn die Fehler, die dahin führen, sind nichts Schlechtes. Ohne Scheitern gibt es keine Innovation. Nehmen sie das Beispiel Fliegen. Wie viele Menschen mussten sich ausprobieren und daran scheitern, bis dann die richtige Technik erfunden wurde. Dasselbe gilt für moderne Technologien. Keine Software funktioniert bei der ersten Version. Dafür gibt es Updates.

Anne Koark bezeichnet sich selbst als Pleitier. Im Jahr 2003 ging Ihr Unternehmen insolvent, mit Ihrem Wirtschaftsbestseller „Insolvent und trotzdem erfolgreich“ hat sie Unternehmern Mut gemacht, offen mit dem Scheitern umzugehen.

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Insolvenzen kontinuierlich gesunken. Ein gutes Zeichen?

Es werden gleichzeitig aber auch immer weniger Unternehmen gegründet. Und seit dem Jahr 1999 haben über 500.000 Unternehmen in Deutschland Insolvenz angemeldet. Als positiv würde ich diese Entwicklung nicht bezeichnen.

Ihr eigenes Scheitern haben Sie als Ansporn gesehen und daraus sogar eine Geschäftsidee entwickelt…

Ja, denn ich wollte, dass die Gläubiger ihr Geld bekommen. Deshalb habe ich meine Insolvenz zum Thema gemacht und ein Buch darüber geschrieben. Damit wollte ich auch ein Tabu in Deutschland brechen. Oft sucht man nach einem Schuldigen, aber darum geht es nicht. Viel wichtiger ist es, nach vorne zu schauen und nach Verbesserungen zu suchen. Wer insolvent ist, ist sowieso schon ganz unten. Viel mehr kann dann nicht mehr schiefgehen.


“Das Insolvenzrecht in Deutschland ist ein irrsinniges Gesetz.”

Anne Koark, Ex-Pleitier und Unternehmensberaterin


Sie haben sich auch dafür eingesetzt, das Insolvenzrecht zu reformieren. Was bemängeln sie?

Das Insolvenzrecht in Deutschland ist ein irrsinniges Gesetz. Die Verfahren dauern viel zu lange, mindestens drei Jahre. Die Unternehmer verlieren einen Großteil ihres Vermögens und müssen am Existenzminimum leben. Das Geld geht allerdings größtenteils nicht an die Gläubiger, sondern wird von den Verfahrenskosten geschluckt. Das Ganze ist kein Wirtschaftsgesetz, das an Kennziffern gemessen wird – genau das sollte es aber sein.

Anne Koark bezeichnet sich selbst als Pleitier. Im Jahr 2003 ging Ihr Unternehmen insolvent, mit Ihrem Wirtschaftsbestseller „Insolvent und trotzdem erfolgreich“ hat sie Unternehmern Mut gemacht, offen mit dem Scheitern umzugehen.


“In Deutschand verurteilen sich die Menschen zu sehr, wenn etwas nicht klappt.”

Anne Koark, Ex-Pleitier und Unternehmensberaterin


Sie sind gebürtige Engländerin. Gibt es beim Thema Scheitern und Insolvenz Unterschiede zwischen den beiden Ländern?

In Deutschland verurteilen sich die Menschen zu sehr, wenn etwas nicht klappt. Das hat etwas mit der Geschichte zu tun. Seit den Jahren des Wirtschaftswunders glauben die Leute, sie müssten nur hart genug arbeiten, dann werden sie auch erfolgreich sein. Wenn es dann doch nicht so kommt, suchen sie den Fehler automatisch nur bei sich selbst. Das ist der Perfektionsdrang der Deutschen.

Wie kann sich diese Mentalität ändern?

Da passiert schon etwas. In den letzten Jahren beobachte ich, dass die Deutschen langsam lockerer werden. Es gibt mittlerweile Veranstaltungen wie die EpicFail- oder Failure Nights, die das Thema offen, teilweise auch humorvoll, angehen.


Kurzprofil Anne Koark:

Geboren: 1963 in Barking / Essex (England)

Beruf: Unternehmensberaterin, Übersetzerin, Keynote-Speakerin

Hobbies:Schwimmen, Philosophie, Alltagsbeobachtungen

 

Ein Beispiel für die Failure-Nights finden Sie hier:

http://failure-night.com/

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