Unterschiedliche Pandemie-Betroffenheit im Mittelstand

Das Institut für Mittelstandsforschung IfM Bonn untersucht die Folgen für Unternehmen

Der Mittelstand ist von den Pandemiefolgen unterschiedlich stark betroffen. Zu diesem Schluss kommt  das IfM Bonn in seinem Hintergrundpapier
© studio-v-zwoelf-stock.adobe.com

Die mittelständischen Unternehmen sind von den Pandemiefolgen unterschiedlich stark betroffen. Zu diesem Schluss kommt  das IfM Bonn in seinem Hintergrundpapier “Perspektiven für den Mittelstand in der Covid 19-Pandemie. Teil 2: Herausforderungen für den Mittelstand”, in dem eine Reihe von aktuellen Statistiken und Befragungen ausgewertet werden. Demnach könne ein Großteil der Unternehmen unter Einhaltung eines Hygienekonzeptes weitestgehend unbehindert agieren, während die wirtschaftlichen Konsequenzen für diejenigen mittelständischen Bereiche der Wirtschaft gravierend seien, die aufgrund der pandemischen Situation (teilweise dauerhaft) schließen müssen wie Kultur, Gastronomie, Tourismus und Einzelhandel.

Zugleich weist das Hintergrundpapier darauf hin, dass die antipandemischen Maßnahmen die wirtschaftlichen Belastungen durch pandemiebedingte Erkrankungen oder Quarantänezeiten in Folge eines ungebremsten Pandemieverlaufs deutlich reduziert haben. Diese seien erheblich, auch wenn sich das exakte Ausmaß nicht quantifizieren lasse: Einer überschlägigen Rechnung zufolge würden allein durch Isolierung oder Quarantäne jeden Tag rund 800.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ausfallen, wenn die Inzidenz bei 200 Fällen je 100.000 Einwohner läge und man durchschnittlich fünf enge Kontakte je Infiziertem unterstellt.

Betroffenheit der gesamten Wirtschaft steigt

Nicht überraschend steigt die Betroffenheit der gesamten Wirtschaft mit der Pandemiedauer. In dem Papier wird eine Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus dem Jahr 2020 zitiert, wonach anfänglich rund 40 % der befragten Unternehmen angaben, dass sie (stark) negativ betroffen waren. Dies sei im Sommer 2020 leicht zurückgegangen, um anschließend wieder anzusteigen. Aktuell seien über 50 % (53 %) (stark) negativ betroffen, heißt es in der Auswertung. Erwartungsgemäß seien die Branchenunterschiede erheblich. Handel und insbesondere das Gastgewerbe seien sehr stark betroffen, das Baugewerbe sei fast gar nicht davon tangiert.

Sinkende Liquiditätsreserven

Der Anteil der Betriebe, deren Liquiditätsreserven maximal noch für zwei weitere Monate ausreichen, sei von 28 % zu Pandemiebeginn auf aktuell 32 % gestiegen. Besonders prekär sei die Lage im Gastgewerbe, wo knapp 60 % der Betriebe nur über geringe Reserven verfügen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Überlebensrate der Unternehmen im Gastgewerbe tendenziell unterdurchschnittlich sei und zudem saisonalen Schwankungen unterliege, heißt es unter Berufung auf eine aktuelle IfM-Untersuchung. Ebenfalls stark betroffen sei der Handel (Anstieg von 26 % auf 38 %). Auffallend der starke Anstieg der betroffenen Betriebe in der Logistikbranche: Waren es zu Beginn der Pandemie gut 22 %, sind es aktuell 44 %.

Umsatzeinbußen besonders bei kleineren Selbstständigen hoch

Laut Sonderbefragungen des KfW-Mittelstandsmonitors waren im Mittelstand Umsatzeinbußen zu Pandemiebeginn besonders häufig bei sonstigen Dienstleistungen und im Handel, unter den kleineren Mittelständlern mit bis zu zehn Beschäftigten und den Freiberuflern zu verzeichnen. Eine groß angelegte Befragung des Verbandes der Gründer und Selbstständigen (VGSD) bei Soloselbstständigen im Frühjahr 2020 verdeutlicht diese erhebliche Betroffenheit der kleineren Selbstständigen. Der monatliche Umsatz war bei knapp 60 % von ihnen um mehr als 75 % eingebrochen; mehr als ein Drittel (35 %) erwartete, dass diese Phase länger als ein halbes Jahr andauern würde. 80 % erlitten einen Umsatzeinbruch von mehr als der Hälfte; in den besonders betroffenen Branchen wie der Gastronomie, Beherbergung, Kunst, Kultur und Erholung lagen die Umsatzeinbrüche bei neun von zehn Selbstständigen bei mehr als 75 %. Ein Großteil ging bereits im Frühjahr 2020 davon aus, auf ihre Altersvorsorge zurückgreifen zu müssen. Jeder vierte hielt sogar eine Aufgabe der eigenen Soloselbstständigkeit in den folgenden zwölf Monaten für wahrscheinlich; das betraf insbesondere konsumnahe Branchen.

29 Prozent der Unternehmen noch nicht betroffen

Laut den Sonderauswertungen des KfW-Mittelstandspanels ist die Betroffenheit des Mittelstands zwar immer noch hoch, jedoch rückläufig. Der Anteil lag zu Jahresbeginn 2021 trotz der weiterhin harten antipandemischen Maßnahmen unter der Betroffenheit des Frühjahrs 2020: Waren im April 2020 noch 80 % der KMU betroffen, waren es im Januar 2021 68 %. Dies war nur geringfügig höher als noch im September 2020 mit 63 %. 29 % der Unternehmen sind bislang von der Krise sogar noch überhaupt nicht betroffen; und auch die anfänglich massive Betroffenheit durch Umsatzeinbrüche ist zu Jahresbeginn deutlich gesunken (45 %, zum Vergleich: 58 % im April und 61 % im Juni 2020). Das könnte einerseits daran liegen, dass Unternehmen ihre Geschäftsmodelle erfolgreich an die „Krisenbedingungen“ angepasst haben. Andererseits deutet es auch daraufhin, dass die getätigten antipandemischen Maßnahmen in Kombination mit den aufgelegten Hilfsprogrammen gesamtwirtschaftlich gesehen den von der Pandemie verursachten Schaden erfolgreich begrenzt haben.

Grundsätzliche Widerstandskraft des Mittelstandes

Die Befragungsergebnisse des KfW-Mittelstandspanels deuten auch auf eine erhebliche grundsätzliche Widerstandskraft des Mittelstandes hin: Trotz der seit mittlerweile über einem Jahr andauernden pandemischen Lage ist immer noch die weitaus überwiegende Mehrheit der mittelständischen Unternehmen überzeugt, dass sich die Lage in absehbarer Zeit normalisieren wird. Lediglich 17 % der Unternehmen zeigt sich diesbezüglich skeptisch. Zwar ist der Anteil der Pessimisten seit vergangenem Sommer (damals 8 %) gestiegen, die Mehrheit der mittelständischen Unternehmen blickt dennoch (zumindest verhalten) optimistisch in die Zukunft. Trotzdem wird die Krise beim Mittelstand Spuren hinterlassen. Es ist zu Liquidationen gekommen und das wird auch zukünftig der Fall sein. Aber auch hier muss die Frage gestellt werden, inwieweit diese Unternehmensschließungen ursächlich auf Sars-CoV-2 zurückzuführen sind und nicht Teil eines „normalen“ Wandels der Unternehmenslandschaft sind.

“In der öffentlichen Diskussion um Lockerungen werden vielfach nur die schädlichen wirtschaftlichen Folgen der antipandemischen Maßnahmen diskutiert. Weniger Beachtung findet hingegen die Tatsache, dass eine ungebremst verlaufende Pandemie nicht nur zu steigenden Neuinfektionen führen würde, sondern auch zu einer erheblichen Verunsicherung der Konsumenten. Entsprechend könnte es sein, dass die Konsumenten von sich aus weitestgehend das öffentliche Leben meiden anstatt in den Einzelhandelsgeschäften einkaufen bzw. ins Theater oder Restaurant zu gehen“, zeigt die IfM-Präsidentin Prof. Dr. Friederike Welter auf. „Gleichwohl darf man aber auch die persönliche Komponente für die Unternehmer und Unternehmerinnen nicht außer Acht gelassen werden: Einerseits müssen sie sich selbst und ihre Belegschaft vor der Pandemie in Acht nehmen. Andererseits fürchten viele von ihnen um den Fortbestand ihres Unternehmens bzw. um die der Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.“ Je mehr mittelständische Unternehmen im Zuge der Pandemie schließen müssten, desto mehr sei die Vielfalt des Mittelstands gefährdet.

Das ausführliche Hintergrundpapier “Perspektiven für den Mittelstand in der Covid 19-Pandemie. Teil 2: Herausforderungen für den Mittelstand” ist auf der Homepage des Instituts für Mittelstandsforschung abrufbar.

Autorenprofil

Als Chefredakteurin der Unternehmeredition berichtet Eva Rathgeber regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Wirtschaftsjournalismus und in der PR.

Vorheriger ArtikelMBO-Gruppe wird Teil des japanischen Komori-Konzerns
Nächster ArtikelDigitales Publishing auf Wachstumskurs