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„Absprachen sind ein zentrales Thema“

Seit mehr als 30 Jahren ist die Marquardt-Gruppe weltweit aktiv. Warum der schwäbische Zulieferer in Mazedonien Fuß fassen will und in Deutschland 20 bis 30 Prozent der Arbeitsplätze mittelfristig gefährdet sind, erläutert Sprecher der Geschäftsführung Dr. Harald Marquardt.

Unternehmeredition: Welche Rolle spielt die Internationalisierung für ein Zuliefer-Unternehmen wie Marquardt?

Marquardt: Für uns spielt sie eine sehr große Rolle. Einen großen Teil des Umsatzes erwirtschaften wir als Zulieferer für die Automobilindustrie. Ernstgenommen wird man nur noch dort, wo man global handeln kann. Seit über 30 Jahren „besetzen“ wir Märkte in Europa, Asien und den USA. Das zahlt sich insbesondere für unseren deutschen Standort aus: Das Vertrauen unserer Kunden in unsere ausländischen Standorte ermöglicht es uns, weiter zu wachsen und somit auch Arbeitsplätze in Deutschland zu halten.

Wieviel Prozent des Umsatzes erwirtschaften Sie im Ausland?

Montage bei Marquardt: Sie findet zunehmend im Ausland statt. (© Marquardt GmbH)

Das ist schwierig zu sagen. Denn Abladestelle ist bei uns nicht Endverbraucherstelle. Liefern wir z.B. ein elektronisches Zündschloss für die Mercedes-S-Klasse nach Sindelfingen, so gehen mehr als 90 Prozent der Fahrzeuge ins Ausland. Für uns ist es eine deutsche Auslieferung. Für den Automobilkonzern ist es Export. Deswegen liegt „unser“ Exportanteil immer noch bei „nur“ etwa 50 Prozent. Schaut man hingegen darauf, wo das Endprodukt endgültig landet, sind wir sicherlich bei 70 bis 75 Prozent.

Die deutschen Automobilkonzerne produzieren einen Großteil der PKWs im Ausland. Wie groß ist der Druck, mit diesen umzusiedeln?

Zum Teil sind wir bereits mit unseren Kunden mitgegangen. Aufgrund unseres Produktportfolios sind wir stellenweise sogar schon vor den OEMs dort, wo wir gebraucht werden. Sei es direkt im Absatzmarkt oder einfach nur in der Region, wo die OEMs ihre Produktion beabsichtigen anzusiedeln. Bei Schaltern für Bohrmaschinen, Bohrhämmer oder Winkelschleifer sind wir seit mehreren Jahrzehnten Weltmarktführer in einem extrem globalen Markt. Deswegen waren wir früh dran mit der Internationalisierung und können so auch von den gewonnenen Erfahrungen für unsere Kunden aus der Automobilindustrie in diesen Ländern profitieren.Seit mehr als 30 Jahren ist die Marquardt-Gruppe weltweit aktiv. Warum der schwäbische Zulieferer in Mazedonien Fuß fassen will und in Deutschland 20 bis 30 Prozent der Arbeitsplätze mittelfristig gefährdet sind, erläutert Sprecher der Geschäftsführung Dr. Harald Marquardt.

Mit Vertriebsniederlassungen oder eigenen Werken?

Vor allem mit Produktionswerken. Aber auch mit anderen Funktionen, wie zum Beispiel mit eigenen Entwicklungsteams, sind wir im Ausland vertreten. Unsere Kunden schätzen den direkten Kontakt zu unseren internationalen Teams. Hinzu kommt, dass eine Produktion auch für etwaige Entwicklungspartnerschaften wichtig ist zur schnellen und nachhaltigen Qualitätsabsicherung. Weltweit gibt es für die PKW-Industrie nach wie vor große Chancen. An diesem Wachstum wollen wir partizipieren.

Die Gruppe ist teilweise schon vor den OEMs mit Produktionsstandorten im Ausland vertreten. (© Marquardt GmbH)

Wo sehen Sie das stärkste Wachstum?

China wächst weiter, allerdings ist das Wachstum zuletzt etwas abgeflacht. Aber Asien besteht nicht nur aus China. Auch Nordamerika bietet Chancen: Auf 1.000 Einwohner kommen dort 750 Autos. Die Leute sind in den USA auf den PKW angewiesen. Dieser muss spätestens nach etwa zehn bis zwölf Jahren ersetzt werden. Und irgendwann wird es auch im russischen Raum wieder Chancen geben. Um die Zukunft des Automobils, in welcher Form auch immer, ist mir nicht bange. Das Auto ist ein Stück Mobilität, das Freiheit verkörpert. Übrigens: Selbst dort, wo der Bedarf nach alternativen Mobilitätskonzepten – Car Sharing zum Beispiel – wächst, weil große Metropolen so viele Fahrzeuge gar nicht verkraften, haben wir Wachstumspotenzial. Wir entwickeln hierfür bereits mit anderen Partnern Lösungen.

Welcher Technologie räumen Sie die größten Chancen im PKW-Sektor ein?

Ich glaube, dass sich zunächst Hybrid-Fahrzeuge durchsetzen. Die Geschwindigkeit in Richtung reiner Elektromobilität hängt von der Dichte der Ladestationen, von den Kosten und der Halte- bzw. Lebensdauer der Batterien ab. Die Fortschritte sind allerdings groß. In einem Jahrzehnt kann sich einiges in Richtung Elektromobilität bewegen.Seit mehr als 30 Jahren ist die Marquardt-Gruppe weltweit aktiv. Warum der schwäbische Zulieferer in Mazedonien Fuß fassen will und in Deutschland 20 bis 30 Prozent der Arbeitsplätze mittelfristig gefährdet sind, erläutert Sprecher der Geschäftsführung Dr. Harald Marquardt.

Können Sie Ihr Wachstum im Ausland aus dem Cashglow finanzieren?

Leider nicht. Unsere Kunden achten schon darauf, dass es uns nicht zu gut geht (lacht). Meist ist es eine Mischung aus Fremd- und Eigenkapital.

Was ist denn für Mittelständler das größte Problem beim Eintritt in ein fernes Land?

Die Einhaltung von Absprachen ist immer ein zentrales Thema. Entscheiden wir uns für ein Land, investieren wir auch kräftig. Das ist unser Risiko, deswegen müssen wir uns auf Zusagen von Partnern auch verlassen können, was bisher überall uneingeschränkt der Fall war.

Vor allem, wenn Sie vor Ihrem Kunden bereits im Land sind.

Richtig. Genau eine solche Erfahrung haben wir vor vielen Jahren gemacht. Von einem Kunden im Nichtautomobilbereich wurden wir nach Singapur „getrieben“. Wer nicht kam, war der Kunde. Das hat uns dann veranlasst, Singapur wieder zu verlassen und nach China zu gehen. Der Kunde kam dann später nach Malaysia. Ihn beliefern wir noch heute aus unserem chinesischen Werk.

Mazedonien soll das neunte Land werden, in dem Sie ein neues Werk bauen. Wie kamen Sie gerade auf dieses Land?

Zum einen haben wir einen weiteren europäischen Standort gesucht. Zum anderen wollen wir, wie man so schön sagt, nicht alle Eier in einen Korb legen. Unser Werk in Sibiu, Rumänien, hat sich in den vergangenen Jahren großartig entwickelt und ist stark gewachsen. Wir beschäftigen dort gerade etwa 2.000 Mitarbeiter. Damit wir das Wachstum allerdings auch noch managen können, haben wir die Notwendigkeit gesehen, diesen Standort mittel- und langfristig zu festigen und auch zu entlasten. Die Begeisterung der Menschen, die Zuverlässigkeit und die hohe Verfügbarkeit von Arbeitskräften in Mazedonien haben letztlich den Ausschlag gegeben, dass wir dort investieren.Seit mehr als 30 Jahren ist die Marquardt-Gruppe weltweit aktiv. Warum der schwäbische Zulieferer in Mazedonien Fuß fassen will und in Deutschland 20 bis 30 Prozent der Arbeitsplätze mittelfristig gefährdet sind, erläutert Sprecher der Geschäftsführung Dr. Harald Marquardt.

2014 laufen bei Ihnen viele Verträge von Zeitarbeitern aus, die auch in der Form nicht mehr verlängerbar sind. Einige Jobs wollen Sie ins Ausland verlagern. Gibt es keine andere Möglichkeit?

Letztlich hat uns unser Tarifpartner, in diesem Fall die IG Metall, einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie wollte sich im letzten Jahr nicht auf einen bereits ausverhandelten und paraphierten Haustarifvertrag einlassen. Er wäre für uns günstiger als der Metalltarifvertrag gewesen, hätte jedoch unseren Zeitarbeitnehmern langfristige Perspektiven eröffnet. Schon damals lag der Lohn für Zeitarbeiter ohne Ausbildung in der Metallbranche über dem Niveau ausgebildeter Fachkräfte anderer Branchen, wie Rechtsanwaltsgehilfinnen, Floristinnen oder Tierarzthelferinnen.

Der Einsatz von Zeitarbeitern ist ja generell umstritten.

Werk von Marquardt: Mittelfristig rechnet der Zulieferer mit Entlassungen. (© Marquardt GmbH)

Rund 70 Prozent unserer Zeitarbeiterinnen kommen aus der Arbeitslosigkeit – viele haben einen Migrationshintergrund. Häufig sind sie die einzigen Ernährer der Familie, haben Kinder, um die sie sich intensiv kümmern,. und manchmal Männer, die nichts zum Einkommen beitragen können oder wollen. Sie haben meinen höchsten Respekt und eigentlich wollen wir sie nicht verlieren. Jedoch müssen wir auch an unsere Wettbewerbsfähigkeit denken, so dass uns aufgrund der mittlerweile eben nicht mehr wettbewerbsfähigen Löhne in Deutschland im Zeitarbeiterbereich nur noch übrig bleibt, diese Arbeit sukzessive ins kostengünstigere Ausland zu verlagern.

Wie viele Zeitarbeiter beschäftigen Sie momentan?

Knapp 300.

Und wie viele Verträge laufen aus?

Etwa die Hälfte würde auslaufen. Durch die Zustimmung des Betriebsrates sind wir nun jedoch in der Lage, einige Zeitarbeiter doch noch eine ganze Weile weiter zu beschäftigen. Ansonsten hätten wir bestehende Arbeitsverhältnisse auslaufen lassen müssen, um dann andere Zeitarbeiter neu einzustellen. So haben wir jetzt eine Lösung gefunden, die den Betroffenen, dem Betriebsrat und dem Unternehmen hilft.Seit mehr als 30 Jahren ist die Marquardt-Gruppe weltweit aktiv. Warum der schwäbische Zulieferer in Mazedonien Fuß fassen will und in Deutschland 20 bis 30 Prozent der Arbeitsplätze mittelfristig gefährdet sind, erläutert Sprecher der Geschäftsführung Dr. Harald Marquardt.

Welche Rolle spielt der Mindestlohn für Sie?

Schon vor dem Branchenzuschlag verdienten in unserer Industrie auch die Zeitarbeiter bereits mehr als 8,50 Euro pro Stunde. Dadurch, dass sich das Minimumniveau nun erheblich nach oben bewegt, wird natürlich der Wunsch derjenigen, die mehr verdienen wollen, größer. Das kurbelt die Spirale der Lohnwünsche an. Mit der Rente mit 63, den höchsten Energiepreisen weltweit, der Mütterrente und den mittlerweile bereits in der Presse artikulierten völlig überzogenen Tarifforderungen machen wir den Standort Deutschland immer unattraktiver.

Wozu führt das?

In den nächsten Monaten und Jahren wird das zu Arbeitsplatzverlagerungen ins Ausland und zu höherer Arbeitslosigkeit – insbesondere bei den weniger qualifizierten Arbeitskräften – in Deutschland führen.

In Deutschland haben Sie rund 2500 Beschäftigte. Wie viele Stellen sind bei Ihnen hierzulande in Gefahr?

Mittel- bis langfristig sind es sicherlich 20 bis 30 Prozent.


Zur Person

Seit 2004 ist Dr. Harald Marquardt Sprecher der Geschäftsführung der Marquardt GmbH. Sie beschäftigt an mehreren Standorten in Deutschland, USA, Frankreich, Tunesien, Indien, China, Mexico, der Schweiz und in Rumänien mehr als 7.000 Mitarbeiter. Marquardt ist stellvertretender Vorsitzender des Vorstands des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Baden- Württemberg e. V. Südwestmetall sowie stellvertretendes Vorstandsmitglied beim Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft Baden-Württemberg. www.marquardt.com

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