“Es ist nicht damit getan, einen Hoodie-Träger einzustellen”

Digitalisierung ist das Zauberwort – seit vielen Jahren. Aber welcher Weg ist für ein mittelständisches Unternehmen aus dem Maschinenbau richtig? Körber – ein Maschinenbau-Mischkonzern aus Hamburg mit mehr als 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – hat gleich einen eigenen digitalen Geschäftsbereich gegründet.
(c) gopixa_adobe_stock

Digitalisierung ist das Zauberwort – seit vielen Jahren. Aber welcher Weg ist für ein mittelständisches Unternehmen aus dem Maschinenbau richtig? Körber – ein Maschinenbau-Mischkonzern aus Hamburg mit mehr als 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – hat gleich einen eigenen digitalen Geschäftsbereich gegründet. Mit Körber Digital sollen neue Technologien zur Marktreife gebracht werden.

Motor hinter dieser Initiative ist Daniel Szabo, seit 2019 der CEO Köber Digital. Er hat im Gespräch mit der Unternehmeredition einen einfachen Tipp parat: „Es ist nicht damit getan, einen Hoodie-Träger einzustellen. Im gesamten Unternehmen müssen Prozesse angepasst werden“. Bei Körber Digital hat er die Möglichkeiten dafür bekommen. Nun arbeitet er mit seinem Team an Zukunftstechnologien mit einem klaren Fokus auf Software und digitale Lösungen. Im Prinzip funktionieren die Prozesse ähnlich wie bei einem Startup Accelerator. Aus einer ersten Idee für ein Produkt oder einer groben Problemlösung wird in einem strukturierten Prozess ermittelt, ob eine technische Umsetzbarkeit möglich ist und ob es erste mögliche Kunden für einen Markteintritt gibt. „Ein solcher Prozess dauert bei uns ungefähr ein Jahr. In dieser Zeit setzen wir uns intensiv mit dem Markt auseinander, arbeiten weiter an der technischen Lösung und kommen dann in einem Investment Committee zu einer Entscheidung über eine mögliche Ausgründung“, sagt Szabo. Körber Digital beschäftigt aktuell knapp 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Berlin, Karlsruhe, Porto, Helsinki, Greenbay und München.

Rocket Internet der Maschinenbauer

Digitalisierung ist das Zauberwort – seit vielen Jahren. Aber welcher Weg ist für ein mittelständisches Unternehmen aus dem Maschinenbau richtig? Körber – ein Maschinenbau-Mischkonzern aus Hamburg mit mehr als 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – hat gleich einen eigenen digitalen Geschäftsbereich gegründet.
Daniel Szabo, Foto: Körber Digital

In der Manager-Fachsprache würde man Köber Digital einen „Company Builder“ nennen. Szabo selbst sieht seine Unternehmenseinheit als eine Art „Rocket Internet der Maschinenbauer“. Zweimal haben die Unternehmensausgründungen schon funktioniert. FactoryPal bietet eine Software-as-a-Service-Lösung an, mit der die Fertigung in Fabriken effizienter werden kann. Auf der Basis einer Machine-Learnig-Technologie werden Fertigungsprozesse zuerst analysiert und anschließend optimiert. Bis zu 30% Zugewinne bei der Effektivität seien dadurch zu erreichen, indem Maschinendaten live zusammengeführt werden und anschließend eine Optimierung erfolgt.  Die Lösung wird derzeit bereits für erste Kunden in der Tissue- wie auch Pharma-Industrie eingesetzt – eine Ausweitung des Marktes ist geplant. Eine weitere erfolgreiche Ausgründung ist InspectifAI. Das Unternehmen bietet eine leistungsstarke optische Inspektion von flüssigen Medikamenten an, um Verunreinigungen und Schäden zu erkennen. Auch hier kommt künstliche Intelligenz zum Einsatz, um den Prozess der Fehlererkennung zu beschleunigen und die Zuverlässigkeit zu erhöhen.

Digitalisierung ist kein Modewort

Beide aktuellen Ausgründungen sind von ihren Anwendungen her in der Nähe der Produktfamilie des Technologiekonzerns Körber angelehnt. Dennoch – und das ist Szabo wichtig – funktioniert die Technologie unabhängig von der eigenen Produktlinie. „Wir arbeiten grundsätzlich maschinen-agnostisch. FactoryPal läuft beispielsweise bereits auf zahlreichen Anlagen von diversen Maschinenherstellern“, erklärt er. Und ein weiterer Grundsatz bestehe darin, dass Software-as-a-Service-Lösungen angeboten werden und dass dabei mit Cloud-Technologie gearbeitet wird. Die Lösungen von Köber Digital koppeln sich also vom Maschinenpark des Mutterkonzerns ab. „Hardware wird weiter nötig sein – davon bin ich fest überzeugt. Aber eine höhere Effizienz ist nur durch die Kombination mit digitaler Technologie zu erreichen und diese muss unabhängig vom Maschinentyp entwickelt werden“, sagt Szabo.

„Digitale Transformation ist der härteste Teamsport“

Digitalisierung und Industrie 4.0 sind für Szabo keine Modeworte. Er sieht die Anforderung, dass sich Strukturen und Prozesse in Unternehmen ändern, um für die Anforderungen der modernen Märkte gewappnet zu sein. Wichtig seien flexible Arbeitszeitmodelle und auch der Abbau von Hierarchien. „Digitale Transformation ist der härteste Teamsport“, meint er. Und er hat auch eine gute Begründung dafür, denn viele Wettbewerber mit digitalen Geschäftsmodellen seien komplett anders aufgestellt. Diese hätten bereits mit anderen Strukturen begonnen und haben nun keinen anstrengenden Anpassungsprozess vor sich.

Mit seinem Unternehmergeist will er bei Köber Digital beweisen, dass aus einem Konzern eigenständige, digital-agierende Unternehmen ausgegründet werden können, die sich dann auch am Markt etablieren. Szabo selbst hat mit You Mawo ein sehr erfolgreiches Startup an den Start gebracht und bringt auch dadurch die entsprechende Erfahrung mit. „Etablierte Unternehmen wie Körber haben eine Art unfairen Wettbewerbsvorteil, wenn es darum geht, neue Firmen zu gründen. Denn sie haben einen bestehenden Kundenkreis, ein funktionierendes Marketing und weitere wichtige Stabsfunktionen“, sagt Szabo. Dies macht er sich zunutze, wenn es um die Gründung neuer Firmen geht. Zusammen mit seinem Team werden Trends beobachtet, wo es neue Marktchancen gibt oder wo Unternehmen auf der Suche nach Problemlösungen sind.

ESG bietet viele Marktchancen

Als aktuellen Markt sieht er notwendige Lösungen aus dem ESG-Umfeld. Das ist im Prinzip naheliegend, da sich die Anforderungen an die komplette Wirtschaft insbesondere aufgrund der Themen Umwelt, Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung in den vergangenen Jahren deutliche verschärft haben. Es geht inzwischen nicht mehr um Window Dressing, sondern um Geschäftsmodelle und Ressourcen für Finanzierungen. Denn: „Nichts machen ist auch keine Option“. Wenn Kapitalgeber aus ESG-getriebenen Beweggründen den Rücken zukehren, dann wird es mit dem Wachstum schwierig. So halten Szabo und sein Team besonders in diesem Sektor die Augen offen und suchen nach neuen technischen Möglichkeiten und Gründungsideen. Von der Notwendigkeit ist er auch selbst überzeugt: „Die Zeit des höher, schneller, weiter ist vorbei. Wir müssen weniger konsumieren und effizienter werden“. Auch die sinkende Zahl von Arbeitskräften sieht er als eine große Herausforderung. Engineering könne durch digitale Tools besser werden und damit neue Anwendungsmöglichkeiten schaffen.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

Vorheriger ArtikelRitter GmbH strebt Sanierung in Eigenverwaltung an
Nächster ArtikelRena Technologies veräußert China-Solargeschäft an PDT