Delta-Variante und Lieferketten bremsen Wirtschaftsprognosen

Wirtschaftsprognosen trüben sich ein.
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Die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland sinken in der aktuellen Umfrage vom August 2021 um 22,9 Punkte auf einen neuen Wert von 40,4 Punkten. Dies ist der dritte Rückgang seit Mai und er fällt noch etwas stärker aus als im Vormonat. Die Einschätzung der konjunkturellen Lage für Deutschland verbessert sich im August auf 29,3 Punkte, dies ist ein Anstieg um 7,4 Punkte gegenüber dem Vormonat. Mit diesen gemischten Nachrichten beginnen wir unseren Überblick über die aktuellen Wirtschaftsprognosen.

„Die ZEW-Konjunkturerwartungen gehen zum dritten Mal in Folge zurück. Dies weist auf zunehmende Risiken für die deutsche Konjunktur hin, wie etwa eine mögliche vierte Covid-Welle ab Herbst oder eine Abschwächung des Wachstums in China“, kommentiert ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, in einer Pressemitteilung die aktuellen Erwartungen. Die Erwartungen der Finanzmarktexperten und Finanzmarktexpertinnen an die Konjunkturentwicklung in der Eurozone seien im August ebenfalls zum dritten Mal in Folge zurückgegangen. Der neue Wert des Lageindikators beträgt 14,6 Punkte und ist damit um 8,6 Punkte gegenüber Juli angestiegen. „Die seit Monaten andauernde deutliche Verbesserung der konjunkturellen Lageeinschätzung zeigt, dass sich die Erwartungen außerdem auf Grund des schon erreichten höheren Wachstums abschwächen“, fährt Wambach fort.

Deutlicher Rückgang der Unternehmensinsolvenzen

Das Statistische Bundesamt hat für den Mai 2021 einen Rückgang der Unternehmensinsolvenzen um 25,8 % im Vergleich zum Vorjahresmonat ermittelt. Dies ist eine deutliche Korrektur seiner ursprünglichen Prognose. „Der weiterhin sehr deutliche Rückgang der Unternehmensinsolvenzen lässt sich nicht auf die staatlichen Interventionen während der Pandemie reduzieren, sondern offenbart auch langfristige Trends“, erläutert Dr. Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbands der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID). Der langfristige Trend rückläufiger Gewerbeanmeldungen, der nahezu parallel zu den langjährig rückläufigen Insolvenzzahlen verlaufe, sei ein deutliches Beispiel dieser Entwicklungen. „Nach den Erfahrungen der Praxis ist auch in den Monaten Juni und Juli 2021 mit einem sehr niedrigen Insolvenzaufkommen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu rechnen.“, so der VID-Vorsitzende weiter.

Auftragseingang steigt stark

Die deutsche Industrie hat im Juni 2021 einen starken Zuwachs beim Auftragseingang verzeichnet. Die Orders seien um 4,1% gegenüber dem Vormonat gestiegen gestiegen. Dies teilte das Statistische Bundesamt mit. Vor allem Großaufträge hätten zu dem deutlichen Anstieg beigetragen. Gegenüber dem eher schwachen Vorjahresmonat stiegen die Aufträge im Juni um mehr als 26%. Nach Einschätzung der Experten hätte der Auftragseingang in der Industrie den Einbruch durch die Corona-Pandemie bereits mehr als wettgemacht.

Materialengpässe machen der Wirtschaft zu schaffen

Laut einer aktuellen Umfrage des Münchner Ifo-Instituts leiden immer mehr Unternehmen unter den Materialengpässen. Von April bis Juli stieg der Anteil von 45 auf fast 64%. Besonders die Halbleiter sind weiterhin knapp. Das bekommen vor allem die Hersteller elektrischer Ausrüstungen zu spüren (84,4%) sowie Autohersteller und ihre Zulieferer (83,4% Prozent). Bei den Herstellern elektronischer Geräte beklagen 72,2% einen Materialmangel, unter den Maschinenbauern sind es 70,3%. Lieferengpässe, hohe Energiekosten und teure Rohstoffe sorgen dafür, dass die Preise wieder stärker steigen. Eine aktuelle Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unter 2.000 Unternehmen zeigt, dass vor allem steigende Rohstoffpreise Unternehmen belasten. Besonders die Baubranche und die Industrie leiden unter der Entwicklung. 80% der deutschen Unternehmen erwarteten mittelstark oder stark steigende Preise, weil Rohstoffe sich verteuert haben und Vorleistungen knapp sind. 70% der Unternehmen berichten von mittelstark oder stark steigenden Energiepreisen.

Vierter Lockdown würde zehn Milliarden Euro kosten

Seit dem Ende der dritten Welle atmen weite Teile der Wirtschaft, besonders die Besitzer von Cafés, Kinos und Restaurants durch: Langsam laufen die Geschäfte wieder an. Die Wirtschaftsleistung im zweiten Halbjahr 2021 bleibt dennoch deutlich unter ihrem Normalniveau. Neue IW-Berechnungen beziffern den Wertschöpfungsverlust in der zweiten Jahreshälfte 2021 auf rund 30 Milliarden Euro. Käme es zu einem weiteren Lockdown, dürfte der Wertschöpfungsverlust dann im vierten Quartal um weitere rund zehn Milliarden Euro höher ausfallen.

Zahl der Kurzarbeiter sinkt im Juli deutlich

Die Zahl der Kurzarbeitenden ist im Juli deutlich gesunken, von 1,39 auf 1,06 Millionen Menschen. Das sei die niedrigste Zahl seit Beginn der Coronakrise im Februar 2020. Im Juli 2021 waren noch 3,1% der abhängig Beschäftigten in Kurzarbeit, nach 4,1% im Vormonat. Das schätzt das ifo Institut auf der Grundlage seiner Konjunkturumfrage und von Daten der Bundesagentur für Arbeit. „Vor allem in den Branchen mit Corona-Lockerungen ging die Kurzarbeit erneut kräftig zurück“, sagt ifo-Umfrageexperte Stefan Sauer. „In der Industrie jedoch sehen wir erste Auswirkungen der Engpässe bei Vorprodukten und Rohmaterialien auf den Umfang der Kurzarbeit.“ In der Autobranche sei die Zahl der Kurzarbeitenden von 14.500 auf 32.100 gestiegen, was einem Anteil von 3,4% entspricht.

Autorenprofil

Als Redakteur der Unternehmeredition berichtet Alexander Görbing regelmäßig über Unternehmen und das Wirtschaftsgeschehen. Zu seinen Schwerpunkten gehören dabei Restrukturierungen, M&A-Prozesse, Finanzierungen sowie Tech-Startups.

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