Website-Icon Unternehmeredition.de

„Wir bewegen uns im Lifestyle-Markt“

Der Mast-Jägermeister SE in Wolfenbüttel ist es gelungen, eine weltweit bekannte Marke aufzubauen. Vorstandssprecher Paolo Dell’Antonio erläutert, warum heute das Markenerlebnis Priorität hat und wie Jägermeister weltweit positioniert wird.

Unternehmeredition: Herr Dell’Antonio, Ihr Unternehmen wurde 1878 als Essigfabrik und Weinhandlung gegründet. Das Rezept für den Jägermeister ist 1934 entstanden. Wie viele Produkte sind seitdem hinzugekommen?

Jägermeisterflasche: Das Unternehmen setzt auf den hohen Wiedererkennungswert. (© Mast-Jägermeister SE)

Dell’Antonio: In den ersten Jahrzehnten ist wie bei vielen anderen Spirituosenherstellern auch bei uns eine ganze Produktrange entstanden. Im Gegensatz zu den Mitbewerbern haben wir uns ab den 1960er Jahren auf ein Produkt, nämlich auf Jägermeister konzentriert. Dieser ist dafür deutschlandweit und bereits Ende der 60er Jahre im Ausland vermarktet worden. Im Unterschied zu den Mitbewerbern haben wir früh den Schritt ins Ausland gewagt.

Wohin hat die Internationalisierung bis heute geführt?

Wir sind in 108 Märkten der Welt zuhause, in denen wir jährlich rund 90 Millionen 0,7-Liter-Flaschen absetzen. Zum Vergleich: Im Spirituosenmarkt werden insgesamt jährlich 40 Milliarden Flaschen verkauft, wobei der Marktanteil der Premiumprodukte nur bei etwa 20 Prozent liegt. Das sind etwa Spirituosen mit einer höheren Wertigkeit und einem entsprechend höheren Preis, die Sie im deutschen Handel finden. In diesem Segment bewegen wir uns. Wir sind die weltweit siebtgrößte Spirituosenmarke und der größte Kräuterlikör.

Wie ist die Marke so bekannt geworden? Wir haben schon sehr früh angefangen, in Marketing zu investieren – ob TV-Werbung in den 1950er Jahren oder vor allem Sportwerbung ab Ende der 60er Jahre. Das Unternehmen warb mit echtem Pioniergeist als eines der ersten mit seinem Produkt auf Banden und war in den 70er Jahren der erste Trikotsponsor der Fußball-Bundesliga. Das war dem DFB gar nicht so recht, doch der Konflikt hat für viel Aufmerksamkeit in den Medien gesorgt. Auch mit Motor- und Pferdesport ist es gelungen, für Emotionen zu sorgen. Später kam dann etwa die Unikat-Kampagne „Ich trinke Jägermeister, weil…“ in die Printmedien. Dort gaben Menschen aus dem alltäglichen Umfeld, später aber auch bekannte Persönlichkeiten, humorvolle bis provokante Gründe zum Besten. Jedes Motiv wurde nur einmal geschaltet.Der Mast-Jägermeister SE in Wolfenbüttel ist es gelungen, eine weltweit bekannte Marke aufzubauen. Vorstandssprecher Paolo Dell’Antonio erläutert, warum heute das Markenerlebnis Priorität hat und wie Jägermeister weltweit positioniert wird.

Heute erreichen Sie auch viele junge Verbraucher

Die Kommunikationsmöglichkeiten haben sich geändert. Ging es früher um den reinen Produktverkauf, bewegen wir uns heute im Lifestyle-Markt, und da müssen wir Emotionen wecken. Es geht nicht mehr nur um Bekanntheit, sondern vor allem auch um Sympathie, Produktqualität und vieles mehr. Deshalb setzen wir unter anderem auf Promotions und Musikevents. Generell ist es unser Ziel, individuelle Zielgruppen in ihrer jeweiligen Konsumsituation zu erreichen.

Die Jungen sind wichtiger geworden?

In Deutschland liegt das durchschnittliche Alter eines Jägermeister-Käufers bei 42,6 Jahren. Davon unabhängig ist es natürlich leichter, einen jungen Erwachsenen zu gewinnen und dann das ganze Leben zu begleiten, als einen älteren umzudrehen. Darüber hinaus fühlen sich die Verbraucher generell jünger als sie tatsächlich sind und wollen auch so angesprochen werden.

Jägermeister reift in Eichenfässern: Dann wird er in die charakteristischen 0,7-Liter-Flaschen abgefüllt. (© Mast-Jägermeister SE)

Welche Vorteile kann Jägermeister nutzen, um die Kunden zu erreichen?
Es ist die Kraft der Differenzierung. Die Gattung als Kräuterlikör, die es im Ausland ja häufig gar nicht gibt, unser Erscheinungsbild mit der markanten Flaschenform und den gotischen Schriftzügen, die Eigentümerstruktur sowie die Mitarbeiter, die sich auf Jägermeister konzentrieren. Nicht zuletzt gestalten wir die Prozesse möglichst einfach und fokussieren uns auf die Dinge, die wir wirklich können. Daraus ergibt sich unsere Markenstärke, mit der wir möglichst nahe an den Kunden herantreten wollen.

Was bedeutet der lange Atem eines Familienunternehmens für das internationale Geschäft?

Anders als große Wettbewerber wie Pernod Ricard und Diageo, die auf einen globaleren Marketingansatz mit eigenen Vertriebsgesellschaften setzen, arbeiten wir mit Partnern vor Ort zusammen. Die haben die landesspezifischen Kenntnisse und Zugänge in den Markt. Gleichzeitig bringen wir unsere Erfahrung und ein weltweit einheitliches Produkt mit. Also: Our brand is global, our business is local. Grundsätzlich starten wir den Markenaufbau zusammen mit dem Partner in der Gastronomie, um dort eine Basis zu schaffen. Anschließend leiten wir gemeinsam Maßnahmen für das Land bzw. den weiteren Roll-out bis in den Handel ein. Als mittelständisches Familienunternehmen können wir zudem auch mal antizyklisch investieren. Wir haben schon häufig Marktanteile gewonnen, weil sich andere Wettbewerber zurückgezogen haben.Der Mast-Jägermeister SE in Wolfenbüttel ist es gelungen, eine weltweit bekannte Marke aufzubauen. Vorstandssprecher Paolo Dell’Antonio erläutert, warum heute das Markenerlebnis Priorität hat und wie Jägermeister weltweit positioniert wird.

Wie viel Zeit brauchen Sie, um im Ausland erfolgreich zu sein?
Das ist schwer prognostizierbar. Uns geht es bei der Internationalisierung um einen langfristigen und nachhaltigen Markenaufbau, der von vielen Faktoren abhängt. Mitunter kommt der Erfolg dann oft explosionsartig. In Großbritannien etwa haben wir 1978 angefangen und im ersten Jahr nur rund 2.000 0,7-Liter-Flaschen verkauft. Bis zur Jahrtausendwende waren es 17.500. Seit 2004 aber hat sich der Absatz jährlich verdoppelt und 2014 waren wir schon bei rund sechs Millionen Flaschen.

Firmengebäude von Jägermeister in Wolfenbüttel: Hier ist das Unternehmen zuhause. (© Mast-Jägermeister SE)

Welche neuen Trends sehen Sie mit Blick auf Ihre Zielgruppe?
Die Berührungspunkte mit den Konsumenten haben extrem zugenommen. Es gibt nicht mehr nur TV und Print, sondern auch viel interaktive Kommunikation. Außerdem beobachten wir die Rückbesinnung auf Werte. Das muss nicht die Familie sein, aber es geht um die Gemeinschaft bis hin zur Facebook-Community. Die Menschen suchen Gruppenmomente, an die sie sich erinnern. Auch wir versuchen deshalb, das positive Erlebnis in der Gemeinschaft zu generieren. Darüber hinaus wollen die Konsumenten wissen und beeinflussen, was mit den Marken passiert. Das kommunizieren sie auch in den Netzen.

Wie gelingt es Ihnen, die Marke zu schützen?
Der Markenschutz hat bei uns einen hohen Stellenwert. Zum einen sichern wir uns markenrechtlich ab. Zum anderen versuchen wir, quasi über ein Überwachungssystem via Datenbanken und durch unsere Zusammenarbeit mit dem Zoll Markenrechtsverletzungen zu finden. Am häufigsten stoßen wir auf Nachahmerprodukte, die das Produkt selbst kopieren oder damit verbunden Farben und Worte für sich nutzen wollen. Natürlich wird auch unser Logo zum Beispiel auf Textilien in einem so nicht gewünschten Umfeld benutzt. Das können auch nur Trittbrettfahrer sein. Setzen wir uns hier nicht zur Wehr, besagt das Recht, dass für uns bei späteren und womöglich größeren Markenrechtsverletzungen keine Handhabe mehr besteht. Über begeisterte Fans hingegen freuen wir uns sehr und versuchen miteinander so viel wie möglich zu gestalten.


Zur Person

(© Mast-Jägermeister SE)

Paolo Dell’Antonio ist seit 1999 Mitglied und seit 2007 Sprecher des Vorstandes der Mast-Jägermeister SE in Wolfenbüttel. Zuvor fungierte er bei der Wolf-Garten GmbH & Co. KG in Betzdorf als Geschäftsführender Gesellschafter. Von 1990 bis 1992 war er Unternehmensberater bei Bain & Company Inc. in München. Dell’Antonio studierte an den Universitäten Hamburg und Perugia mit Abschluss Diplom-Kaufmann. Ferner hält er einen Executive M.B.A. der Kellogg Graduate School of Management, Evanston, und der Wissenschaftlichen Hochschule (WHU), Vallendar. www.jaegermeister.de

Die mobile Version verlassen