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„Für Unternehmen unserer Größe ist die Anleihe ein probates Finanzierungsinstrument“

Vor einem Jahr begab die Reiff-Gruppe eine Anleihe am Stuttgarter Bondm und schaffte damit den ersten Berührungspunkt mit dem Kapitalmarkt. Im Interview mit dem GoingPublic Magazin spricht Eberhard Reiff, Chef des traditionsreichen Familienunternehmens, über die Erfahrungen mit der Bond-Emission, die familiäre Struktur des Unternehmens und mögliche weitere Schritte auf dem Kapitalmarkt.

GoingPublic: Herr Reiff, warum haben Sie sich im vergangenen Jahr erstmals für die Emission einer Anleihe entschieden?

Reiff: Wir haben 2011 ein Unternehmen gekauft, das sehr gut in unser Portfolio passt. Dafür haben wir eine Expansionsfinanzierung benötigt. Dabei hatten wir die Wahl zwischen einem syndizierten Bankkredit und der Anleihe, die u.a. von der Stuttgarter Börse mit dem Bondm-Segment angeboten wurde. Innerhalb eines etwa zweimonatigen Entscheidungsprozesses haben wir das Für und Wider abgewogen. Ein entscheidender Grund für die Anleihe war, dass Bankenfinanzierungen unserer Meinung nach besonders für Mittelständler unserer Größe wegen Basel III in Zukunft wahrscheinlich eher schwieriger werden. Daher war es für uns ein guter Zeitpunkt, das Anleihesegment anzugehen.

GoingPublic: Die Anleihe war für Sie auch ein erster Berührungspunkt mit dem Kapitalmarkt. Welche Erfahrungen haben Sie mit Investoren und der von ihnen geforderten Offenheit gemacht?

Reiff: Wir waren diese Offenheit in diesem Maße natürlich nicht gewohnt, aber es hat uns keine enorme Überwindung gekostet, uns entsprechend umzustellen. Vor allem haben wir festgestellt, dass institutionelle Investoren auf hohem Niveau argumentieren und Situationen sehr schnell verstehen. Das hat zu interessanten Diskussionen geführt.

GoingPublic: Es haben auch viele Mitarbeiter die Anleihe gezeichnet. Haben Sie mit einer so großen Resonanz in Ihrer Belegschaft gerechnet?

Reiff: Es stand für uns außer Frage, dass wir die Mitarbeiter immer einbinden werden. Bis einschließlich einer Summe von 50.000 EUR wurden alle Zeichnungswünsche der Mitarbeiter erfüllt. Was uns überrascht hat, ist die Größenordnung von insgesamt 2,5 Mio. EUR. Gerechnet hatten wir mit 0,5 bis 0,75 Mio. EUR. Das zeigt auch eine gute Mitarbeiterbindung, da das Interesse am Unternehmen offensichtlich groß ist – ein positiver Nebeneffekt, wie wir finden!

GoingPublic: Die Unternehmensentwicklung der letzten Jahre, besonders auch 2011, war sehr positiv, was sich auch im Kurs der Anleihe widerspiegelt. Planen Sie auch in Zukunft, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren – vielleicht auch mit Eigenkapital?

Reiff: Für Unternehmen unserer Größe ist die Anleihe sicher ein probates Finanzierungsinstrument. Dabei ist auch entscheidend, ob das Unternehmen schon mal erfolgreich platziert hat oder ein Newcomer auf diesem Gebiet ist. Für uns war die Anleihe also voraussichtlich keine einmalige Angelegenheit. Auf der Eigenkapitalseite haben wir dagegen keinen großen Bedarf: Wir sind drei Eigentümerfamilien, und solange es uns gelingt, immer ausreichend Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, werden wir keine weiteren Anstrengungen in diese Richtung unternehmen.

GoingPublic: Auto- und Motorradreifen sind das wichtigste Standbein der Reiff-Gruppe. Sie sind aber dabei, den Autoservice weiter zu diversifizieren. Wie soll das genau aussehen?

Reiff: Das ist eine Entwicklung, die wir immer stärker forcieren. Wir haben in unseren Niederlassungen ein Autoservice-Geschäft, anfänglich mit Stoßdämpfern, Auspuffen und Bremsen. Inzwischen bieten wir markenunabhängig sämtliche Reparaturen, Inspektionen und Lackierarbeiten an. Das ist eine sinnvolle Ergänzung für unseren großen Stamm an privaten und gewerblichen Reifenkunden. Ein Erfolgsmodell für uns, weil wir in diesem Bereich deutlich günstiger arbeiten können als die Vertragswerkstätten.

GoingPublic: Besonders die Online-Umsätze sind 2011 stark gestiegen. Lassen sich ähnliche Wachstumsraten auch in Zukunft realisieren? Wo liegt hier noch Potenzial?

Reiff: Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht. Je nach Unternehmen in der Reiff-Gruppe liegen wir zwischen 60 und 85% B2B-E-Commerce-Anteil. Mehr als 90% wird nicht möglich sein, aber die Geschäftsbereiche, die noch bei 60% liegen, werden sich in diese Richtung entwickeln. Allerdings werden wir nicht jedes Jahr so stark wachsen wie 2011 mit 37%. Allein die Krise in Südeuropa, wo die Reiff-Gruppe im B2B-Geschäft auch vertreten ist, wird eine Verlangsamung des Wachstums mit sich bringen.

GoingPublic: Im Geschäftsbereich Technische Produkte sind Sie 2011 am stärksten gewachsen. Wie soll sich dieses Segment in Zukunft entwickeln?

Reiff:
Dieser Geschäftsbereich hat eine ganz entscheidende Funktion im Unternehmen. Wir sind ständig bemüht, hier nicht nur organisch, sondern auch durch Zukäufe zu wachsen. Allerdings ist das nicht einfach, weil der Markt in erster Linie durch kleine Mittelständler besetzt und das Geschäft sehr profitabel ist. Wenn es diesen kleinen Unternehmen also gut geht und sie keine Nachwuchsprobleme haben, werden sie auch nicht verkaufen. Grundsätzlich hätten wir gerne doppelt so viel Umsatz in diesem Bereich und werden uns auf keinen Fall davon trennen.

GoingPublic: Sie sprachen Nachwuchsprobleme an. Reiff ist ebenfalls ein Familienunternehmen. Wird es das auch bleiben?


Reiff:
Mein Sohn ist bereits seit zwei Jahren im Unternehmen. Er ist 34 Jahre alt und Diplom-Kaufmann. Fünf Jahre lang hat er außerhalb unseres Unternehmens gearbeitet. Jetzt ist er bei der Reiff-Gruppe für die Niederlassungen verantwortlich. So haben wir den Wechsel der Generationen bereits eingeleitet.

GoingPublic: Herr Reiff, vielen Dank für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Oliver Bönig.


Dieses Interview finden Sie auch in Ausgabe 6/2012 des GoingPublic Magazins, einer Schwesterpublikation der Unternehmeredition.

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